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Das erste Drittel ist das beste bei einem Titelturnier seit der Silber-WM 2013. Und doch steht es 0:1. Das zweite Drittel ist das beste bei dieser WM in Moskau. Und doch steht es 0:2. Das dritte Drittel ist das vielleicht spektakulärste Drittel dieser WM (nicht von der Torfolge, aber von der Intensität her). Und doch steht es am Ende 1:5. Auch in dieser Höhe letztlich das richtige Resultat.
Wir sehen daraus: Es war ein grosses, aber ein aussichtsloses Spiel. Die Schweizer waren dazu in der Lage, das Tempo der Russen bis ins Schlussdrittels hinein auszuhalten. Sie waren dazu in der Lage, mit dem wilden Bären zu tanzen – wenn auch letztlich vergeblich. Wenn es denn je einen Beweis dafür gegeben hat, dass unsere NLA eine der besten Tempo- und Laufligen der Welt ist – diese Partie hat diesen Beweis erbracht. Aber anders als 1998 (4:2 in Basel) und 2000 (3:2 in St. Petersburg) hat es diesmal nicht zum Sieg gereicht.
War die Taktik falsch? Nein. Es war richtig, dass Patrick Fischer unbeeindruckt von den grossen gegnerischen Namen seinem Konzept des mutigen Offensivspiels treu geblieben ist. Wir haben in Moskau ja gar nicht die Spieler, die defensiven «Krieger» für «Football on Ice» wie einst unter Ralph Krueger.
Eine Lauf- und Tempomannschaft wie dieses WM-Team 2016 kann gar nicht anders als vorwärts zu laufen. Als mit dem mächtigen Bären zu tanzen. Auf seinen Füssen herumstehen geht nicht. Es war letztlich unser Glück, dass der Bär in erster Linie tanzte. Die «verspielten» Russen übertrieben nach der sicheren 2:0-Führung mit dem Bestreben nach dem noch schöneren, spektakulärer herausgespielten Tor. Das ersparte uns eine höhere Niederlage.
Es hat am Ende nicht gereicht, den Favoriten ins Wanken zu bringen, weil wir zu wenig abschlussstarke Stürmer haben um auf diesem Niveau Torhüter mit Weltklasseformat zu überwinden. In ein paar Sekunden zeigte sich Glanz und Elend des Schweizer Spiels im Mitteldrittel. Nino Niederreiter wird bei einem rasanten Lauf ins gegnerische Drittel spektakulär «aufgeladen»: die Dynamik unseres besten Stürmers wird durch die ebenso grosse Kunstfertigkeit des gegnerischen Verteidigers neutralisiert.
Gab es Chancen auf einen Punktgewinn? Ja. Im Startdrittel öffnete sich für ganz kurze Zeit das Fenster zu einer Sensation. Die Schweizer gingen mit ihrem Tempospiel den Russen «unter die Haut» wie ein Hornissenschwarm. In dieser Phase waren ein oder gar zwei Treffer möglich, die das Spiel vielleicht (aber nur vielleicht) in eine andere Bahn gelenkt hätten.
Der Treffer von Simon Moser (das 1:4) hätte in dieser Phase fallen müssen – in der zweitletzten Minute war das Tor der Schweizer nur noch Kosmetik. Aber auch das ist typisch für diese Partie: ein Fehlpass in der gegnerischen Zone löste während der besten Phase der Schweizer den Konter aus, der zum 0:1 führte. Der Anfang vom Ende. Von da weg legte sich die Nervosität des Favoriten. Spätestens ab dem 0:2 gab es nie mehr eine realistische Chance auf einen Punktgewinn.
Ein Spieler hat sich rehabilitiert. Torhüter Reto Berra. Im Startspiel gegen Kasachstan war ihm der Jahrzehnt-Lapsus (zum 1:1) unterlaufen, der uns den Sieg und in der Endabrechnung vielleicht die Viertelfinals kostet. Aber entscheidender ist etwas Anderes: Wie steckt man so einen Rückschlag weg? Die Reaktion von Reto Berra ist grandios. Gegen die Russen spielte er in Moskau erstmals auf dem Niveau der Silber-WM von 2013.
Letztlich passt es zu diesem dramatischen Spiel, dass die Entscheidung (das 0:2) ein Treffer war, der zu den spektakulärsten an WM-Turnieren in diesem Jahrhundert zählt. Jewgeni Kusnezow ist schon auf der Höhe der Torlinie und versenkt die zurückprallende Scheibe blitzschnell hoch im Netz. Gänzlich unhaltbar. Reto Berra hat also zwei der ungewöhnlichsten Tore dieses Turniers kassiert.
Nach wie vor ist es so, dass es wohl gegen Schweden (Sonntag 20.15 Uhr) oder Tschechien (am Dienstag) einen Punktgewinn für die Viertelfinals braucht. Dieser Punktgewinn ist möglich – genauso wie es ja vor einem Jahr möglich war, in im drittletzten und im letzten Vorrundenspiel gegen Tschechen und Schweden je einen Punkt zu holen.
Aber die Partien gegen Schweden und Tschechien werden schwieriger. Weil beide Mannschaften eher taktisches, organisiertes und pragmatisches Hockey spielen – also nicht ein so dynamisches, forderndes Vorwärtshockey wie die Russen. Es ist einfacher, mit dem wilden Bären zu tanzen als mit den geduldigen Rechenkünstlern aus Schweden und Tschechien auch taktisch zu knobeln.