Es ist eine dieser wunderbaren Geschichten, die sich bald zu einem Mythos (märchenhafte, vage, fabulöse Erzählung) verselbständigen: Reiche Leute aus Amerika kommen, um unseren Klub zu erretten! Die NZZ, in finanziellen Dingen eher noch verlässlicher als die Berichterstattung des l’Osservatore Romano (die Tageszeitung des Vatikans) über den Katholizismus, berichtet von einer kanadischen Investorengruppe um den Investmentbanker Justin Fogarty mit Sitz in Zug und Altdorf. 1,5 Millionen seien zugesagt, 300'000 Franken schon überwiesen. Die Details seien nebulös. Kanadisches Geld für das wichtigste, aber eigentlich permanent unterfinanzierte Unternehmen im kargen Hochland der Leventina. Also keine Subventionen aus Bern. Fast eine Weihnachtsgeschichte.
Drei Besonderheiten führen dazu, dass sich Nordamerikaner hin und wieder dazu verführen lassen, ihr Geld in unserem Hockey zu verlieren. Bereits in Genf, Lausanne und Kloten sind Investoren aus Übersee kläglich gescheitert.
Hockey ist in Kanada «Big Business». Die Toronto Maple Leafs und die Montréal Canadiens haben einen Wert von über zwei Milliarden. Toronto macht pro Saison mehr als 100 und Montréal mehr als 60 Millionen Gewinn. Bei notorischer Erfolgslosigkeit. Toronto holte den letzten Stanley Cup 1967, Montréal 1993.
Eishockey ist in Kanada und – abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen auch in den USA – ein hochrentables Geschäft. Einerseits, weil der mit Abstand höchste Aufwandsposten – die Löhne – gedeckelt ist. Im Rahmen des Gesamtarbeitsvertrages zwischen der Spielergewerkschaft und den Klubbesitzern ist mit dem sogenannten «Salary Cap» festgelegt, dass nur ein bestimmter Prozentsatz der Einnahmen für Löhne ausgegeben werden darf. Andererseits, weil die Einnahmen (Vermarktung, Medienrechte, Stadionbewirtschaftung) unabhängig vom sportlichen Erfolg stabil hoch sind. Und die meisten Stadien sind sowieso immer voll. Sogar mit Juniorenhockey lässt sich viel Geld verdienen: Die Junioren dürfen nicht bezahlt werden, Lohnkosten gibt es nur für die Trainer und die Stadien in der Provinz sind gut gefüllt.
Von aussen gesehen ist die National League für die hockeyblinden Nordamerikaner eine kleine NHL. Moderne, gut gefüllte Stadien, formidables Hockey – immerhin hat die Schweiz zuletzt bei der WM Kanada gebodigt und den Final erreicht! Gute TV-Abdeckung und Löhne, die im Vergleich zu jenen in der NHL (das Durchschnittssalär beträgt dort aktuell 3,4 Millionen Dollar) nachgerade lächerlich sind. Mehr als eine Million verdient nach wie vor kein NL-Spieler, und der Durchschnittslohn liegt bei knapp 250'000 Franken. Da müsste es doch möglich sein, Geld wie Heu zu machen und vielleicht gelingt es ja gar noch, in den helvetischen Immobilienmarkt einzudringen. Heirassa! Kommt dazu, dass gerade die Nordamerikaner im Hockeybusiness sowieso davon ausgehen, dass sie alles besser wissen.
Die helvetische Wirklichkeit ist halt eine ganz andere. Der beste Weg, ein kleines Vermögen zu machen, ist in unserem Hockey noch immer, mit einem grossen Vermögen zu beginnen. Aus einem einfachen Grund: Die Saläre mögen im Vergleich zur NHL ein Trinkgeld sein. Aber sie sind im Verhältnis zu den Einnahmen viel zu hoch. Die juristischen Grundlagen sind andere als in Nordamerika. Die Vertragsfreiheit hat bis heute jeden Versuch, die Löhne nach dem Vorbild der NHL zu reglementieren, zu Makulatur (nutzloses Papier) gemacht.
Auf der Einnahmenseite ist der Schweizer Hockey-Markt zu klein, um mit TV-Rechten richtig Geld zu machen. Die 32 NHL-Teams teilen sich jährliche 5,2 TV-Milliarden. In der National League sind es knapp 30 Millionen für 14 Teams.
In Nordamerika ist immer das Streben nach Gewinn der Grund für den Einstieg ins Hockey-Business. In der National League ist es die emotionale Bindung zum Eishockey oder einer Region. Eine Art Kulturförderung. Mit einer ähnlichen Motivation finanzieren die Reichen in Nordamerika Museen oder unterstützen gemeinnützige Institutionen.
Für Investoren in Schweizer Klubs ist klar: Es gibt kein Geld zu verdienen. Deshalb sollten sie korrekterweise als Geldgeberinnen oder Geldgeber bezeichnet werden. Im besten Fall ist es in der NL möglich, knapp schwarze Zahlen zu schreiben. Aber das Vergnügen, der Unterhaltungswert sind unbezahlbar, die öffentliche Anerkennung und Medienpräsenz (= Eitelkeit) – wenn erwünscht – auch. Das darf dann auch ein wenig Geld kosten.
Der Einstieg in einen NL-Klub ist auch für ausländische Investoren einfach: Die Klubs sind als Aktiengesellschaften konstituiert. Die französische Bezeichnung (Société Anonyme/SA) drückt es treffend aus: Wer Geld investiert, kann ganz legal sogar anonym bleiben. Das Aktionariat (wer mit wieviel Geld beteiligt ist) bleibt geheim. Nun heisst es ja: Wer zahlt, befielt. Aber auch das lässt sich verhindern: Stark vereinfacht gesagt kann ausländischem Einfluss vorgesorgt werden, indem Aktien ohne oder mit eingeschränktem Stimmrecht ausgegeben werden oder vertraglich abgesichert wird, dass es nicht möglich ist, mehr als 50 Prozent der Aktien zu erwerben und die Macht zu übernehmen.
Und so sind wir wieder bei Ambri: Bei Lichte besehen handelt es sich bei Justin Fogarty und seiner Runde – die sich gemäss der verlässlichen NZZ an Ambri beteiligt – nicht um Investoren. Sondern um «Göttis» – und falls es auch Frauen darunter haben sollte, um «Gotten» – die Ambri ein Geschenk machen. Nur wissen sie das noch nicht. Sie müssen es erst noch erfahren, dass ihr Geld verloren ist. Wie ihre Vorgänger in Genf, Lausanne und Kloten.
Aber das Interesse der Nordamerikaner nährt den Mythos Ambri. Es weckt die Leidenschaft und den Willen, unabhängig zu bleiben, «fremde Fötzel» abzuwehren. Es motiviert sicherlich bald einheimische Persönlichkeiten mit abgeschlossener Vermögensbildung, sich an diesem «Freiheitskampf» zu beteiligen und sich noch stärker zu engagieren. Es ist Sauerstoff für Intrigen und Machtkämpfe im Verwaltungsrat und befeuert wundersame Gerüchte («sind es am Ende gar 15 oder 150 Millionen?»).
Kurzum: Beste Werbung für Ambri – und natürlich für den umtriebigen grossen Vorsitzenden Filippo Lombardi. Es ist eigentlich verwunderlich, dass ein so schlauer und so charismatischer Macher wie er erst jetzt Kanadier dazu verführt hat, ihr Geld in der Leventina zu verlieren.