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Der Verstand sagt uns: der SCB hat gegen diesen HCD keine Chance. Das kurz- und langfristige Gedächtnis warnt uns: Soeben haben die Berner die haushoch favorisierten ZSC Lions aus den Playoffs gekippt. Und 1989 hat der SCB eine Finalserie gewonnen, die uns ein wenig an das Halbfinale gegen den HCD mahnt.
Der HC Lugano ist im Frühjahr 1989 das Mass aller Dinge. So wie jetzt der HC Davos. Lugano ist Titelverteidiger. Wie jetzt der HC Davos. Aber Lugano hatte gleich drei Titel hintereinander gewonnen. 1986, 1987 und 1988. Seit Einführung der Playoffs also unbesiegt. Trainer John Slettvoll gilt als «Hockeygott». Wie jetzt Arno Del Curto. Der HC Lugano ist eine grosse, mächtige Hockeymaschine und fast auf alle Posten im Maschinenraum optimal besetzt. Fast wie jetzt der HC Davos.
Niemand erreichte damals in der Qualifikation das Tempo, die Intensität, die Präzision und die Wucht des HC Lugano. So wie jetzt niemand das Tempo, die Intensität, die Präzision und die Wucht des HC Davos erreicht.
Dieses Finale endete im März 1989 mit der ersten Sensation unserer Playoffgeschichte. Der SC Bern holte den Titel. Lugano gewann die erste Partie 6:2, verlor in Bern 1:5, in Lugano 3:4, siegte in Bern 5:1 und verlor schliess die alles entscheidende Partie vor eigenem Publikum 2:4 (Best of five).
Kann so etwas wieder passieren? Der Verstand sagt «Nein!» Das Bauchgefühl warnt. Der SCB hat mit Jakub Stepanek einen Torhüter, der physisch und mental so robust ist, dass er dem Angriffsspiel der Davoser widerstehen kann. Er hat mit 94,81 Prozent sogar die bessere Playoff-Fangquote als Leonardo Genoni (94,50 Prozent). Die Berner haben zu jenem einfachen, präzisen Spiel zurückgefunden, das schon immer ihre Stärke und ihr eigen war. Sie haben alles zu gewinnen und nichts zu verlieren. Wie 1989.
Aber es gibt eine Differenz. Der Titan Lugano hatte eine Schwäche, ähnlich wie der Sagenheld Siegfried, der im Drachenblut gebadet hatte und dadurch scheinbar unverwundbar geworden war. Aber er hatte nicht bemerkt, dass ein Lindenblatt auf seiner Schulter dazu führte, dass er eben doch verwundbar blieb und dort wurde er getroffen. Lugano hatte mit Thierry Andrey ganz klar den schwächeren Torhüter als der SCB mit Renato Tosio. Das machte die Differenz.
Und der grosse, allmächtige John Slettvoll, seit 1983 im Amt, zeigte die ersten Anzeichen von hockeytechnischer Selbstüberschätzung. Aber Arno Del Curto unterschätzt den SCB nicht. Er würde, wenn es denn nicht gar sonderbar klänge, am liebsten behaupten, der HCD sei in diesem Halbfinale krasser Aussenseiter. Sein Lieblingszitat momentan: «Am Donnerstag ist das erste Spiel!»
Der HCD hat also keine erkennbaren Schwächen. Vielmehr ähnelt ein Spiel gegen den HCD dem Kampf mit der Hydra. Die Hydra ist ein vielköpfiges Ungeheuer der griechischen Mythologie. Wenn es einen Kopf verlor, wuchsen an dessen Stelle zwei neue nach. So ungefähr ist eine Auseinandersetzung mit den HCD. Wer meint, die Verteidigung überwunden zu haben, scheitert schliesslich an Leonardo Genoni.
Er hat nicht die beste Fangquote der Liga. Aber er ist der intelligenteste NLA-Torhüter. Ein Goalie, der entscheidende Partien gewinnt. Er spielt nächste Saison beim SCB. Schneller zu spielen als der HCD ist nicht möglich. Härter und böser auch nicht. Was Thomas Rüfenacht austeilt, zahlen die Wieser-Brothers den Bernern doppelt und dreifach heim. Die Davoser sind im Schnitt sowieso grösser (186,89 cm) und schwerer (89,37 kg) als der SCB (181,14 cm/84,83 kg).
Wir sollten bei diesem Halbfinale auch noch mindestens eine althergebrachte Regelung vergessen: Jene, die besagt, man solle niemals eine siegreiche Mannschaft umstellen («never change a winning team»). Der Spruch kommt übrigens aus dem Fussball. Er stammt von Sir Alf Ramsey, der England 1966 zum bisher einzigen WM-Titel gecoacht hat.
Leitwolf Martin Plüss und Verteidigungsminister Eric Blum kehren ins Team zurück. Ohne zwei der besten und charismatischsten Schweizer Spieler (Plüss war nur im ersten Spiel im Viertelfinale dabei) hat der SCB gegen die ZSC Lions die grösste Sensation seit 1989 geschafft. Theoretisch müsste Trainer Lars Leuenberger auf Plüss und Blum verzichten. Ihre Präsenz verändert ein siegreiches Team und wird zwei Viertelfinalhelden Eiszeit wegnehmen und die Balance im Team verändern. Aber praktisch kann der SCB-Trainer nicht auf Plüss und Blum verzichten. Er muss diese Regel brechen.
Der Verstand sagt, dass der HC Davos höchstens fünf Spiele für die Finalqualifikation braucht. Und dann erstmals unter Arno Del Curto den Titel verteidigt. Aber der Verstand ist ein General, der immer zu spät zur Schlacht kommt, aber hinterher alles besser weiss. Wer behauptet hat, der SCB werde gegen die ZSC Lions chancenlos sein, kann einfach nicht mit gutem Gefühl sagen, der SCB sei gegen den HCD chancenlos.