Geheimnisse können sie beim FC Wil gut für sich behalten. Vor vier Jahren sass an einer Medienkonferenz im Bergholz-Stadion plötzlich Alex Frei am Tisch und wurde als neuer Trainer des Challenge-League-Klubs vorgestellt. Niemand hatte zuvor etwas munkeln gehört. Diesmal sitzt ein anderer ehemaliger National- und FC-Basel-Spieler an der kurzfristig einberaumten FC-Wil-Medienkonferenz: Michael Lang.
Der 33-Jährige Ostschweizer, der im nationalen und internationalen Fussball grosse Spuren hinterlassen hat, wird Sportchef. Und auch diesmal hat niemand mit dieser Meldung gerechnet. «Nicht einmal meinen besten Kollegen habe ich das erzählt», sagt Jan Breitenmoser, der aktuelle Sportchef, der sein Amt im kommenden Sommer ablegt und an Lang übergeben wird, weil es Zeit für eine neue Herausforderung sei.
Die Spekulationen, die nach der Einladung zum Medientreffen kursierten und bis zur Idee reiften, dass der FC Wil seine Geschicke wieder in die Hände eines Investors legen könnte, sind also schnell aus der Welt geschafft. Lang zum Sportchef zu machen, passe zur langfristigen und regionalen abgestützten Strategie des FC Wil, sagt Präsident Maurice Weber.
Zu dieser regionalen Strategie gehört auch Fabian Schär, der Ur-Wiler, der bei Newcastle verteidigt und dem Verwaltungsrat des FC Wil angehört. Er war es, der im August die Telefonnummer von Aussenverteidiger Lang wählte, weil man den Egnacher im Challenge-League-Klub zum Wunschkandidaten auserkoren hatte.
Damals, während des Telefongesprächs im August, war für Lang noch offen, ob seine aktive Fussballkarriere vielleicht doch noch etwas weiter gehen würde. Nach seinen letzten, schwierigen Monaten beim FC Basel, als er eher als altes Eisen denn als wichtiger Routinier behandelt wurde, stand er im Sommer ohne Verein da, war aber bei anderen Super-League-Klubs im Gespräch. Angebote lehnte Lang ab, wie er sagt. «Ich hätte weitergespielt, wenn etwas richtig Reizvolles gekommen wäre», er denkt dabei auch an ein Ausland-Abenteuer, zum Beispiel. «Durchwürgen» wollte er seine Karriere aber nicht, wie er sagt. Weil ein Fussballer im besten Fall selber wähle, wann er aufhören wolle.
Und so habe das Gespräch mit Schär «einen kurzen Prozess der Entscheidungsfindung» eingeleitet, «ich war begeistert von der Idee, weil es auch zwischenmenschlich stimmte, wie die folgenden Treffen zeigten.» Lang spricht vom gleichen «Wertekompass», dem beliebten Begriff in solchen Situationen. Ihn schien das ruhige Umfeld, nach Jahren in Basel, regelrecht anzuziehen.
Erfahrung aus der Fussballwelt bringt Lang zweifellos mit. Zwar brachte sein Start in den Profifussball eine Enttäuschung, als er 2011 mit dem FC St. Gallen abstieg. Über GC ging es zum FC Basel, wo er in der Champions-League-Saison 2017/18 mit zwei siegbringenden Toren gegen Manchester City und Manchester United Glanzmomente erlebte. Es folgten drei Jahre in der Bundesliga, unter anderem für Mönchengladbach. Für die Schweizer Auswahl lief er 31 Mal auf, vier Mal an den WM 2014 und 2018.
Trotz all dieser Erinnerungen: Erfahrung als Sportchef fehlt ihm. «Wenn es darum gegangen wäre, direkt einzusteigen, hätte ich nicht zugesagt», sagt Lang. Doch wird er bis Ende Juni 2025 an der Seite von Breitenmoser an die Sportchef-Arbeit heranwachsen. «Das war mit ein Grund für meine Zusage», sagt Lang. Er sieht sich hier als Lernender, der aber schon sehr vieles mitbringt: Er kennt die Gesetze des Fussballs im Land. Er weiss, was ein gutes Team ausmacht. Er bringt einen Namen und einen guten Ruf mit, der ihm bei seiner Arbeit helfen wird. Und er «arbeitet sehr analytisch», wie Weber ergänzt. Der Wiler Präsident spricht von einem «Best Case».
Vieles passt für Lang auch menschlich zusammen: Der Egnacher hat seinen Lebensmittelpunkt mit Familie und Kindern ohnehin nach St. Gallen verlegt. Und sowieso wird er sich im Wiler Umfeld schnell heimisch fühlen. Mit Trainer Marco Hämmerli und Assistent Philipp Muntwiler stand Lang beim FC St. Gallen auf dem Feld.
Wohin es Breitenmoser im kommenden Sommer ziehen wird, ist hingegen offen. Wohl aber wird er dem Fussball treu bleiben. Er hatte seine ersten Schritte im FC Wil gemacht, nachdem der Klub 2017 vom türkischen Investor Mehmet Nazif Günal im Stich gelassen worden war. 2019 wurde er Sportkoordinator, 2021 Sportchef.
Mit bescheidenem Challenge-League-Budget half er mit, den FC Wil in der Spur zu halten und 2023 sogar fast in die Super League zu führen. Kwadwo Duah oder Filip Stojilkovic durchliefen den FC Wil unter Breitenmoser. Und oft halfen Leihspieler mit, wie Goalie-Aufsteiger Philipp Köhn oder jene vom FC Zürich wie Fabian Rohner, Bledian Krasniqi oder Silvan Wallner. Diese Spieler zählt Präsident Weber auf, um die Verdienste Breitenmosers zu verdeutlichen.
Zuletzt sei zudem die Zusammenarbeit mit dem FC St.Gallen gut, eng und professionell geworden. (Weber betont: Dass dies nicht schon früher geschah, habe nichts mit Breitenmoser zu tun, sondern mit einem in den Jahren zuvor weniger kooperativen FC St.Gallen.) Genau diese Kooperation werde auch mit dem ehemaligen FC-St.Gallen-Junior Lang weiter gestärkt. «Zürich wurde 2022 mit vielen Spielern Meister, die in Wil gereift waren. Vielleicht können wir dereinst auch dem FC St.Gallen zum Meister verhelfen», sagt Weber.