Es ist der grosse Augenblick der «Bandengeneräle». Oder in den berühmten Worten des grossen Winston Churchill: «This was their finest hour». Langnaus Thierry Paterlini und Berns Jussi Tapola sind Strategen der Defensive. Sie haben das Spiel mit der Präzision von Landvermessern organisiert. Keine Zeit und keinen Raum für die Gegenspieler. Schablonen-Hockey, wie es sonst nur in Schweden und Finnland praktiziert wird. Vom SCB aus Angst vor der 5. Niederlage in den letzten 6 Spielen («Hosen voll-Taktik»). Von den Langnauern, weil der Mangel an Talent keine andere Taktik zulässt.
Unentschieden steht es nach 60 Minuten (1:1) und nur noch 3:42 Minuten sind in der Verlängerung zu spielen. Ausgerechnet SCB-Leitwolf Waltteri Merelä muss auf die Strafbank. Nun kann, nun muss die Entscheidung fallen. Also nimmt Thierry Paterlini seine Kunstpause («Time-Out») und scharrt seine Männer um sich. Die richtigen Worte und Anweisungen und vor allem: Die richtigen Männer aufs Eis beordern. Juuso Riikola und Aleksi Saarela stehen bereits nicht mehr zur Verfügung. Sie haben sich im Laufe des Spiels Blessuren zugezogen.
Thierry Paterlini findet die richtigen Worte und schickt die richtigen Männer aufs Eis. Bis unters Tempeldach ist zu spüren: Die Langnauer wollen diesen Sieg unbedingt, unter allen Umständen, definitiv. Dario Rohrbach schlenzt den Puck exakt zum 2:1 ins Netz. Harri Pesonen und Vili Saarijärvi haben vorbereitet. Die Behauptung, Thierry Paterlini sei als Bandengeneral so tüchtig wie Berns berühmter Jussi Tapola, ist durch Tat und Resultat eindrücklich unterlegt. Die SCL Tigers haben auch ihre zweite Verlängerung gewonnen. Der SCB musste diese Saison bisher in 6 Partien in die Überzeit (Verlängerung oder Penalty) und hat alle 6 verloren.
Dieser Siegestreffer ist nicht nur wegen der richtigen Dispositionen des Trainers bemerkenswert. Dario Rohrbach, inzwischen auch schon 26 geworden, hat zum ersten Mal in seiner Karriere in der höchsten Liga in einer Verlängerung getroffen. Der Trainer hat in dieser entscheidenden Szene auf ihn gesetzt. Die Dividende für geduldige Arbeit, für Beharrlichkeit und für Mut.
Dass Dario Rohrbach einmal in der Verlängerung ein Berner Derby entscheiden wird, schien lange Zeit völlig undenkbar. Der Weg an den Ort seiner Bestimmung – Langnau – war weit und fast hätte er in einer Sackgasse geendet. Dieser Weg beginnt auf der Eisbahn in Sursee, führt über Langenthal, Olten, Thun, Basel, die untere (Ticino Rockets) und obere Leventina (Ambri) und Pruntrut (Ajoie) bis er schliesslich in der Saison 2022/23 in Langnau zum ersten Mal in der höchsten Liga einen Stammplatz bekommt.
Sein Talent wird schon früh erkannt: Für Oltens U-15 Team produziert er in 12 Spielen 22 Tore und 37 Punkte (2011/12). Aber eben: Wo Karriere machen? «Ich bin ja nicht in Bern oder Langnau neben der Eisbahn aufgewachsen.» So kommt es, dass Dario Rohrbach, aufgewachsen in Willisau im Luzerner Hinterland, im Alter von 20 Jahren schon Station in Langenthal, Olten, Langnau, Burgdorf, Thun und Basel gemacht hat.
Freimütig bekennt er: «Ich war halt kein einfacher Spieler.» Kein Rock'n'Roller und auch kein schlampiges Genie. Vielmehr ein aufgewecktes, smartes, aber auch sensibles Bürschchen, das sich intensiv mit Hockey auseinandersetzt, Autoritäten herausfordert – und mit dem Trainer halt nicht immer gleicher Meinung ist. Durchaus bewusst hat er bei kleineren Klubs sein Glück versucht. «Da hast Du mehr Eiszeit und mehr Freiheiten.» In Basel findet er in der höchsten Amateurliga doch noch in die Spur. Dort wird er fürs U 20-Nationalteam und damit fürs grosse Hockey entdeckt. Der Nationaltrainer der wichtigsten Junioren-Nationalmannschaft ist Christian Wohlwend und zu seinen Assistenten gehört Thierry Paterlini.
Der Wechsel nach Langnau und zu Thierry Paterlini ist der entscheidende Karriere-Schritt. Er sagt, als junger oder unerfahrener Spieler mache man noch Fehler. Entscheidend sei, trotzdem das Vertrauen des Trainers zu spüren. Er wird vom Chef für die entscheidende Szene im Derby gegen den SCB aufs Eis geschickt. Der ultimative Vertrauensbeweis. Und er trifft zum 2:1. Talente finden, die andere übersehen oder nicht richtig eingeschätzt haben, und Trainer verpflichten, der diese Talente mit Geduld und Beharrlichkeit weiterbringt: Nur so kann eine vermeintlich «kleine» Organisation wie die SCL Tigers in der höchsten Liga (und gegen den SCB) bestehen.
Thierry Paterlini kassiert gegen den SCB also gleich die doppelte Dividende ein: Erstens durch die richtige Personaldisposition beim Time-Out und zweitens durch den Siegestreffer durch einen Spieler, auf dessen Karriere er einen ganz wesentlichen Einfluss hatte und hat. Kommt dazu: Stéphane Charlin hat gegen den SCB erneut auf Weltklasseniveau gehalten und ist mit einer Fangquote von 96,18 Prozent mit Abstand der beste Goalie der Liga. Bereits 92 Prozent gelten als formidabel. Stéphane Charlin ist in Langnau und unter Thierry Paterlini vom vergessenen Talent zum Nationaltorhüter gereift.
Mehr denn je sind die Langnauer auf ihre Eidgenossen angewiesen. Am Donnerstag stehen Thierry Paterlini beim Training nur noch drei ausländische Spieler zur Verfügung: Vili Saarijärvi, Harri Pesonen und Michal Kristof. Im Spiel gegen den SCB sind im letzten Drittel auch noch Juuso Riikola und Topskorer Aleksi Saarela (er hatte das 1:1 erzielt) plus Bastian Guggenheim verletzt worden. Sportchef Pascal Müller sagt, keine Verletzung sei die Folge von unfairen gegnerischen Aktionen. Wie schlimm die Blessuren sind, kann er am Donnerstagmittag noch nicht sagen: «Wir werden wohl erst im Laufe des Freitages Klarheit haben.»
Nur noch mit drei statt sechs Ausländern am Freitag gegen Gottéron und am Samstag gegen Zug? Das wäre selbst für den tüchtigsten Bandengeneral eine fast hoffnungslose Angelegenheit.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Eine Frage: warum lest ihr dann die Artikel von Klaus Zaugg, wenn ihr euch lächerlich über seine Artikel macht?