Anfang Oktober übernimmt Heinz Ehlers das Traineramt bei den SCL Tigers. Ein Blick auf die Tabellenlage zu diesem Zeitpunkt:
Am Wochenende haben die Klotener mit zwei Niederlagen gegen Langnau (2:3 n.V/3:4 n.P.) die Playoffs 2017 ziemlich sicher verpasst. Die Tabellenlage:
Diese Zahlen dokumentieren eine dramatische Wende. Kloten hat diese Saison sportlich versagt. Die Kritik ist rein sportlicher Natur. Neben dem Eis hat der neue Präsident und Besitzer Hans-Ulrich Lehmann alles richtig gemacht. Er hat die Misswirtschaft von Philippe Gaydoul und seinen kanadischen Nachfolgern beendet und am Ende des Geschäftsjahres wird ein Wunder stehen: Hans-Ulrich Lehmann hat ein Unternehmen übernommen, das zuletzt gut und gerne acht Millionen Verlust eingefahren hat. Nun wird er das erste Geschäftsjahr mit einer schwarzen Null abschliessen. An Klotens Wesen kann die Liga wirtschaftlich genesen.
Aber die Sportabteilung hat weniger gut gearbeitet. Es wäre möglich gewesen, die Krisen in Lugano und Fribourg zur Playoff-Qualifikation zu nützen. Den ersten Fehler haben die Klotener bereits im letzten Frühjahr gemacht. Sie haben auf Heinz Ehlers verzichtet und Pekka Tirkkonen als Trainer verpflichtet.
Für diese Entscheidung gibt es allerdings mildernde Umstände: der Finne war sechsstellig günstiger als Heinz Ehlers. Aber es sollte eine schicksalhafte Entscheidung sein: Ausgerechnet die SCL Tigers haben Heinz Ehlers verpflichtet.
Heinz Ehlers hat kürzlich gesagt: «Es ist erstaunlich, wie weit man in dieser Liga mit einem guten Konzept und taktisch disziplinierten Spielern kommt.» Wir könnten mit Blick auf Lugano und Fribourg-Gottéron auch sagen: Es ist erstaunlich, wie tief man in dieser Liga trotz viel Talent fallen kann.
Taktische Intelligenz kann Talent besiegen. Kloten wird die Playoffs verpassen, weil diese Intelligenz zumindest im Vergleich zu den SCL Tigers fehlte. Denn Kloten hat die viel talentiertere Mannschaft als Langnau. Auch dazu gibt es interessante Zahlen: Die Position der drei punktbesten Spieler beider Teams in der Liga-Skorerliste:
Kloten hat inzwischen fünf WM-Silberhelden: Martin Gerber, Denis Hollenstein, Matthias Bieber, Luca Cunti und Patrick von Gunten. Langnau hat keinen WM-Silberheld, ja nicht einmal einen einzigen Schweizer mit WM-Erfahrung.
Trotzdem ist es den Emmentalern gelungen, im Laufe der Qualifikation einen Rückstand von 13 Punkten auf den EHC Kloten in einen Vorsprung von 4 Punkten zu verwandeln. Wie war das möglich?
Kloten hat auch nach wirtschaftlich turbulenten Zeiten das spielerische, kreative, offensive Hockey eines Spitzenteams in seiner DNA. Diese konstruktive Spielweise, dieses Lauf- und Tempohockey ist das Merkmal der Klotener Hockeykultur seit dem Aufstieg in die NLA im Jahre 1962 und zeigt sich auch im Torverhältnis dieser Qualifikation (127:151). Diese Kultur zu ändern, wäre falsch.
Aber die taktische Disziplin war in dieser Saison ungenügend. Oder um es etwas gnädiger auszudrücken: die Balance zwischen Offensive und Defensive stimmte zu oft nicht – vor allem nach dem Verlust von Leitwolf Tommi Santala, der im Dezember Kloten in Richtung grossrussischer KHL verlassen hat. Ein Abgang, der im Sinne der wirtschaftlichen Vernunft nicht zu vermeiden war. Der sich aber sportlich fatal ausgewirkt hat: der Finne war der physisch stärkste, charismatischste und routinierteste Spieler. Denis Hollenstein ist nicht dazu in der Lage, Tommi Santala als Leitwolf zu ersetzen. Obwohl er das vom Salär her sein müsste.
Heinz Ehlers hat in Langnau aus weniger Talent mehr herausgeholt. Weil Langnau die taktische Demut eines Aussenseiters in seiner DNA hat. Die Mannschaft erreichte in ihrer ganzen Geschichte in der NLA erst einmal die Playoffs (2011). Kloten stand noch 2014 im Playoff-Final. Langnau hatte in seiner ganzen neuen NLA-Geschichte bis heute nur unter Trainer Christian Weber ein offensives Lauf- und Spektakel-Team (von 2006 bis 2009). Es war die kurze, wunderbare Zeit, als Eric Blum, Matthias Bieber und Simon Moser, die späteren WM-Silberhelden, zu NLA-Stars reiften und Daniel Steiner seine besten Jahre hatte.
Die meiste Zeit haben die Langnauer in der NLA aber spielerisch hartes Brot gegessen und konnten sich nur halten, wenn sie aus ihrem bescheidenen Talent ein Maximum herauszuholen vermochten. So wie diese Saison mit der untalentiertesten Mannschaft seit dem Aufstieg von 1998. Die defensive Grundeinstellung, als Resultat einer langjährigen spielerischen Mühsal zeigt sich auch im Torverhältnis dieser Qualifikation (108:128).
Wir können das spielerische Potenzial von Kloten und Langnau blumig mit Filmtiteln charakterisieren. «Brot und Steine» von Mark Rissi mit Liselotte Pulver und Sigfrit Steiner für Langnau. «La dolce Vita» von Federico Fellini mit Marcello Mastroianni und Anita Ekberg für Kloten.
Mit ziemlicher Sicherheit hätte Kloten mit Heinz Ehlers an der Bande die für die Playoff-Qualifikation notwendige Balance zwischen Offensive und Defensive erreicht. Nun mag Kritik an Sportchef Pascal Müller ungerecht sein. Er hat im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten alles richtig gemacht. Und Kritik an Trainer Pekka Tirkkonen wirkt auf den ersten Blick ebenfalls billig. Er wird den Ligaerhalt schaffen. Und er sitzt mit einem Vertrag für die nächste Saison auch aus wirtschaftlichen Gründen sicher im Sattel.
Aber auf den zweiten Blick sehen wir, dass Klotens Trainer in Bedrängnis kommen wird. Wenn seine Mannschaft nächste Saison so spielt wie in der zweiten Hälfte der aktuellen Qualifikation, dann ist die Playout-Teilnahme programmiert.
Die wirtschaftliche Situation erlaubt keinen Zukauf von Talent. Es ist eher fraglich, ob es gelingen wird, die Ausländerpositionen gleich gut zu besetzen und auf der Torhüterposition zeichnet sich eine Schwächung ab: Martin Gerber wird entweder aufhören – und dann kann er nicht gleichwertig ersetzt werden – oder er macht weiter und dann wird er im September 43 und nicht mehr besser. Die Nummer 2 Luca Boltshauser ist noch nicht dazu in der Lage, wie Leonardo Genoni, Tobias Stephan oder Jonas Hiller die meisten Partien zu bestreiten.
Pekka Tirkkonen wird nächste Saison aus seiner Mannschaft viel mehr herausholen müssen. Um es wiederum mit einem Filmtitel zu erklären: Ohne klare Steigerung kann es Kloten nächste Saison ergehen wie im Streifen «Lohn der Angst». Nach überstandener Gefahr wird der Filmheld leichtsinnig, überschätzt seine fahrerischen Fähigkeiten und stürzt mit seinem Lastwagen in den Abgrund.