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Davos ist schon zweimal gegen Unterklassige aus dem Cup geflogen, einmal sogar als Meister. Den SCB hat es diese Saison in der ersten Runde erwischt. Aber diese Niederlagen war einfach zu erklären: Arno Del Curto trat nie mit den besten Spielern an. Und der SCB hatte bereits vor der Schmach beim NLB-Tabellenletzten Ticino Rockets angekündigt, mehr als die halbe Mannschaft zu schonen.
Es hat schon einige NLA-Teams gegen Unterklassige erwischt, aber noch nie ist ein NLA-Titan, der mit allen Tenören angetreten ist, von einem unterklassigen Team so zersaust worden wie gestern der HC Lugano in Langenthal.
Die Eishalle Schoren, dieses charmante, 46-jährige Provisorium am Waldrand, ist nicht ausverkauft (3364 Fans/4500 Plätze). So ruhmreich die Geschichte des SC Langenthal aus sein mag, der diese Saison sein 70-jähriges Jubiläum feiert – einen Sieg gegen den grossen HC Lugano hält niemand für möglich.
Am Anfang bestaunt das Publikum die Spielkunst des grossen Lugano. Alle Stars sind da. Die erste Linie bilden Damien Brunner, Linus Klasen und Dario Bürgler. Diese drei dürften an Salärkosten gut zwei Drittel des gesamten Jahresbudgets der Langenthaler verschlingen. In den Dimensionen ist es ungefähr so wie wenn Bayern München gegen den FC Thun spielt. Die Stimmung ist mau.
Aber der neutrale Beobachter, für den die Namen nur aufs Dress genähte Buchstaben sind, sieht früh das Wetterleuchten einer Sensation am Horizont aufblitzen. Die Tessiner suchen den Erfolg mit rein spielerischen Mitteln, sie personifizieren Überheblichkeit. Sie wollen schon gewinnen, aber ohne Anstrengung.
Auf einmal ein blitzschneller Konter. Langenthals Kultstürmer und Captain Stefan Tschannen fährt alleine auf Torhüter Daniel Manzato los – und scheitert. Ein Aufschrei, gefolgt von Raunen geht durchs Publikum und die Kenner sagen: Es ist nicht möglich, dieses grosse Lugano zu besiegen, wenn solche Geschenke nicht angenommen, solche Chancen nicht genützt werden.
Doch heimlich still und leise wird der Aussenseiter immer selbstsicherer, in der Defensive sattelfester und der himmelhohe Favorit spielt noch immer mit der Arroganz eines Titanen, der sich für unverwundbar hält.
Und dann schlägt es ein. Dreimal in weniger als 10 Minuten. In der 26. Minute fällt das 3:0. Nun gibt es Beifall auf offener Szene, aber noch keinen brausenden Jubel – nach wie vor trauen die Zuschauerinnen und Zuschauer der Sache nicht.
Lugano macht jetzt Druck, läuft in Konter und noch bevor Gregory Hofmann den einzigen Treffer für den NLA-Klub erzielt (36.) vergeben die Langenthaler drei, vier, fünf hochkarätige Chancen um auf 4:0, 5:0, 6:0 oder gar 7:0 davonzuziehen. Es steht nach zwei Dritteln «nur» 3:1 und die Kenner auf der Tribune, die seit Jahren ihre Mannschaft kennen, bleiben skeptisch. 3:1 wird nicht reichen. Es wird sich rächen, dass die Langenthaler so viele Chancen nicht genützt haben.
Tatsächlich wirbelt Lugano im Schlussdrittel. Torhüter Marco Mathis, der Davoser, der über den Umweg der 1. Liga (Aarau) vor fünf Jahren nach Langenthal gekommen ist und diese Saison den Platz als Nummer 1 von Kultgoalie-Marc Eichmann (Rücktritt) übernommen hat, hext mit stoischer Ruhe.
Lugano bringt Tempo ins Spiel, aber zu wenig Intensität. Die Langenthaler biegen sich unter dem Druck, aber sie brechen nicht. Und dann entwischt der Kanadier Brent Kelly und verwertet eiskalt zum 4:1 (56.). Erneut ist der tapfere Daniel Manzato machtlos. Nun rockt der Schoren. Ein Jubelsturm braust durch die Arena, hinaus in die Nacht und durch den nahen Wald bis hinüber nach Thunstetten. Es ist die Erlösung. Erst jetzt ist allen klar: Das ist die Sensation. Wir sind Zeugen einer der grössten Momente der Oberaargauer Sportgeschichte geworden. Es ist auch ein grosser Triumph für den kanadischen Trainer Jason O’Leary (38), der am 10. Oktober 2014 vom Assistenten zum Cheftrainer befördert worden ist. Der charismatische Kommunikator mahnt im Wesen und Wirken an eine jugendliche Version von Chris McSorley.
» Zum Nachlesen: Der Liveticker zur Partie.
In Langenthal haben schon einige Trainer von Titanen mit hochrotem Kopf nach Niederlagen zornig die Arena verlassen. Lausannes John van Boxmeer, den eine Niederlage in Langenthal im Herbst am 23. Oktober 2012 den Job gekostet hatte, tat es wenigstens mit einer Wutrede auf seine Jungs und speziell Torhüter Cristobal Huet.
Luganos Doug Shedden stapfte gestern wort- und grusslos zum Teambus. Er weiss warum. Wenn er sagen würde, was er denkt, dann käme sein Wutausbruch nur einer Amtszeitverkürzung gleich. Der freundliche, sturmerprobte Riese Ryan Gardner (38) stellt sich hingegen den Chronistinnen und Chronisten. Er hat schon so viel erlebt – Meisterschaften in Zürich und Bern und sogar in Lugano (2006) gewonnen, die Champions Hockey League mit den ZSC Lions und er ist auch WM-Silberheld –, dass ihn kaum mehr etwas aus der Ruhe bringt. Zusammenfassend tippt er am Schluss seiner Ausführungen mit dem Finger an den Kopf und sagt: «Alles Kopfsache.»
Na ja, es obliegt eigentlich dem Trainer, dafür zu sorgen, dass es im Kopf seiner Jungs stimmt. Vielleicht werden wir im Rückblick einmal erkennen, dass dieses schmähliche 1:5 für Doug Shedden der Anfang vom Ende seines Lugano-Abenteuers war.