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Vergeblich mit dem wilden Bären getanzt – Schweiz verliert gegen Russland klar

Russischer Jubel nach dem 1:0. Goalie Reto Berra ist zurecht sauer. 
Russischer Jubel nach dem 1:0. Goalie Reto Berra ist zurecht sauer. Bild: SERGEI ILNITSKY/EPA/KEYSTONE
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Vergeblich mit dem wilden Bären getanzt – Schweiz verliert gegen Russland klar

Alle Mühe war vergebens: Die Schweizer sind in einem grossen, phasenweise wilden Spektakel gegen Russland chancenlos und verlieren 1:5.
14.05.2016, 17:4714.05.2016, 20:52
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Das erste Drittel ist das beste bei einem Titelturnier seit der Silber-WM 2013. Und doch steht es 0:1. Das zweite Drittel ist das beste bei dieser WM in Moskau. Und doch steht es 0:2. Das dritte Drittel ist das vielleicht spektakulärste Drittel dieser WM (nicht von der Torfolge, aber von der Intensität her). Und doch steht es am Ende 1:5. Auch in dieser Höhe letztlich das richtige Resultat.

Die Partie Russland – Schweiz war teils wild umämpft.
Die Partie Russland – Schweiz war teils wild umämpft.Bild: SERGEI ILNITSKY/EPA/KEYSTONE

Wir sehen daraus: Es war ein grosses, aber ein aussichtsloses Spiel. Die Schweizer waren dazu in der Lage, das Tempo der Russen bis ins Schlussdrittels hinein auszuhalten. Sie waren dazu in der Lage, mit dem wilden Bären zu tanzen – wenn auch letztlich vergeblich. Wenn es denn je einen Beweis dafür gegeben hat, dass unsere NLA eine der besten Tempo- und Laufligen der Welt ist – diese Partie hat diesen Beweis erbracht. Aber anders als 1998 (4:2 in Basel) und 2000 (3:2 in St. Petersburg) hat es diesmal nicht zum Sieg gereicht.

Zu wenig abschlussstark

War die Taktik falsch? Nein. Es war richtig, dass Patrick Fischer unbeeindruckt von den grossen gegnerischen Namen seinem Konzept des mutigen Offensivspiels treu geblieben ist. Wir haben in Moskau ja gar nicht die Spieler, die defensiven «Krieger» für «Football on Ice» wie einst unter Ralph Krueger.

Eine Lauf- und Tempomannschaft wie dieses WM-Team 2016 kann gar nicht anders als vorwärts zu laufen. Als mit dem mächtigen Bären zu tanzen. Auf seinen Füssen herumstehen geht nicht. Es war letztlich unser Glück, dass der Bär in erster Linie tanzte. Die «verspielten» Russen übertrieben nach der sicheren 2:0-Führung mit dem Bestreben nach dem noch schöneren, spektakulärer herausgespielten Tor. Das ersparte uns eine höhere Niederlage.

Jubel bei Torschütze Jewgeni Kusnezow.
Jubel bei Torschütze Jewgeni Kusnezow.
Bild: Pavel Golovkin/AP/KEYSTONE

Es hat am Ende nicht gereicht, den Favoriten ins Wanken zu bringen, weil wir zu wenig abschlussstarke Stürmer haben um auf diesem Niveau Torhüter mit Weltklasseformat zu überwinden. In ein paar Sekunden zeigte sich Glanz und Elend des Schweizer Spiels im Mitteldrittel. Nino Niederreiter wird bei einem rasanten Lauf ins gegnerische Drittel spektakulär «aufgeladen»: die Dynamik unseres besten Stürmers wird durch die ebenso grosse Kunstfertigkeit des gegnerischen Verteidigers neutralisiert.

Gab es Chancen auf einen Punktgewinn? Ja. Im Startdrittel öffnete sich für ganz kurze Zeit das Fenster zu einer Sensation. Die Schweizer gingen mit ihrem Tempospiel den Russen «unter die Haut» wie ein Hornissenschwarm. In dieser Phase waren ein oder gar zwei Treffer möglich, die das Spiel vielleicht (aber nur vielleicht) in eine andere Bahn gelenkt hätten.

Berra hat sich rehabilitiert

Der Treffer von Simon Moser (das 1:4) hätte in dieser Phase fallen müssen – in der zweitletzten Minute war das Tor der Schweizer nur noch Kosmetik. Aber auch das ist typisch für diese Partie: ein Fehlpass in der gegnerischen Zone löste während der besten Phase der Schweizer den Konter aus, der zum 0:1 führte. Der Anfang vom Ende. Von da weg legte sich die Nervosität des Favoriten. Spätestens ab dem 0:2 gab es nie mehr eine realistische Chance auf einen Punktgewinn.

Ein Spieler hat sich rehabilitiert. Torhüter Reto Berra. Im Startspiel gegen Kasachstan war ihm der Jahrzehnt-Lapsus (zum 1:1) unterlaufen, der uns den Sieg und in der Endabrechnung vielleicht die Viertelfinals kostet. Aber entscheidender ist etwas Anderes: Wie steckt man so einen Rückschlag weg? Die Reaktion von Reto Berra ist grandios. Gegen die Russen spielte er in Moskau erstmals auf dem Niveau der Silber-WM von 2013.

Berra spielte gegen Russland stark.
Berra spielte gegen Russland stark.
Bild: GRIGORY DUKOR/REUTERS

Letztlich passt es zu diesem dramatischen Spiel, dass die Entscheidung (das 0:2) ein Treffer war, der zu den spektakulärsten an WM-Turnieren in diesem Jahrhundert zählt. Jewgeni Kusnezow ist schon auf der Höhe der Torlinie und versenkt die zurückprallende Scheibe blitzschnell hoch im Netz. Gänzlich unhaltbar. Reto Berra hat also zwei der ungewöhnlichsten Tore dieses Turniers kassiert.

Nach wie vor ist es so, dass es wohl gegen Schweden (Sonntag 20.15 Uhr) oder Tschechien (am Dienstag) einen Punktgewinn für die Viertelfinals braucht. Dieser Punktgewinn ist möglich – genauso wie es ja vor einem Jahr möglich war, in im drittletzten und im letzten Vorrundenspiel gegen Tschechen und Schweden je einen Punkt zu holen.

Aber die Partien gegen Schweden und Tschechien werden schwieriger. Weil beide Mannschaften eher taktisches, organisiertes und pragmatisches Hockey spielen – also nicht ein so dynamisches, forderndes Vorwärtshockey wie die Russen. Es ist einfacher, mit dem wilden Bären zu tanzen als mit den geduldigen Rechenkünstlern aus Schweden und Tschechien auch taktisch zu knobeln.

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7 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Tikkanen
14.05.2016 17:56registriert November 2014
....sehr gute Leistung von Berra👍 Leider hats nicht gereicht, obwohl die Russen ihren Top Spieler in der Garderobe liessen😳
Vergeblich mit dem wilden Bären getanzt – Schweiz verliert gegen Russland klar
....sehr gute Leistung von Berra👍 Leider hats nicht gereicht, obwohl die Russen ihren Top Spieler in der Garderobe liess ...
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Darkside
14.05.2016 20:18registriert April 2014
Mit Punkten war heute nicht zu rechnen, aber ich finde sie haben sich nicht schlecht verkauft. Gegen die beiden verbliebenen Gegner kann ein Punktgewinn durchaus drinliegen. Und Nino zuzusehen ist einfach eine Freude, ohne ihn sähe es wohl noch ganz anders aus.
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