Im Frühjahr 1986 sind die ersten Playoffs gespielt worden. Seither werden Jahr für Jahr Heldengeschichten geschrieben. 2020 gibt es zum ersten Mal keine solchen Geschichten. Zeit also, um zurückzuschauen und die 50 Grössten der Vergangenheit aufzulisten.
Es sind nicht nur Sieger und Meistermacher. Die Dramatik der Playoffs bringt es mit sich, dass auch Spieler eine Heldengeschichte schreiben, die am Ende den Pokal nicht hochstemmen dürfen oder die nur in einem einzigen Abend ins Rampenlicht treten. Es geht bei unserer Aufstellung um jahrelange Dominanz, um Titel, aber auch um Helden aus einem einzigen Spiel.
Es ist eine Auflistung ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit oder gar Richtigkeit, geprägt von persönlichen Erinnerungen, nicht frei von Irrtümern und auch nicht ganz frei von Polemik. Die aufgeführten Helden habe ich seit 1986 alle im Stadion gesehen. Als Klubzugehörigkeit haben wir bei den einzelnen Spielern nur die wichtigsten Arbeitgeber aufgeführt.
Er prägt die SCB-Meisterteams von 1991, 1992 und 1997 und allein diese Referenzen würden ihm einen Platz weit oben in unserer Auflistung sichern. Doch die grösste Playoff-Tat vollbringt er erst am 1. März 2008 im Alter von 42 Jahren. Gottéron ist im Viertelfinal gegen Qualifikationssieger Bern krasser Aussenseiter. Aber im sechsten Spiel hat Gottéron die Chance, die Serie auf eigenem Eis zu entscheiden.
Nach 60 Minuten steht es 3:3. In der 69. Minute trifft Gil Montandon zum 4:3 – er ist der älteste Verlängerungsschütze unserer Playoff-Geschichte. Gottéron steht im Halbfinal, der SCB muss eine der grössten Playoff-Pleiten seiner Geschichte verkraften. Ein Jahr später schafft es Gottéron im Halbfinal gegen Davos bis ins siebte Spiel. Es ist Gil Montandons letzte Partie. Und er trifft zum 1:0. Die Partie geht durch einen Treffer von Andres Ambühl 47 Sekunden vor Schluss mit 3:4 verloren – aber Gil Montandon hat nach mehr als 1000 Partien die grosse Bühne stolz und aufrecht als Torschütze verlassen.
Einer der charismatischsten Playoff-Leitwölfe unserer Geschichte, statistisch mit 1,35 Punkten pro Playoff-Partie klar besser als Reto von Arx, André Rötheli oder Jörg Eberle, die alle nicht auf einen Punkt pro Partie kommen. Und bei Bedarf auch ein beinharter und listiger Provokateur.
Der Italo-Kanadier führt den SCB 1997 und zwei Jahre später auch Lugano zum Meistertitel. Am 1. April 1999 erzielte er im dritten Finalspiel in Ambri in der Verlängerung (76:06 Minuten) den Siegestreffer zum 3:2, der Ambris Herz brach und Lugano den Weg zum Titel ebnete. Und schon fast ist vergessen, dass er 1998 Langnau in die NLA zurückbrachte – er war nur für die Aufstiegsspiele verpflichtet worden (4 Spiele/5 Punkte). Er arbeitet heute als Scout für die New Jersey Devils.
Vier Titel in Serie (1993, 1994, 1995, 1996) – das ist bis heute im Playoff-Zeitalter keinem anderen Torhüter gelungen. Dieser «Grand Slam» ist umso bemerkenswerter, weil zwei dieser meisterlichen Triumphe (1993, 1994) im Final gegen die besten Offensivspieler unserer Playoff-Geschichte gewonnen worden sind – und das ging eben nur mit Reto Pavoni.
An ihm sind Slawa Bykow und Andrej Chomutow zerbrochen, die 1993 und 1994 in den Playoffs gemeinsam in 22 Partien 97 Punkte produzierten – und doch im Final zweimal an Reto Pavoni scheiterten. 2002 wechselte Reto Pavoni für vier Jahre zu Servette und beendete seine Profi-Karriere nach zwei Jahren in der DEL bei Krefeld (2006 bis 2008). Heute ist er Torhüter-Trainer bei Kloten.
Künstler taugen eigentlich nicht für die rauen Playoffs. Aber André Rötheli ist einer der smartesten und talentiertesten Mittelstürmer unserer Hockey-Geschichte. Er setzt sich auch dann durch, wenn das Spiel rauer und intensiver wird (0,66 Punkte pro Playoff-Partie). Er spielt bei drei Meisterteams eine dominierende Rolle: 1998 in Zug (da war er sogar Captain), 2003 in Lugano und 2004 in Bern.
Für das entscheidende fünfte Finalspiel am 10. April 2004 in Lugano organisiert Hobby-Pilot André Rötheli für die Mannschaft einen Charterflug von Belp nach Lugano, um dem zeitraubenden Oster-Verkehrsstau bei der Fahrt nach Lugano zu entgehen. Als Sportchef kommt er mit Kloten 2014 bis in den Final (gegen die ZSC Lions 0:4 verloren), doch als Trainer hat er wenig Glück: er übernimmt die Klotener am 6. April 2018 in der Liga-Qualifikation gegen die Lakers für den gefeuerten Kevin Schläpfer, steigt mit dem EHC ab, kann den Job behalten und wird schliesslich nach der dritten Niederlage im Viertelfinal gegen Langenthal am 2. März 2019 gefeuert.
Am 16. und 17. Mai 1998 lässt er mit Finnland in den zwei WM-Finals gegen Schweden im Hallenstadion (ja, 1998 wurden zwei Finals gespielt) nur einen einzigen Treffer zu – und Schweden wird nach einem 1:0 im ersten und einem 0:0 in der zweiten Finalpartie doch Weltmeister.
Von da an ist das Hallenstadion Ari Sulanders Heimat. Er wird der erste ausländische Torhüter, der in unserem Hockey Kultstatus erlangt. Der introvertierte Finne gewinnt mit den ZSC Lions 2000, 2001, 2008 und 2012 den Titel. 2008 entscheidet er die Meisterschaft fast im Alleingang: Die ZSC Lions gewinnen das fünfte und das sechste Finalspiel gegen Servette im Penaltyschiessen und Ari Sulander stoppt fünf der insgesamt sechs Versuche der Genfer.
2009 gewinnt er mit den Zürchern die Champions Hockey League und den Victorias Cup durch ein 2:1 gegen Chicago – der erste Sieg eines Schweizer Teams gegen eine NHL-Mannschaft. Er ist Sportchef Simon Schenks wichtigster Transfer – denn nur dank dem Rückhalt dieses aussergewöhnlichen Torhüters ab der Saison 1998/99 gelingt es, das Stadtzürcher Hockey erstmals seit 1960 wieder auf meisterliche Höhen zu führen und aus dem Konstrukt ZSC Lions eine der erfolgreichsten Hockeyfirmen des 21. Jahrhunderts zu machen.
Meister 2009, 2011 und 2015 mit Davos und 2017 sowie 2019 mit dem SCB: kein Torhüter des Playoffs-Zeitalters hat mehr Meisterschaften gewonnen. Müsste er nicht vor Renato Tosio klassiert sein? Rein statistisch auf jeden Fall. Er ist auch «hockeytechnisch» der besser ausgebildete, modernere Torhüter als Renato Tosio.
Er hat jedoch nicht das Show- und Spektakel-Talent des Churers und wahrscheinlich ist er gerade deswegen der noch bessere, konstantere letzte Mann. Aber Eishockey ist halt auch ein Teil der Unterhaltungsindustrie und besser als Renato Tosio hat in den Playoffs (und auch sonst) noch kein Torhüter das werte Publikum unterhalten. Doch eines ist klar: Beschert der WM-Held von 2018 auch Zug den Titel, dann wird er in dieser Wertung zur unbestrittenen Nummer 1 aufsteigen.
Er hat vom 3. Oktober 1987 bis zum 20. März 2001 kein einziges Spiel für den SCB verpasst. 655 Partien in Serie für den gleichen Klub. Es sind nicht nur die vier Titel (1989, 1991, 1992, 1997), die ihn zum grössten Playoff-Goalie unserer Geschichte machen. Am 11. März 1989 gewinnt der SCB durch ein 4:2 in der Resega den Titel. Es ist die erste Playoff-Überraschung unserer Geschichte.
Eigentlich beginnen bei uns die wahren Playoffs erst mit dieser Finalserie von 1989 – vorher waren die Playoffs bloss die Bestätigung der Qualifikationsresultate und Operetten-Veranstaltungen gewesen. Lugano hatte 1986, 1987 und 1988 die Qualifikation gewonnen, den Titel geholt und keine einzige Finalpartie verloren. Aber 1989 scheitert Lugano als Qualifikationssieger am drittplatzierten SCB.
Bei diesem 4:2-Sieg im alles entscheidenden fünften Finalspiel zeigt Renato Tosio wahrscheinlich die beste Leistung, die je einem Torhüter in unseren Playoffs gelungen ist. Das beste Lugano der Geschichte, das «Grande Lugano», das taktische Meisterwerk von John Slettvoll zerbricht im Final von 1989 an einem Mann. An Renato Tosio.
1982 wird er als NLB-Spieler (Herisau) für die WM (damals spielte die Schweiz noch an der B-WM) aufgeboten und ist mit 3 Punkten in 7 Partien einer der wenigen Lichtblicke bei den enttäuschenden Schweizern, die nur dank eines Bestechungsskandals (einem vorher abgesprochenen 3:3 gegen Rumänien) auf Kosten von China den Abstieg vermeiden können.
Dann beginnt eine der grössten Karrieren unseres Hockeys: Jörg Eberle holt 1984 und 1985 mit Davos die letzten zwei Titel vor den Playoffs, er ist in Luganos Meisterteams von 1986, 1987, 1988 und 1991 eine dominante Spielerpersönlichkeit und mit Zug holt er 1998 seinen siebten Titel. Im letzten Playoffspiel (mit Zug im Halbfinal 1999) erzielt er am 23. März 1999 in Lugano für Zug den Ehrentreffer bei der 1:6-Niederlage. Mit Davos (2002) und mit Lugano (2006) wird er als Sportchef Meister, ab 2013 zieht er sich in das ruhigere Leben des Nachwuchshockeys zurück.
Der introvertierte Schwede dominiert die ersten vier Playoff-Jahre unserer Geschichte in einer Art und Weise, die nach ihm nie mehr ein Spieler erreicht hat: 58 Punkte in 27 Spielen (2,15 Punkte pro Partie) – eine Statistik, die nie mehr übertroffen worden ist. Auch nicht von seinem Bruder Mikael (1,43) in Kloten und auch nicht von Slawa Bykow (1,75) und Andrej Chomutow (1,85).
Im entscheidenden Spiel des ersten Playoff-Finals der Geschichte liegt Lugano am 1. März 1986 in Davos 2:4 im Rückstand. Kenta Johansson wendet die Partie mit vier Treffern im Schlussdrittel – zum 4:3 (48:54), zum 4:4 (51:24), zum 5:5 (57:28) und zum 6:5 (59:03) – Lugano gewinnt 7:5 und den ersten Titel des Playoff-Zeitalters.
Eigentlich müsste er doch die Nummer 1 sein. Aber er erreichte seine Fabelwerte in einer Zeit, als die Playoffs bei uns erst laufen lernten. Er verlässt Lugano nach der Finalniederlage von 1989, beendet seine Profi-Karriere und wird dann Trainer in Schweden und für eine Saison (2009/10) erfolglos in Lugano.
Ohne «Wenn und Aber» der beste Playoff-Spieler unserer Geschichte. Keiner hat über einen so langen Zeitraum eine so dominante Rolle gespielt. 2002 gewinnt er seine erste Meisterschaft mit Davos und 2015 den sechsten und letzten Titel. Der Schlusspunkt seiner Karriere ist einem Hollywood-Film würdig: Er erzielt während der Qualifikation 2014/15 in 43 Partien nur ein Tor. In den Playoffs wird er bloss noch viermal eingesetzt. Am 11. April 2015 trifft er im fünften und letzten Finalspiel im Hallenstadion im Schlussdrittel zum erlösenden 1:0 (49:04 Minuten).
Es ist das Tor, das dem HCD den bis heute letzten Titel einbringt, die Partie endet 3:0. Sein letztes Tor in seinem letzten Spiel entscheidet die Meisterschaft – wahrlich, einen besseren Abgang kann es nicht geben. Nach seinem Rücktritt zerbricht seine Freundschaft mit Arno Del Curto, die erfolgreichste Männerfreundschaft unseres Hockeys. Es ist auch der Anfang vom Ende der grandiosen Trainerkarriere von Arno Del Curto. Heute arbeitet Reto von Arx als Juniorentrainer für den Verband.