Er ist einer der Hauptdarsteller in einem modernen Hockey-Märchen: Raeto Raffainer spielt beim Aufstieg unserer Nationalmannschaft in höchste Höhen eine zentrale Rolle.
Vor fünf Jahren ist er Sportdirektor des Verbandes geworden. Raeto who? Als Spieler ein fleissiger Mitläufer in der höchsten Liga und zum Zeitpunkt seiner Nomination in der zweithöchsten Liga bei den GCK Lions.
Aber er wächst in seinem Amt. Heute ist er im Fuchsbau des Verbandes der wichtigste Mann für den Sport. Patrick Fischers Erfolg als Nationaltrainer ist eng mit Raeto Raffainer verknüpft. Der Sportdirektor und der Nationaltrainer sind das Yin und Yang rund um die Nationalmannschaft. Yin und Yang stehen für einander entgegengesetzte und dennoch aufeinander bezogene Kräfte. Sportlich auf der gleichen Linie, aber strukturierter, haben sich der charismatische Patrick Fischer (43) und der Pragmatiker Raëto Raffainer (37) perfekt ergänzt. Ein Erfolgs-Duo. Nun verliert Patrick Fischer nach der WM sozusagen sein «zweites Ich».
Der Abgang von Raeto Raffainer hat den Verband etwas mehr als ein Jahr vor der WM im eigenen Land völlig unvorbereitet getroffen. Nach Geschäftsführer Florian Kohler geht nun auch der zweite starke Mann, der hinter dem so erfolgreichen Sportprogramm «Swissness» steht. Und mit dem ehemaligen HCD-Junior verliert der Verband auch seinen international am besten vernetzten Vertreter. Er ist auch sportpolitisch ein herber Verlust.
Was sind die Aufgaben des Sportdirektors? Er muss drei zentrale Anforderungen erfüllen.
Erstens die Führung von Nationaltrainer Patrick Fischer. Das bedeutet: Ihm den Rücken freihalten und mit ihm auf Augenhöhe alle Fragen diskutieren.
Zweitens die Bändigung der Verbandsgeneräle. Um die Bedürfnisse der Nationalmannschaften – Termine, Aufgebote, Finanzen – gegenüber den Klubs durchsetzen zu können, braucht es ein dickes Fell. Nur ein Sportdirektor, der aufrecht stehen bleibt, wenn er im Büro von Peter Zahner oder Marc Lüthi «abgebügelt» wird – und das ist schwieriger, als es sich die meisten vorstellen können – kann ein guter Sportdirektor sein. Der Sportdirektor muss sich gegen Widerstand durchsetzen können und dazu in der Lage sein, «Nein» zu sagen. Fatal wäre ein Opportunist auf dieser Position.
Drittens die Organisation der WM-Expeditionen. Organisationstalent und eine internationales Beziehungsnetz sind dazu unerlässlich.
Raeto Raffainer brauchte zwei Jahre, um all diesen Anforderungen gerecht zu werden. Sein Nachfolger hat diese Zeit nicht. Im Mai 2020 wird die WM in Zürich und Lausanne gespielt. Als WM-Finalist befinden wir uns nicht mehr in einer wilden, bisweilen chaotischen Findungsphase wie damals beim Amtsantritt des bisherigen Sportdirektors.
Wer kann Raeto Raffainer ersetzen? Eine populistische Variante wäre, Mark Streit vom Verwaltungsrat (wo er eigentlich für internationale Beziehungen zuständig sein sollte) zum Sportdirektor zu machen. Das käme im Publikum gut an. Aber ist der Stanley Cup-Sieger die Führungspersönlichkeit, der «harte Hund», den es für diesen aufreibenden Job braucht? Will er sich diesen Job antun? Als junger Familienvater mit mehr als 20 Millionen Franken auf dem Bankkonto?
Die besten Kandidaten finden wir bei den Klubs auf den Posten der Sportchefs: Beispielsweise Biels Martin Steinegger, Zugs Reto Kläy, Ambris Paolo Duca, Langnaus Marco Bayer oder Zürichs Sven Leuenberger. Aber darf der Verband den Klubs wichtige Führungspersönlichkeiten ausspannen? Nein, das geht nicht.
Bei einer «Tour de Horizon» mit einem der mächtigsten Hockey-Bürogeneräle, dessen Name mir soeben entfallen ist, sind noch drei Namen gefallen: Berns strategischer Sportchef Lars Leuenberger, Klotens ehemaliger Sportchef Pascal Müller und der aktuelle U18-Nationaltrainer Thierry Paterlini.
Die Wahl des richtigen Sportchefs ist mindestens so wichtig wie die des richtigen Nationaltrainers. Verbandspräsident Michael Rindlisbacher hat nun die grosse Chance zu beweisen, dass er doch nicht der führungsschwächste Präsident dieses Jahrhunderts ist. Und dass er den Mut hat, nicht einen Opportunisten zu verpflichten.