Es ist eine der schönsten Theater-Szenen, die uns das Hockey in den letzten Jahren auf der grossen Bühne der höchsten Schweizer Liga geboten hat.
Dienstag, 30. Januar im Jahre des Herrn 2018. Die zwei Klubs, die den achten und letzten Playoff-Platz unter sich ausmachen werden, vermelden in den Abendstunden fast zeitgleich interessante Neuigkeiten zu ihren Trainern. Langnau verlängert offiziell mit Heinz Ehlers. Servette spricht offiziell Craig Woodcroft das Vertrauen aus und kündigt den Gang vor den Presserat an.
Presserat und Hockey? Ja, so ist es. Der Presserat ist kein Hockey-Gremium. Sondern eine aussergerichtliche Selbstregulierungs-Instanz der helvetischen Medien. Sie untersucht, ob der «Journalisten-Kodex» verletzt worden ist. Sie kann den Medienschaffenden jedoch keine Sanktionen auferlegen und nur Empfehlungen abgeben. Dazu später mehr.
Nicht nur das Restprogramm spricht im Strichkampf für Langnau. Auch der Trainer und die Klugheit des Managements. Die Langnauer melden eine Prolongation um ein Jahr. Tatsächlich ist es eine Verlängerung um ein Jahr plus Option. Beide Seiten können während der ersten Saison eine Option um eine einjährige Verlängerung einlösen.
Es ist also in Tat und Wahrheit eine Verlängerung um zwei Jahre – in Langnau darf eine Vertragsverlängerung mit einem Trainer um zwei Jahre ein Vertrauensausweis von nahezu biblischen Dimensionen gewertet werden. Sportchef Jörg Reber bestätigt den Zusatz «plus Option» und begründet ihn mit Sinn für Selbstironie: «Die Vergangenheit lehrt uns in Langnau, dass wir den Vertrag mit dem Trainer nicht zu lang machen sollten ...».
Wohl wahr: Heinz Ehlers ist der achte Trainer der letzten sieben Jahre. Die Bandengeneräle seit den ersten NLA-Playoffs von 2011: John Fust (gefeuert), Alex Reinhard (gefeuert), Jakob Kölliker (gefeuert), Tomas Tamfal (gefeuert), Bengt-Ake Gustafsson (Vertrag nach Aufstieg nicht verlängert), Benoit Laporte (gefeuert), Scott Beattie (gefeuert) und Heinz Ehlers (Vertrag verlängert).
Servette hat am Dienstagabend kurz vor den Langnauern auch Neuigkeiten über seinen Trainer verbreitet. In einer offiziellen Mitteilung wird erklärt, der Verwaltungsrat stehe geschlossen hinter Trainer Craig Woodcroft.
Der Grund für den Zeitpunkt der Durchhalteparole wird auch gleich genannt: Die Tageszeitung «Le Matin» habe in ihrer Ausgabe vom Dienstag den tüchtigen Trainer unfair kritisiert. Die Kritik lässt sich polemisch so zusammenfassen: Craig Woodcrofts Umgang mit den Spielern und Mitarbeitern entspreche seinem Namen. Woodcroft heisst Holzhacker.
Die Kritik an der Übungsleitung wird nicht nur zurückgewiesen. Es folgt auch gleich eine harsche Medienkritik. Der Trainer habe keine Gelegenheit bekommen, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Man respektiere die Pressefreiheit, werde aber in diesem Falle den Presserat anrufen.
Nun, der Presserat ist eine Selbstregulierungsinstanz der helvetischen Medienwelt. Das 21-köpfige Gremium untersucht, ob in einzelnen Fällen der Journalistenkodex verletzt worden ist. Dieser Kodex umfasst rund 40 vom Presserat erlassenen Richtlinien für fairen Journalismus. Der Presserat kann jedoch den Medienschaffenden keine Sanktionen auferlegen und nur Empfehlungen abgeben.
Wenn einem Trainer das Vertrauen ausgesprochen und zugleich der Presserat angerufen wird, dann folgt bald ein Trainerwechsel.
Craig Woodcroft hat im letzten Frühjahr in Genf für drei Jahre bis 2020 unterschrieben. Wenig riskiert, wer wettet, dass die Mannschaft spätestens nach der olympischen Pause vom aktuellen Assistenten Jason O’Leary (Langenthals Meistertrainer von 2017) übernommen wird. Und voraussichtlich werden die Verwaltungsräte, die jetzt ihren Trainer stützen und die Medien schelten, dann auch nicht mehr alle im Amt sein.
Es sind stürmische Zeiten in Genf. Auf dem Eis geht es um den letzten Playoffplatz. In den Kulissen um die Macht und das wirtschaftliche Überleben. Hockey-Hollywood.
Chris McSorley, der Architekt des modernen Servette, ist im letzten Frühjahr als Trainer abgesetzt worden. Aber der charismatische Kanadier, der von den Medien als «Jesus Chris» gefeiert wird, ist in der Stadt so gut vernetzt und beliebt, dass sich die neuen nordamerikanischen Besitzer seine Entlassung nicht leisten können. Sie haben ihn deshalb als «Frühstücks-Direktor» behalten. Als Sportchef ohne Vollmachten. Craig Woodcroft ist von den Teambesitzern über den Kopf des Sportchefs hinweg als Trainer engagiert worden.
Chris McSorley darf offiziell nicht einmal mit den Chronistinnen und Chronisten sprechen. Ja, er gibt nicht einmal TV-Interviews. Das haben die Besitzer so angeordnet. Dieser Zustand wird sich zwar nach dem Rücktritt von Präsident Hugh Quennec bald ändern. Aber vorerst ist es, wie es ist.
Somit gibt es keine Zitate von Chris McSorley zum grossen Trainer-Theater. Er ist theoretisch der Chef des Trainers und müsste sich zur Sache eigentlich äussern. Was er weisungsgemäss nicht tut. Er wagt es nicht einmal, am Natel mit Chronistinnen und Chronisten zu plaudern. Aus Angst, er werde überwacht.
Aber seit Wochen gelangen präzise Informationen über die Missstände im Inneren von Servette in regelmässigen Abständen in die Medien. Auch in die Redaktionsstuben von «Le Matin». Beispielsweise über nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge oder Stadionmieten.
Diese Enthüllungen haben letztlich zum Rücktritt des Präsidenten geführt. Er war der Erzfeind von Chris McSorley. Kein Schelm, wer eine der Quelle der Indiskretionen auch im Büro des Servette-Sportchefs vermutet.
Und nun sind also die Probleme rund um Trainer Craig Woodcroft publik geworden, die es gemäss offizieller Mitteilung des Verwaltungsrates nicht gibt.
Die Langnauer scharren sich um ihren Trainer und kämpfen vereint um die zweiten NLA-Playoffs seit 2011. Die Genfer taumeln zerstritten mit einem Bandengeneral, dessen Tage im Amt gezählt sind, durch die Schlussphase der Qualifikation und rufen in der Not den Presserat an.
Es wäre logisch, wenn die Langnauer die Playoffs schaffen. Aber was ist im grossen helvetischen Hockey-Theater schon logisch?