Für einmal hatten die Unparteiischen am Samstag beim dritten Finalspiel in Lausanne nicht ihren besten Abend. Die beiden Headschiedsrichter und die zwei Linienrichter beachteten einen «eisernen Grundsatz» ihres Gewerbes nicht: Niemals einen Entscheid aufgrund einer Vermutung fällen! Nur pfeifen, was man gesehen hat! In der Juristensprache: in Dubio pro reo (im Zweifel für den Angeklagten).
Die Situation, die in der Schlussphase (4:2-Sieg für Lausanne) zum Eklat geführt hat: ZSC-Spieler Derek Grant befördert den Puck in Baseball-Manier in hohem Bogen ins Publikum. Die Schiedsrichter entscheiden nach eingehender Beratung auf Spielverzögerung. Da Nicolas Baechler bereits auf dem Sündenbänklein sitzt, kommt Lausanne nun zu einem Powerplay mit fünf gegen drei.
Eine Spielverzögerung ist zwingend mit 2 Minuten zu bestrafen. Einen Ermessensspielraum gibt es nicht. Eine Spielverzögerung ist dann gegeben, wenn der Puck von einem Spieler aus der Verteidigungszone direkt ins Publikum befördert wird. Aber wenn der Puck über die Bande in den Bereich der Spielerbank fliegt, gibt es keine Strafe.
Die Frage ist also: Hat Derek Grant den Puck tatsächlich in hohem Bogen direkt ins Publikum spediert oder ist der Puck im Bereich der Spielerbank im Plexiglas hängen geblieben?
Einen TV-Beweis gibt es nicht. Die vier «Zebras» haben es in Echtzeit nicht zweifelsfrei erkannt. Nur Derek Grant wusste, dass der Puck auf der Spielerbank von Lausanne gelandet und seine Strafe deshalb nicht berechtigt war. In einer dramatischen Schlussphase: Die ZSC Lions waren 2:3 im Rückstand, bereits mit einem Spieler in Unterzahl (Nicolas Baechler hatte noch 75 Sekunden abzusitzen), und das Spiel dauerte nur noch 130 Sekunden. An eine Aufholjagd war folglich nicht mehr zu denken.
ZSC-Sportchef Sven Leuenberger hat Verständnis für den Zorn seines Kanadiers und den Unmut von Dean Kukan und Sven Andrighetto in der Schlussphase. «Von oben war klar zu erkennen, dass der Puck auf der Spielerbank von Lausanne und nicht im Publikum gelandet war. Als das Spiel wiederaufgenommen worden ist, wurde der Puck von einem Spieler ins Publikum geworfen …» Wohl als Souvenir an einen wahrlich denkwürdigen Hockey-Abend.
Das war es also: keine Spielverzögerung, und verständlich- und schlauerweise behielten Lausannes Trainer Geoff Ward und seine Männer diese Erkenntnis für sich. Mit Nicolas Baechler und Derek Grant auf der Strafbank kassierten die Zürcher das 2:4. Nur noch Resultatkosmetik.
Tja, es war für einmal nicht der Abend der sonst vorzüglich arbeitenden Schiedsrichter. Wer boshaft ist, sagt zumindest aus Zürcher Sicht: «Zebragate» in Lausanne.
Es gab nämlich noch einen Fehlentscheid: Die Attacke von Andrea Glauser gegen das Knie von Dean Kukan ist nach Video-Konsultation nicht mit fünf, sondern nur mit zwei Minuten bestraft worden. Diese Milde war falsch. Der Einzelrichter hat Glauser nachträglich richtigerweise mit einer Spieldauerdisziplinarstrafe belegt und mit 2500 Franken kräftig gebüsst.
Die boshafte Vermutung (aber eben nur eine Vermutung): Die beiden Headschiedsrichter scheuten die Verantwortung, beim Stande von 1:1 das Spiel mit einem Fünfminuten- und Restausschluss womöglich entscheidend zu beeinflussen. In Lausanne. Sie suchten beim Video-Studium nach entlastenden Bildern pro Glauser und die konnte man mit viel, viel Phantasie schon finden. Es gibt bei solchen Tatsachenentscheiden einen Ermessensspielraum. Und es gibt halt auch einen Heimvorteil.
Item, in den letzten 130 Sekunden sammelte das Trio Derek Grant, Dean Kukan und Sven Andrighetto also im berechtigten Zorn sage und schreibe 62 Strafminuten für unsportliches Verhalten. Während den 52 Qualifikationspartien zwischen September und März hatten sie es gemeinsam bloss auf 54 Strafminuten gebracht.
Aber die Schiedsrichter sind von den ZSC-Granden nie bedroht worden. Auch nicht von Derek Grant. In den Kabinengängen ist es nach der Partie ruhig geblieben. Der Wutausbruch des Kanadiers bleibt also folgenlos: Er kommt mit einer Busse davon. Alle drei zornigen ZSC-Titanen – Grant, Kukan und Andrighetto – sind am Dienstag beim vierten Final in Zürich wieder dabei. Zum Glück: Die Polemik wäre heftig und berechtigt, wenn Schlüsselspieler, die sich über einen Fehlentscheid aufregen, in einem Final gesperrt würden.
Hingegen ist bereits entschieden: Die Unparteiischen Mark Lemlin, Michael Tscherrig, Eric Cattaneo und Dominik Schlegel werden am Dienstag in Zürich nicht mehr eingesetzt. Sie waren in Lausanne wahrhaftig nicht in Bestform.
Hingegen kann Mikko Lehtonen am Dienstag mit einem Einsatz rechnen. Obwohl er in Lausanne auch nicht in Bestform war: Er spielte im Powerplay den Fehlpass auf die Stock-Schaufel von Théo Rochette und ermöglichte ihm das 2:1. Der erste Treffer, den die ZSC Lions diese Saison in Überzahl kassiert haben.
Dieser Fehler des finnischen Weltklassespielers – Weltmeister, Olympiasieger, im WM- und im Olympia-Allstar-Team – hatte matchentscheidenden Charakter. Die Fehler der Schiedsrichter hingegen nicht.
(Ich finde es voll okay, dass Lausanne gewonnen hat, aber diese absurden Erklärungen und Mutmassungen sind einfach peinlich.)
Falls es so war, wünsche ich mir, die Hockeygötter haben das auch gesehen und bestrafen den LHC.
Ich denke auch, den Z muss niemand mehr motivieren in den restlichen Spielen. Das hat der LHC schon gemacht.