Trost für Filippo Lombardi– TV-Rekord für Ambri-Drama
Ein Klub der National League ist ein Unternehmen der helvetischen Unterhaltungsindustrie. Was der HC Ambri-Piotta am Mittwoch aufs eindrücklichste bewiesen hat.
Tele Ticino hat die Kult-Medienkonferenz (Sportchef Paolo Duca und Trainer Luca Cereda haben ihren Rücktritt erklärt, Präsident Filippo Lombardi stellte sein Amt zur Verfügung) zwischen 10.00 und 11.00 Uhr direkt übertragen. Dieses Drama hat der 1996 in der heutigen Form konzipierten lokalen TV-Station die höchste Einschaltquote ihrer Geschichte beschert: Einen Marktanteil von 46 Prozent im Tessin und von 6 Prozent in der gesamten Schweiz. Ein nachgerad historischer Rekord, der wohl nur noch bei einer Direktsendung aus dem Vatikan übertroffen werden kann, wenn Filippo Lombardi einen zum Papst gewählten Tessiner umarmt.
Der bisherige Bestwert liegt bei einem Marktanteil von 30,30 Prozent bei einer Direktübertragung des Tessiner Derbys. Tele Ticino (und nicht das öffentlich-rechtliche Fernsehen) hält auch die Live-Rechte für die Meisterschaftsspiele von Ambri und Lugano.
Einzige Kritik in der Sache: Ambris Operetten-Bürogeneral Andreas Fischer hat es versäumt, kurzfristig für diese Medienkonferenz zusätzliche Werbetafeln im Schwenkbereich der Kamera zu verkaufen. Reklame für Beruhigungsmittel, Blutdrucksenker oder aber Energiedrinks hätte prima gepasst.
Die Unterhaltung war ja auch grandios. Endlich, endlich einmal eine echte Medienkonferenz ohne PR-Geschwätz. Drei Männer, die erstens den Mut hatten, den dramatischen Bruch ihrer langjährigen Freundschaft im Rahmen eines gemeinsamen öffentlichen Auftrittes zu bestätigen und sich dann zweitens auch noch gegenseitig ins Wort fielen. Drama pur.
Ambris Medienkonferenz vom Mittwoch mag eine bittere Stunde für den grossen Vorsitzenden gewesen sein: Weil er hinter dem Rücken seines Sportchefs und seines Trainers Christian Dubé kontaktiert hatte (den Verrat hatte watson aufgedeckt und dadurch das ganze Drama ausgelöst) ist es überhaupt zu diesem Eklat gekommen.
Filippo Lombardi ist Gründer und Architekt von Tele Ticino, langjähriger Chef des Senders und heute noch im Verwaltungsrat der Timedia Holding SA, der Besitzerin von Tele Ticino. Mit dem von ihm provozierten Drama hat er also «seinem» TV-Sender einen neuen absoluten Rekord beschert. Sicherlich gut fürs Geschäft und damit letztlich auch für sein persönliches Portemonnaie.
Diese Episode zeigt: Es gibt nach wie vor ein immenses, ungenütztes TV-Potenzial für unsere Hockeyklubs. Warum nicht Medienkonferenzen in Zeiten der Krise live übertragen? Gerade Klubs mit einer grossen Fangemeinde haben ein enormes Potenzial. Die meisten haben ja in ihrem Einzugsgebiet sehr gute lokale TV-Stationen und alles, was ausserhalb des Spielbetriebes veranstaltet wird, ist nicht Teil des Rechte-Vertrages mit «MySports». Die Klubs können ihre Dramen abseits des Eises nach Belieben über ihre lokalen TV-Stationen übertragen und vermarkten.
Das Medientraining sollte endlich in eine andere Richtung gehen. Heute legen die Klubs Wert auf Harmonie. Trainer, Sportchefs und Präsidenten wollen nach aussen keine Konflikte eingestehen. Alle schwadronieren mit Engelszungen und haben sich mehr und mehr das langweilige Geschwätz der Politikerinnen und Politiker angewöhnt: Reden und nichts sagen.
Nun hat Ambri gezeigt, dass echte Konflikte, Emotionen und Dramen das Publikum faszinieren. Wenn schon Medientraining, dann eines, das Ehrlichkeit, Emotionen, offene Herzen, lockere Zungen, echten Zorn, Meinungsverschiedenheit und echten Zoff zelebriert.TeleBärn könnte beispielsweise mit Direktübertragungen von wegweisenden SCB-Verwaltungsratssitzungen in Zeiten der Trainerentlassungen Rekord-Quoten erzielen und Marc Lüthi könnte mit einem authentischen Wutausbruch allen vor Augen führen, dass er doch noch nicht altersmilde geworden ist.
Es ist natürlich möglich, Medienkonferenzen auf der klubeigenen Webseite zu streamen. Aber solche Übertragungen auf dem offiziellen eigenen Kanal haben stets ein wenig den Schwefelgeruch von Langeweile. Echte Unterhaltung ist eigentlich nur mit einer Übertragung möglich, die der Klub nicht kontrollieren oder zensurieren kann: Übertragungen über lokale TV-Stationen.
So oder so ist klar: Ambris Medienkonferenz war die Beste unserer Hockeygeschichte und hat Kultcharakter. Mit ziemlicher Sicherheit die beste Sport-Medienkonferenz seit Giovanni-Trapattoni als Trainer von Bayern München am 18. März 1998 der Kragen platzte.
An diesem Tag hielt Trapattoni eine wütende, aber kultige Medienkonferenz, nachdem seine Mannschaft zuvor schwach gespielt hatte. Sie wurde berühmt durch Zitate wie: «Ich habe fertig!», «Was erlauben Strunz?» oder «Spieler war schwach wie eine Flasche leer!»
Die Direktübertragung von Ambris Medienkonferenz ist allen Klubs der National League in Zeiten von Krisen (und solche Zeiten erleben alle hin und wieder) als Vorbild empfohlen.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
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