Sport
Eismeister Zaugg

«Nationalmanager» statt Nationaltrainer – der Beginn einer neuen Eishockey-Ära

Patrick Fischer, coach de l’equipe nationale suisse de hockey sur glace, parle lors d'une conference de presse a l’occasion du debut de la serie de matchs de preparation en vue des Mondiaux ce me ...
Nati-Coach Patrick Fischer. Bild: KEYSTONE
Eismeister Zaugg

«Nationalmanager» statt Nationaltrainer – der Beginn einer neuen Eishockey-Ära

Die Aufgebote für den Karjala Cup zeigen in diesen Tagen: das sportliche und wirtschaftliche Umfeld der Nationalmannschaft hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Den Job eines Nationaltrainers wie wir ihn bisher kannten, gibt es nicht mehr.
07.11.2017, 06:2607.11.2017, 08:49
Mehr «Sport»

Ein Turnier wie jedes andere? Eine Vorbereitung wie jede andere? Auf den ersten Blick ja. Auf den zweiten Blick erkennen wir in diesen Tagen eine Zeitenwende. Eine Ära ist zu Ende gegangen. Die Ära der nationalen «Bandengeneräle». Der Nationaltrainer wie wir sie kannten. Nun beginnt die Ära der «Nationalmanager».

Im Rückblick wird klar, dass Sean Simpson, der Silber-Schmied von 2013, der letzte grosse nationale «Bandengeneral» war. Die Umstände waren ja auch ein bisschen einfacher. Die Autonomie der Liga war zwar grösser, aber die Macht des Verbandes auch – es gab zu oft mehr ein gegeneinander als ein miteinander. Der Nationaltrainer bot die Spieler auf und wenn sie nicht kamen, so notierten die Chronisten akribisch die Namen jener, die dem Aufgebot nicht Folge leisten wollten oder konnten. Polemik um Absagen gehörten zu jedem Nationalmannschaftsaufgebot wie das Glockengeläut zur Kuhherde.

Der ehemalige Schweizer Eishockey Nationaltrainer Sean Simpson an einer Medienkonferenz in Kloten am Freitag, 19. Dezember 2014. Die Kloten Flyers haben sich per sofort von Cheftrainer Felix Hollenste ...
Sean Simpson, der letzte Nati-General. Bild: KEYSTONE

Inzwischen gibt es die Trennung zwischen Liga und Verband nicht mehr so wie früher. Auch juristisch wurden Verband und Liga inzwischen im Rahmen einer grossen Reorganisation zu einem Unternehmen, zur Aktiengesellschaft «Swiss Ice Hockey» zusammengefasst. Florian Kohler ist der erste «Verbandsgeneral», der in den Bereichen des Verbandes und der Liga das letzte Wort hat. Unter ihm ist auch die Position des Technischen Direktors, also die von Raeto Raffainer als Chefs aller Nationalteams gestärkt worden. Die Belastung der Spieler ist heute gross wie nie: Meisterschaft, Cup, Champions Hockey League und Nationalteam. In dieser Saison kommt neben der WM das Olympische Turnier dazu. Ein Nationalspieler kommt, die Saisonvorbereitung eingerechnet, auf über 100 Spiele.

Enge Zusammenarbeit mit den Klubs

Diese Belastung muss der Nationaltrainer heute berücksichtigen. «Wenn wir die bestmögliche Mannschaft beim Olympischen Turnier und bei der WM haben wollen, dann geht das nur noch in enger Zusammenarbeit mit den Klubs» sagt Raeto Raffainer. Was dies in der Praxis bedeutet, zeigt nun das Aufgebot für den Karjala Cup. Einerseits geht es darum, die bestmögliche Mannschaft zu haben. Die Resultate sind wichtig, wenn die Schweiz weiterhin zu diesem hochkarätigen Turnier eingeladen werden soll. Andererseits gilt es, der Belastung der Spieler Rechnung zu tragen.

Wir haben heute zwar mehr «nationalmannschaftsfähige» Spieler als je zuvor – aber immer noch weniger als die grossen Nationen. Deshalb das grosse Aufgebot für den Karjala Cup. Raeto Raffainer sagt: «Es macht keinen Sinn, Spieler für die Partie vom Mittwoch gegen Kanada aufzubieten, die am Dienstag noch mit ihrem Klub auswärts in der Champions League gespielt haben.» Ein Nationalmannschaftsdirektor muss in der Schweiz mehr Rücksicht auf die Klubs und die Spieler nehmen als bei den Grossen Nationen.

Raeto Raffainer, Director of National Teams of the Swiss Ice Hockey, speaks to the media during a press conference after Switzerland's team is eliminated of the tournament of the IIHF 2016 World  ...
Raeto Raffiner, Chef aller Schweizer Eishockey-Natiteams. Bild: KEYSTONE

Da und dort wird aus diesem Grund die Nationalmannschaft als Spielball der Klubs bezeichnet. Was so nicht stimmt. Richtig ist, dass die Zusammenarbeit zwischen Klubs und der Abteilung Nationalmannschaft viel intensiver geworden ist und die Aufgebote inzwischen bereits im Sommer mit den Klubgenerälen abgesprochen werden. Damit die Besten nicht zu stark belastet werden. Die Klubs setzten ihre Interessen durch. Aber am Ende des Tages braucht eben auch die Liga eine starke Nationalmannschaft.

Der Trainer als Manager

Nach wie vor ist die Nationalmannschaft in jedem Land der emotionalste und politisch bedeutsamste Werbeträger für das Eishockey, ja für jede Mannschaftssportart. Die Nationalmannschaft hat auch im Fussball ihre Bedeutung behalten – in einem Geschäft, in dem die Klubs mit lukrativen internationalen Wettbewerben ungleich einflussreicher und wirtschaftlich mächtiger sind als im Eishockey. Keine Liga ausserhalb der NHL ist sportpolitisch mächtig und wirtschaftlich stark genug, um ein Nationalmannschaftsprogramm ignorieren zu können.

Wenn in den nächsten Jahren Nationalmannschaftstermine im Dezember oder im Januar wegfallen, so ändert das nichts an der zentralen Bedeutung der Nationalmannschaft und der Titelturniere (WM, Olympia). Die Klubs werden die freien Termine sowieso nicht in erster Linie für internationale Wettbewerbe (wie die Champions League) nutzen – sondern um noch mehr Runden in der nationalen Meisterschaft zu spielen.

Die internationalen Klubwettbewerbe bleiben in Europa in den nächsten Jahren eine nette sportliche Liebhaberei ohne kommerzielle Kraft und sie werden die Nationalmannschaften nicht konkurrenzieren. Das alles bedeutet auch, dass der Nationaltrainer nicht mehr alle Aufgaben erfüllen kann. Raeto Raffainer sagt es so: «Ein Nationaltrainer ist heute auch ein Manager. Er kann sich nicht mehr selber um alles kümmern und braucht Spezialisten, die ihn unterstützen.» Im Falle von Nationaltrainer Patrick Fischer sind es vor allem der Taktikspezialist Thomas Albelin im sportlichen und eben Raeto Raffainer im sportpolitischen und organisatorischen Bereich. Der eine hilft ihm die Ordnung auf und der andere die Ordnung neben dem Eis aufrechtzuerhalten.

Die ersten zwei Jahre der neuen Ära der «Nationalmanager» bescherte uns noch ein kurzweiliges Chaos bei den WMs von 2015 (mit Glen Hanlon) und 2016 (der ersten WM von Patrick Fischer). Nun zeichnet sich nach einer Stabilisierung bei der WM 2017 in Paris eine erfreuliche Entwicklung ab. Der charismatische Kommunikator Patrick Fischer managt zusammen mit Raeto Raffainer und Thomas Albelin unsere Hockey-Ressourcen auch unter erschwerten Bedingungen immer besser. Der Karjala Cup kann die erste Station auf dem Weg zum Ruhm beim Olympischen Turnier und bei der WM sein.

Despacito mit Eishockey-Spielern :)

Video: watson/Laurent Aeberli, Reto Fehr, Lea Senn
Unvergessene Eishockey-Geschichten
Bobby Orr entscheidet mit dem «Flying Goal» den Stanley-Cup-Final
Bobby Orr entscheidet mit dem «Flying Goal» den Stanley-Cup-Final
von Ralf Meile
Ralph Krueger schreibt das wichtigste SMS der Schweizer Hockey-Geschichte 
8
Ralph Krueger schreibt das wichtigste SMS der Schweizer Hockey-Geschichte 
von Klaus Zaugg
Deutschland verpasst die grosse Sensation, weil der Puck auf der Linie kleben bleibt
Deutschland verpasst die grosse Sensation, weil der Puck auf der Linie kleben bleibt
von Ralf Meile
NHL-Star Darryl Sittler stellt einen Rekord für die Ewigkeit auf
1
NHL-Star Darryl Sittler stellt einen Rekord für die Ewigkeit auf
von Adrian Bürgler
04.01.1987: Als nach der grössten Prügelei aller Zeiten die Lichter ausgingen und ein Spiel die Eishockey-Welt veränderte
04.01.1987: Als nach der grössten Prügelei aller Zeiten die Lichter ausgingen und ein Spiel die Eishockey-Welt veränderte
von Klaus Zaugg
16.01.1905: Nach 23 Tagen Anreise werden die Dawson City Nuggets im Stanley-Cup-Final mit 2:23 vermöbelt
1
16.01.1905: Nach 23 Tagen Anreise werden die Dawson City Nuggets im Stanley-Cup-Final mit 2:23 vermöbelt
von Ralf Meile
19.10.1996: Del Curto klärt seine Spieler auf: «Zum Schiri nüma ‹Fuck you› sägä, äs git zwei Minuta, hä!»
2
19.10.1996: Del Curto klärt seine Spieler auf: «Zum Schiri nüma ‹Fuck you› sägä, äs git zwei Minuta, hä!»
von Reto Fehr
24.02.2006: Neunmal das F-Wort in einer Minute – Greg Holst macht sich mit legendärem Ausraster-Interview unsterblich
24.02.2006: Neunmal das F-Wort in einer Minute – Greg Holst macht sich mit legendärem Ausraster-Interview unsterblich
von Syl Battistuzzi
14.05.2008: Philippe Furrer schiesst das kurioseste Eigentor der Schweizer Hockey-Geschichte
14.05.2008: Philippe Furrer schiesst das kurioseste Eigentor der Schweizer Hockey-Geschichte
von Klaus Zaugg
10.10.1979: Ein gewisser Wayne Gretzky bestreitet sein erstes Spiel in der NHL – er wird sämtliche Rekorde pulverisieren
3
10.10.1979: Ein gewisser Wayne Gretzky bestreitet sein erstes Spiel in der NHL – er wird sämtliche Rekorde pulverisieren
von Ralf Meile
18.02.2006: Die «Eisgenossen» spielen kanadischer als die Kanadier und rächen sich für eine uralte Schmach
2
18.02.2006: Die «Eisgenossen» spielen kanadischer als die Kanadier und rächen sich für eine uralte Schmach
von klaus zaugg
11.03.1979: NHL-Haudegen Randy Holt prügelt sich zu einem bis heute gültigen Rekord – 67 Strafminuten in einem einzigen Spiel
11.03.1979: NHL-Haudegen Randy Holt prügelt sich zu einem bis heute gültigen Rekord – 67 Strafminuten in einem einzigen Spiel
von Ralf Meile
08.04.1980: Sie wissen nicht, was sie tun, als sich zwei Schweden als erste Hockeyspieler einen Playoff-Bart wachsen lassen
08.04.1980: Sie wissen nicht, was sie tun, als sich zwei Schweden als erste Hockeyspieler einen Playoff-Bart wachsen lassen
von Ralf Meile
28.01.2009: Die Zürcher Löwen krönen sich zu Europas Eishockey-Königen
8
28.01.2009: Die Zürcher Löwen krönen sich zu Europas Eishockey-Königen
von Klaus Zaugg
24.03.1936: Im längsten Hockey-Spiel aller Zeiten fällt das goldene Tor erst im 9. Drittel – um 2.35 Uhr nachts
24.03.1936: Im längsten Hockey-Spiel aller Zeiten fällt das goldene Tor erst im 9. Drittel – um 2.35 Uhr nachts
von Klaus Zaugg
28.12.1999: «La Montanara» erklingt in Berlin – Ambri krönt sich zum europäischen Champion
28.12.1999: «La Montanara» erklingt in Berlin – Ambri krönt sich zum europäischen Champion
von Reto Fehr
31.03.2009: Nie haben wir uns mehr über ein Tor gegen die Schweizer Nati gefreut als bei Omarks Penalty-Trick
3
31.03.2009: Nie haben wir uns mehr über ein Tor gegen die Schweizer Nati gefreut als bei Omarks Penalty-Trick
von Ralf Meile
22.09.2012: Rick Nash meldet sich mit einem Blitz-Hattrick in der Schweiz zurück
22.09.2012: Rick Nash meldet sich mit einem Blitz-Hattrick in der Schweiz zurück
von Sandro Zappella
30.12.1981: Wayne Gretzky schafft den verrücktesten seiner Rekorde: 50 Tore in 39 NHL-Spielen
30.12.1981: Wayne Gretzky schafft den verrücktesten seiner Rekorde: 50 Tore in 39 NHL-Spielen
von Klaus Zaugg
26.12.1993: Dank Chomutow und Bykow träumt Aufsteiger Davos vom ersten Spengler-Cup-Titel seit 35 Jahren
26.12.1993: Dank Chomutow und Bykow träumt Aufsteiger Davos vom ersten Spengler-Cup-Titel seit 35 Jahren
von Philipp Reich
Amerikas College-Boys erlegen den russischen Bären
Amerikas College-Boys erlegen den russischen Bären
von peter blunschi
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
5 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Spi
07.11.2017 07:08registriert März 2015
Da hat einer Kreide gefressen. :-)
00
Melden
Zum Kommentar
5
England überzeugt + Frankreich und Portugal mit Zittersiegen + Haaland schiesst fünf Tore
In der WM-Qualifikation landen die Favoriten Siege. Während England in Serbien überzeugt, mühen sich Frankreich und Portugal zu drei Punkten.
Frankreich mühte sich in der Gruppe D gegen Island zu einem 2:1. Nach einem Aussetzer von Michael Olise - dem Spieler der Bayern unterlief im eigenen Strafraum ein haarsträubender Fehlpass - lief der Favorit trotz überlegen geführter Partie einem Rückstand hinterher. Erst kurz vor der Pause sorgte Superstar Kylian Mbappé vom Penaltypunkt für den Ausgleich, ehe Bradley Barcola nach rund einer Stunde und einem Konter der siegbringende Treffer gelang.
Zur Story