Wenn im November noch nicht klar ist, wer in der nächsten Saison an der Bande stehen wird, werden die meisten Sportchefs nervös. Beim SCB, in Langnau, Lausanne, Kloten und nun auch in Davos sind die Verträge der Cheftrainer bereits vorzeitig für die nächste und teilweise sogar übernächste Saison verlängert worden. Gottéron hat – ein Kuriosum im Welteishockey – bereits einen Trainer für nächste Saison angestellt, der jetzt noch in Schweden bei einem anderen Klub arbeitet. Und es sind die Agenten der Trainer, die dann, wenn die letzten Blätter fallen und die ersten Nebel steigen, überall auf vorzeitige Verlängerung des Arbeitsverhältnisses drängen.
Nur ein Sportchef lässt sich nicht ins Bockshorn jagen. Sven Leuenberger. Bei den ZSC Lions läuft der Kontrakt mit Meistertrainer Marc Crawford (63) aus. Und es kümmert weder den Sportchef noch den Trainer. Es gibt gute Gründe für die entspannte Atmosphäre rund um einen der begehrtesten Trainerjobs in Europa. Einerseits «funktionieren» die ZSC Lions formidabel: Sie haben die Qualifikation und die Meisterschaft gewonnen und dominieren als Titelverteidiger die Liga.
Andererseits kann es sich Crawford nach einer ruhmreichen NHL-Karriere leisten, nach Ablauf des Vertrags in Zürich in Rente zu gehen. Er muss hockeytechnisch weder sich noch der Welt etwas beweisen. Sven Leuenberger sagt: «Als wir Marc wieder verpflichtet haben, hat er uns gesagt, dass es womöglich sein letzter Vertrag sei. Wir respektieren das und haben uns noch nicht darüber unterhalten, ob er weitermachen möchte.»
Zwar lautet das Motto einer umsichtigen Geschäftsführung «Gouverner, c’est prévoir» («Regieren heisst voraussehen»). Trotzdem arbeitet der ZSC-Sportchef nicht an einem «Plan B» für den Fall, dass Crawford nächste Saison nicht mehr an der Bande stehen sollte. Es laufe ja gut: «Mit einer Trainerdiskussion zum jetzigen Zeitpunkt riskieren wir höchstens Unruhe…»
Die Gelassenheit des ZSC-Sportchefs hat noch einen weiteren Grund: Er weiss nach dem krachenden Scheitern teurer und hochgelobter schwedischer Schablonisten (Hans Wallson, Rikard Grönborg), wer nächste Saison an der Bande stehen wird: ein Nordamerikaner. «Das ist nicht ganz richtig», korrigiert Sven Leuenberger. «Einer mit einer nordamerikanischen Hockeyphilosophie.» Das könne theoretisch auch ein Europäer sein.
Aber wohl eher theoretisch. Der ZSC-Sportchef sagt nämlich auch: «Hochkarätige europäische Trainer, die noch keinen Job für nächste Saison haben, gibt es kaum.» Der nordamerikanische Trainermarkt öffne sich erst, wenn bei uns die Saison bereits zu Ende ist. «Es bleibt uns also nach Saisonschluss genug Zeit, im Falle eines Falles einen Trainer zu finden.» Die Logik dieser Aussage: Sollte sich Crawford tatsächlich in Rente begeben, dann wird sein Nachfolger wohl ein in Nordamerika engagierter «Bandengeneral» sein. Namen kommen und gehen, die nordamerikanische Trainerphilosophie bleibt. Wenn der Sportchef weiss, welcher Trainertyp zu seinem Klub passt, dann wird vieles einfacher.
Die ZSC Lions haben mit charismatischen NHL-Bandengenerälen – mit den Stanley Cup-Siegern Bob Hartley und Marc Crawford – nicht nur drei Meisterschaften gewonnen (2012, 2014, 2024). Bei allen Titelgewinnen der ZSC Lions standen gebürtige Nordamerikaner an der Bande (Kent Ruhnke, Larry Huras, Harold Kreis, Bob Hartley, Marc Crawford, Hans Kossmann).
Bob Hartley und Marc Crawford haben zudem besser als alle anderen ZSC-Cheftrainer die ganz besondere Herausforderung in Zürich verstanden und gemeistert, die schon fast einer Quadratur des Kreises gleichkommt: Geduldig junge Talente fördern und trotzdem Titel gewinnen.
Mag sein, dass Goethes Doktor Faust recht hatte, als er sagte, Namen seien nur Schall und Rauch. Aber wenn es darum geht, junge Männer, die gut bezahlt werden, um zu spielen, nicht um zu arbeiten - in einer Stadt mit so viel Versuchungen wie Zürich - gut getimt an die Leistungsgrenze zu pushen, dann hilft halt ein grosser Name.
Dann ist Charisma der Sauerstoff der Führungsarbeit. Nach wie vor hat in unserem Hockey nichts so viel Strahlkraft wie Ruhm und Karriere in der NHL, in der wichtigsten Liga der Welt. In Zürich gilt noch viel mehr als bei allen anderen Klubs: Die Worte des Trainers müssen in der Garderobe und auch sonst Gospel (Evangelium) sein.
Marc Crawford ist nachgerade der Idealtyp eines ZSC-Trainers im 21. Jahrhundert. Bleibt er nicht für nächste Saison, dann ist die Nachfolgeregelung für Sven Leuenberger gar nicht so schwierig: Er hält einfach Ausschau nach dem nächsten Crawford. Also einem charismatischen Nordamerikaner. Es spielt also keine Rolle, ob Marc Crawford ZSC-Trainer bleibt.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
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