So einfach ist es also nicht, die ZSC Lions am Telefon zum Titel zu coachen. Am 30. Dezember hat Marc Crawford (63) aus gesundheitlichen Gründen sein Amt als Trainer niedergelegt und seinem Nachfolger Marco Bayer (52) sozusagen eine perfekte «Hockey-Maschine» überlassen: Die ZSC Lions führen zum Zeitpunkt dieser Stabsübergabe die Tabelle an. Sie haben 9 Verlustpunkte Vorsprung auf Lausanne.
Die Mannschaft funktioniert und rockt. Sie hat sogar in der Champions League im Viertelfinal gegen das DEL-Spitzenteam aus Berlin sowohl im Hin- als auch im Rückspiel einen Dreitore-Rückstand in einen Sieg verwandelt. Sie braucht weder ein neues Spielsystem noch eine Auffrischung der Leistungskultur. Was zur saloppen Einschätzung führte, diese ZSC Lions könnten von Marc Crawfords Nachfolger am Telefon zur Titelverteidigung gecoacht werden und den wohl bekanntesten und kompetentesten Trainer-Versteher und -Verteidiger Ruedi Zahner zu einer geharnischten schriftlichen Reaktion (auf LinkedIn) veranlasst hat:
Der Trainer-Mentor schurigelt den Chronisten für den Telefon-Vergleich ganz ordentlich:
Da er der Bruder von ZSC-Manager Peter Zahner ist, kennt er die hohen Anforderungen an Marco Bayer und fügt an:
Item, nach fünf Spielen und vier Niederlagen unter der Führung von Marco Bayer sind die Zürcher auf Rang 4 zurückgefallen. Mit einem Verlustpunkt Rückstand auf Lausanne. Selbst wenn Marco Bayer ein guter Telefonverkäufer wäre: Ganz offensichtlich geht es am Telefon doch nicht.
Der Trainerwechsel ist das populärste, einfachste und wirkungsvollste Instrument zur Krisenbewältigung. Die Meisterschaften von 2016 (SCB), 2018 (ZSC Lions), der Aufstieg von Lausanne (2013) oder der Spengler Cup-Triumph 2024 (Gottéron) sind in erster Linie das Produkt von Trainerentlassungen. In all diesen Fällen ist ein überforderter oder ungeliebter Chef des Amtes enthoben worden. Bei den ZSC Lions hat der Trainerwechsel eine andere, eigentlich gegenteilige Wirkung. Weil ein erfolgreicher, charismatischer und hoch respektierter und beliebter Chef sein Amt aufgibt.
«Wir haben die psychologische Wirkung des Wechsels wohl ein wenig unterschätzt», sagt ZSC-Sportchef Sven Leuenberger. «Bis dieser Wechsel verarbeitet ist, braucht es einfach ein wenig Zeit.» Diese Zeit brauche Marco Bayer. «Ein Wechsel in einer Gruppe hat immer eine Wirkung. Erst recht, wenn, wie nun bei uns, der Chef wechselt.» Die schnelle Wirkung der Erleichterung und Motivation durch die Absetzung eines ungeliebten Chefs gebe es ja bei den ZSC Lions nicht. Der ZSC-Sportchef ist zuversichtlich: «Wir waren bei allen vier Niederlagen auf Augenhöhe mit dem Gegner.» Um die psychologische Verarbeitung des Kommandowechsels ein wenig anders zu erklären: Wenn ein Stein in ein ruhiges Gewässer geworfen wird, dauert es eine Weile, bis sich die Wellen an der Oberfläche wieder geglättet haben.
Die ZSC Lions haben nach dem Wechsel an der Bande ihr schon fast provokatives, unerschütterliches Selbstvertrauen und ihre Lockerheit vorübergehend eingebüsst. Gegen Lausanne (1:2), Langnau (1:0) und Zug (1:2) ist selbst mit drei ausländischen Stürmern und drei offensiven helvetischen WM-Silberhelden nur je ein Tor geglückt. Immerhin ist es mit vereinten Kräften gelungen, in Langnau ein 1:0 über die Zeit zu arbeiten. Marco Bayer ist also nicht in erster Linie als Taktiker und System- und Disziplin-Beibringer gefordert. Sondern als Psychologe. Das ist in der Nachfolge eines so charismatischen Vorgängers wie Marc Crawford eine denkbar schwierige Aufgabe. Sie ist offensichtlich – um auf das eingangs erwähnte Bild einzugehen – am Telefon nicht zu bewältigen. Der Chronist streut Asche auf sein Haupt.
Kein anderer Sportchef der Liga hat eine so reiche über 20-jährige Erfahrung im Amt wie Sven Leuenberger. Er ist für Marco Bayer der denkbar geduldigste und gnädigste Vorgesetzte. Und doch: Geduld mag in der Krise die beste Arznei sein. Aber Geduld ist im schnelllebigen Hockey-Business nicht mit Geduld im richtigen Leben vergleichbar. Für Marco Bayer hat im ersten Job als Trainer in der höchsten Liga der Wettlauf mit der Zeit begonnen. Auf so viel Langmut wie Luca Gianinazzi während Luganos schon seit Monaten andauernden tiefen Krise kann er nicht offen.
Bei den ZSC Lions gibt es keine Trainerentlassung ohne den Segen von Manager Peter Zahner. Sollte es entgegen allen Erwartungen und Hoffnungen halt doch zu einer Entlassung von Marco Bayer kommen (womöglich noch am Telefon …), dann erwartet der Chronist von Ruedi Zahner eine Botschaft an seinen Bruder Peter:
Dazu passt eine wunderbare welsche Formulierung: «On est pas encore au bout des Surprises» (frei übersetzt: «Wir sind noch nicht am Ende aller Überraschungen angelangt.»)
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Falsch, ihr habt euch bei der Einsetzung von Marco Beyer, wie es bereits völllig offensichtlich ist, komplett verschätzt.
«Bis dieser Wechsel verarbeitet ist, braucht es einfach ein wenig Zeit.» Nur habt ihr diese Zeit nicht, sonst ist nicht nur der Traum von CHL Sieg bald ausgeträumt.
«Wir waren bei allen vier Niederlagen auf Augenhöhe mit dem Gegner.» Ich wusste bisher nicht, dass man beim ZSC zufrieden ist, wenn man mit dem Gegner auf Augenhöhe bewegt.