Die Parallelen zu 2013 werden für Gottéron immer beängstigender. Wie 2013 gegen Servette hat der SCB inzwischen im Viertelfinal ein 1:3 aufgeholt. Wie 2013 ist der dritte Sieg mit dem exakt gleichen Resultat (4:3) und wie damals auswärts in der Überzeit eingefahren worden. Damals nach Penaltys, jetzt in der Verlängerung. Und wie Servette 2013 hatte am Montag auch Gottéron zwischenzeitlich gegen den SCB mit zwei Toren geführt.
Die Dramatik ist kaum mehr zu überbieten. «Mythos 2013». SCB-Zuversicht, die aus der Geschichte kommt. Aber es gibt auch eine Zuversicht aus der Gegenwart.
Zwei Faktoren fallen beim montäglichen Sieg auf.
Erstens – der SCB hat einen verschmähten Helden: Philip Wüthrich hat den Sieg erneut festgehalten. Mit seiner ihm eigenen stoischen Ruhe sicherte er nach dem Verlängerungssieg vom Samstag (3:2) nun auch den Triumph am Montag (4:3). Keine Frage: Philip Wüthrich ist einer der besten Schweizer Goalies. Eine Nummer 1 auch für schwierige Fälle in Playoff-Verlängerungen.
Es gehört zu den Mysterien der Hockey-Geschichte, welche Teufel die SCB-Sportabteilung geritten haben, den völlig ungenügenden Adam Reideborn nach der letzten Saison nicht nur zu behalten, sondern auch noch im November ohne jede Not den Vertrag des Schweden bis zum Ende der nächsten Saison zu verlängern. Philip Wüthrich wechselt deshalb in der besten Phase seiner Karriere nach Ambri. Weil er in Bern nach der vorzeitigen Verlängerung mit Adam Reideborn verständlicherweise keine Perspektive mehr gesehen hat. Nun ist er Berns verschmähter Playoff-Held.
Zweitens – Jussi Tapola hat ein feines Gespür für sein Personal und die Spielentwicklung. Mit Umstellungen während der Partie und einem Time-out in der Verlängerung zum richtigen Zeitpunkt trägt er zum Sieg bei. Er mahnt in dieser Beziehung ein wenig an den legendären Scotty Bowman, den erfolgreichsten NHL-Bandengeneral der Geschichte. Der Finne hat seit seinem Amtsantritt im Sommer 2023 eine Entwicklung ausgelöst, die zum nächsten Meistertitel führen kann. Unabhängig vom Ausgang dieses Viertelfinals.
Zum ersten Mal seit der letzten Meistersaison (2018/19) hat der SCB in den Playoffs mindestens gleichwertiges ausländisches Personal: Gottérons Ausländer haben bisher in diesem Viertelfinal 7 Tore beigesteuert. Die SCB-Ausländer 8, davon in drei Verlängerungen den Siegestreffer (Lukas Klok, Waltteri Merelä, Miro Aaltonen).
Gewinnt der SCB nun am Mittwoch Spiel sieben und macht sich auf den Weg in den Final und zum Titel? So wie 2013? Gottéron wankt und muss wieder aufstehen. Wenn eine Mannschaft dazu in der Lage ist, wieder aufzustehen, dann ist es Gottéron. Aber zum ersten Mal war Reto Berra am Montag «verwundbar». Immer noch ein Titan. Aber nicht mehr mit der Magie der vorangegangenen fünf Spiele. Hier seine Fangquoten in diesem Viertelfinal.
Noch Fragen?
Findet Reto Berra seine Magie im 7. Spiel wieder? Das ist die entscheidende Frage. Gottéron hat nur eine Siegeschance, wenn er mehr als 90 Prozent der Pucks stoppt. Der SCB ist nach einem 1:3-Rückstand wieder aufgestanden. Wie 2013. Eine Niederlage im 7. Spiel am Mittwoch wäre die bitterste seit dem verlorenen 7. Spiel im Final von 2012 gegen die ZSC Lions durch einen Gegentreffer in der letzten Sekunde.
«Remember 2013!» – «Forget 2012!»
Das Spiel hatte nichts mit der Vergangenheit zu tun. In der Verlängerung standen die Chancen 50 zu 50. Der SCB hat schlussendlich gewonnen. Genauso gut hätte es Gotteron sein können. Und dann wäre Berra kein Thema gewesen. Der Goalie der Verlierermannschaft hat fast immer die schlechteren Statistiken. Das kann etwas über den Goalie aussagen, muss aber nicht.