Im dynamischen Hockeybusiness ist der Arbeitsplatz schneller gewechselt als die Arbeitskleidung. Vor der Partie in Biel gibt Gottérons Teammanager Pierre Reynaud am Dienstag eine offizielle Erklärung ab: «Heute spielt Jakob Lilja erstmals für uns. Mit der Nummer 43. Er wird später die Nummer 29 bekommen. Wir waren leider noch nicht dazu in der Lage, ein Dress mit der 29 bereitzustellen.» Am Vortag hatten die Sportchefs von Gottéron und Ambri einen Spielertausch ausgehandelt: Der Schwede Jakob Lilja wechselt per sofort von Ambri zu Gottéron und der Kanadier Chris DiDomenico von Gottéron zu Ambri.
So schnelle Wechsel sind mit Schweizer Lizenz bis zum 31. Januar und mit ausländischer Lizenz bis zum 15. Februar jederzeit möglich. Schnelle Wechsel – also eine hohe Flexibilität – könnten eigentlich hilfreich sein. Wer nicht mehr in die Garderobe passt, kann ausgetauscht werden. In der NHL sind solche Tauschgeschäfte institutionalisiert und einfach die Verträge getauscht. Bei uns wird in der Regel der Vertrag aufgelöst und die Spieler handeln mit dem neuen Klub einen neuen Vertrag aus. So war es auch bei Chris DiDomenico und Jakob Lilja. Beide haben bei Ambri bzw. Gottéron einen neuen Vertrag bekommen.
Tauschgeschäfte können den Neuaufbau eines Teams erleichtern und zur Ausgeglichenheit einer Liga beitragen. Auf den ersten Blick ist die National League inzwischen zwar so ausgeglichen wie noch nie. Aber auf den zweiten Blick zeigt sich: Die wahre Hierarchie ist nach wie vor zementiert. Die Titel holen seit Einführung der Playoffs die Titanen mit vollen Kassen – auch das meisterliche Kloten mit vier Titeln in Serie in den 1990er Jahren war damals ein Kassen-Titan.
Die Konkurrenz auf dem Spielermarkt ist zwar grösser geworden: Auch die vermeintlich «Kleinen» können bessere Löhne zahlen und verfügen über eine exzellente Infrastruktur. Das Bedürfnis nach Stabilität, nach Wahrung des «oben» und «unten» wird von den Sportchefs inzwischen mit «Rentenverträgen» angestrebt und ist stärker als die Dynamik des freien Marktes. Das Jahressalär eines teuren Schweizers sinkt bei einem Mehrjahresvertrag, die Mühsal von Verhandlungen – also Arbeit – bleibt dem Sportchef und dem Spieleragenten über Jahre erspart und die Agentenprovision wird trotzdem jedes Jahr fällig. Der Trend: Verträge so früh und so lang wie möglich aushandeln und verlängern. Die «Geld-Titanen» sind bei diesem Trend zur Blockierung des Spielermarktes im Vorteil.
Das war früher noch nicht so. 2019 verlängerte der SCB den Vertrag mit Tristan Scherwey vorzeitig um sieben Jahre bis 2027 und sorgte ligaweit für Aufsehen. Heute ist die Reaktion auf «Rentenverträge» lediglich ein: «Na und?» Weil sie zum Liga-Alltag gehören. Beispiele: Lukas Frick verteidigt noch bei Lausanne, hat aber schon vorzeitig in Davos bis 2030 unterschrieben, Dario Simion stürmt nach wie vor für Zug und hat einen Vertrag mit Lugano bis 2031 in der Tasche. Sven Jung prolongierte kürzlich beim HCD bis 2031, Damien Riat mit Lausanne bis 2030 und Sven Andrighetto bei den ZSC Lions bis 2029. Der SCB hat sich die Dienste von Marco Lehmann bis 2029 gesichert. Christoph Bertschy ist 2022 mit einem Siebenjahresvertrag bis 2029 zu Gottéron heimgekehrt und Andrea Glauser kommt im nächsten Sommer ebenfalls mit einem Siebenjahresvertrag bis 20232 heim zu Gottéron. Dean Kukan unterschrieb bei den ZSC Lions bei seiner Rückkehr aus Nordamerika 2022 einen Fünfjahresvertrag und Grégory Hofmann verlängerte nach seinem gescheiterten NHL-Abenteuer (2021/22) mit Zug bis 2028.
Für ZSC-Sportchef Sven Leuenberger, in Bern und Zürich Architekt von fünf Meisterteams ist das Fehlen eines echten Marktes der Grund für die Tendenz zur Bequemlichkeit der längeren Verträge: Gamechanger mit Schweizer Lizenz – also Spieler, die eine Meisterschaft entscheiden können – seien praktisch keine mehr erhältlich und wer einen habe, versuche ihn langfristig zu halten. «Die Schweizer, die jetzt noch auf dem Markt sind, können bei einem Meisterteam höchstens noch die Kadertiefe ausmachen.»
Im Idealfall gelingt es, die wenigen Schweizer Leitwölfe zu halten und bei den «Mitläufern», die für die Kadertiefe sorgen, flexibel zu bleiben. Wirtschaftlich potente Teams – zu denen inzwischen auch Gottéron gehört, das den ersten Titel der Geschichte anstrebt – sichern sich die Dienste der guten Schweizer mit länger laufenden Verträgen, blockieren den Markt und zementieren die Liga-Hierarchie. Teams mit eingeschränkten Budgets ohne realistische Aussicht auf einen Titelgewinn können Schweizer zwar ausbilden und besser machen, aber dann, wenn ihr Potenzial von den Titanen erkannt wird, kaum mit länger laufenden Verträgen halten und bleiben unten. Wo wäre beispielsweise Langnau, wenn es gelungen wäre, Simon Moser, Joël Genazzi, Yannick-Lennart Albrecht oder Andrea Glauser zu halten?
Wer ein Team neu aufzubauen versucht wie beispielsweise Biels Sportchef Martin Steinegger muss kleinere Brötchen backen und Berns Thierry Bader oder Langnaus Dario Rohrbach ködern. Der letzte Transfer, der die wahre Hierarchie der Liga verändert, ja erschüttert hat, war der Wechsel von Leonardo Genoni im Sommer 2019 von Bern nach Zug. Mit einem Fünfjahresvertrag. Der SCB hat sich von diesem Transfer bis heute nicht erholt. Aber es war ein Wechsel von einem Geld-Titan zum anderen und hat die wahre Hierarchie der Liga nicht verändert.
Mehr Tauschgeschäfte und Blitztransfers könnten dem Unterhaltungswert, der Ausgeglichenheit der Liga und Spielerkarrieren nur guttun. Servettes tüchtiger Sportchef Marc Gautschi wäre sicherlich froh, wenn er Alessio Bertaggia (Fünfjahresvertrag bis 2027) gegen einen günstigeren und produktiveren Stürmer irgendwo eintauschen könnte. Tauschgeschäfte haben allerdings auch ein erhebliches Blamage-Risiko. Schon fast ist heute vergessen, dass die grandiosen Karrieren von Romain Loeffel und Damien Brunner erst durch Spielertauschs während der Saison in Fahrt kamen: Zug holte Damien Brunner im Austausch mit Thomas Walser aus Kloten und Servette brachte es fertig, bei Gottéron Jerémiè Kamerzin gegen Romain Loeffel einzutauschen.
Chris DiDomenico hat gleich bei seinem ersten Einsatz mit Ambri einen Assist beigesteuert (2:3 n.V. gegen Zug) und Gottéron mit Jakob Lilja in Biel gewonnen (4:1). Allerdings zeichnet sich ab, dass Gottérons Sportdirektor Gerd Zenhäusern der Verlierer dieses Tauschgeschäftes sein wird: Jakob Lilja konnte bei seinem zweiten Einsatz Gottéron nicht mehr beflügeln und war bei der 2:3-Heimpleite gegen Kloten miserabel (kein Skorerpunkt, Minus-2-Bilanz). Was zum polemischen Gedanken führen kann, ob am Ende bei Gottéron womöglich nicht nur der Trainer und die Ausländer, sondern auch der Sportdirektor das Problem sein könnte.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Der war gut. Mit Zenhäusern wird das nichts mehr. Aber er wird sicher noch ein paar Jahre weiterwursteln können