Eigentlich wäre es einfach – aber die Trainerfrage ist beim SCB kompliziert
Der SCB sucht den Nachfolger von Jussi Tapola. Eigentlich kein Problem. Weil es für jedermann und jedefrau offensichtlich ist, was dem SCB fehlt: Leidenschaft, Mut zur Offensive, Emotionen und Selbstvertrauen. Es «räblet» nicht mehr.
Was sind also die Anforderungen an den neuen Trainer?
- Kenntnis der helvetischen Mentalität.
- Eine Persönlichkeit mit der positiven Ausstrahlung, der Begeisterungsfähigkeit, dem Mut und dem Temperament, eine emotionale, offensive, dynamische Spielphilosophie durchzusetzen und es «räblen» zu lassen.
- Ein Gespür für junge, entwicklungsfähige Spieler.
- Genug Autorität und Charisma, um zumindest kurzfristig die «Graubärte» für sich zu gewinnen und ihnen Beine zu machen.
- Kenntnis der deutschen, französischen und englischen Sprache, Kommunikationstalent.
- Sofortige Verfügbarkeit.
- Erfahrung auch bei helvetischen Grossklubs in der höchsten Liga.
- Vernünftige Salärvorstellungen.
- Kein Beharren auf einen Vertrag über das Ende der laufenden Saison hinaus.
Gibt es diesen Trainer? Ja, natürlich. Der gereifte Feuerkopf Christian Wohlwend (48). Erfolgreicher U 20-Nationaltrainer. Dreieinhalb Jahre beim HCD (den er nach Ära Del Curto wieder in die Spitzengruppe geführt hat), eineinhalb Jahre bei Ajoie und aktuell bei Olten.
Wo ist das Problem? Abgesehen davon, dass Christian Wohlwends emotionale Wirkung ein Ablaufdatum hat (aber es geht ja um eine kurzfristige Lösung bis Ende Saison): Es gibt keines. Er darf, wenn ein Angebot aus der NL kommt, bei Olten gehen. Sein Agent hat bereits ein Interesse bei Martin Plüss angemeldet und der SCB-Obersportchef mag auf Anfrage zu diesem Thema nichts sagen. Schliesst aber immerhin ein mögliches, eventuelles Interesse nicht ganz aus und sagt, nun müsse Diego Piceci (der SCB-Untersportchef) erst einmal alle Offerten sammeln. Das bedeutet in bewährter SCB-Manier ordnen, strukturieren, bereitlegen, analysieren, studieren, prüfen, kontrollieren, zerlegen, entschlüsseln, einsehen, begutachten, durchforschen, zerpflücken, durchforsten, beklopfen, zergliedern und durchgehen.
Denn vieles gilt es zu bedenken. Marc Lüthi mischt sich zwar nicht mehr ein und wird, altersmilde geworden, den Trainer-Vorschlag der Sportabteilung in Gottes Namen halt abnicken. Aber es gilt doch zu ergründen, was wohl Marc Lüthi entscheiden würde, wenn er noch entscheiden würde. Man will ja nicht in die Bredouille geraten. Und sicherheitshalber sollte in der Sache auch noch abgeklärt werden, ob SCB-Präsident Carlo Bommes auch einverstanden ist.
Und was sagen unsere Spieler? Sollten wir nicht noch vorher Simu Moser, Ramon Untersander und Tristan Scherwey konsultieren? Und was denken unsere jungen Spieler? Was meint der Materialwart? Und wie kann die Sache innenpolitisch aufgegleist werden, dass man am Ende für die Entscheidung nicht die Verantwortung tragen muss? Was denken die Sponsoren? Was denkt die Stadtpräsidentin? Sollte vielleicht noch Roman Josi unter Berücksichtigung der Zeitverschiebung drüben in Amerika per Hosentelefon um Rat gefragt werden? Wäre es nicht schlauer, einfach einen grossen, berühmten Namen zu engagieren? Dann könnten wir ja dann sagen, dass der und der von den Referenzen her eine gute Lösung hätte sein müssen und können uns die Hände bei einem Scheitern in Unschuld waschen. Und so weiter und so fort.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
-
Er ist
-
Er kann
-
Erwarte
Im Sport gibt es nie eine Garantie. Auch nicht nach tage- und wochenlangen seriösen Abklärungen. Fehlentscheide gehören zur Natur der Sache und sind kein Problem. Wichtig ist eigentlich nur der Mut zu einer Entscheidung und im Falle eines Falles zur Korrektur.
Christian Wohlwend (48) ist die unkonventionelle, naheliegende, logische und vielversprechendste Lösung. Und das ist das Problem und reduziert seine Chancen: Beim SCB gibt es ein Misstrauen gegen vielversprechende, logische und naheliegende Lösungen. Wohin die hochkomplizierte und verpolitisierte Entscheidungskultur beim SC Bern führt, erleben wir in diesen Tagen: Die weichste Mannschaft der Liga, die mit einem ausländischen Torhüter und drei ausländischen Verteidigern in einem absurden Defensivsystem gefangen ist. Und die Verantwortlichen wundern sich, warum bisher in 9 Spielen erst 13 Tore erzielt worden sind.
Das ganze Programm von TV24, 3+ und oneplus findest du hier.
Was die Entscheidungsfindung beim SCB kompliziert: Untersportchef Diego Piceci ruft nun die verschiedenen Kandidaten an, kann aber jeweils bei Fragen mit dem Hinweis, er müsse noch Martin Plüss konsultieren, keine konkreten Offerten machen oder Antworten geben. Immerhin einen Grundsatzentscheid gibt es: Der neue Trainer bekommt nur einen Vertrag bis Ende Saison und neben Christian Wohlwend ist bis jetzt nur Christian Dubé (und Pavel Rosa als Assistent) bereit, diese Bedingung zu akzeptieren. Aber die «Versuchung SCB» ist so gross, dass bald auch andere mit einem Mandat bloss bis Saisonende zufrieden sein werden.
Polemisch auf den Punkt gebracht: Kurzfristig sollte beim SCB wieder etwas mehr Zirkus-Stimmung im grössten Hockey-Tempel des Landes aufkommen. Zuletzt hat ein taktischer Polizist diesen Zirkus auf dem Eis gemanagt. Zumindest für ein paar Monate wäre – wie in einem richtigen Zirkus – ein Clown besser. Und wenn der SCB dann ab nächster Saison einen grossen Bandengeneral finden sollte, kann ja Diego Piceci den Part «gute Laune» im strengen Alltag übernehmen.
Die letzte grosse Trainerentscheidung während einer laufenden Saison musste in Bern nach der viel zu lange hinausgezögerten Entlassung von Johan Lundskog am 5. November 2022 gefällt werden. Marc Lüthi hatte den Schweden eigentlich richtigerweise bereits nach dem Saisonende im Frühjahr entlassen wollen, setzte sich aber gegen die Sportabteilung nicht durch. Auch damals gab es bereits seit Wochen eine naheliegende, einfache und erfolgsversprechende Lösung. Geoff Ward. Der Saumseligkeit in Bern müde, unterschrieb der Kanadier am 6. November 2022 bei Lausanne und gilt heute für viele als bester Coach der Liga.
Als nach bewährter SCB-Manier endlich alles abgeklärt war, wurde am 16. November 2022 der deutsche Nationaltrainer Toni Söderholm verpflichtet. Gleich mit Vertrag bis 2024. Ein Schablonist ohne Charisma. Er musste – wie allseits erwartet – bereits im Frühjahr 2023 gefeuert und teuer abgefunden werden. Nachdem er den SCB nach der Qualifikation auf Rang 8 versenkt und den Viertelfinal gegen Biel verloren hatte. Er passte eigentlich wunderbar zur zerfallenden SCB-Leistungskultur. Er hatte nämlich – kein Witz – allen Ernstes erklärt, ihn interessiere die Tabelle nicht.
Warum um alles in der Welt Toni Söderholm? Er war halt ein Kumpel des damaligen Sportchefs Andrew Ebbett. Ende der boshaften Polemik.
- Lausanne überholt Davos und ist neuer Leader: Kloten verliert im Waadtland knapp
- Gemischte Gefühle bei Vinzenz Rohrer: In Montreal (noch) verschmäht, beim ZSC geliebt
- Rappi fügt Davos erste Niederlage zu – Berner Debakel gegen Gottéron – ZSC siegt wieder
- Der teuerste Deal in der Geschichte der NHL – Kaprizov verlängert bei Minnesota