Es gibt Qualifikationspartien, die den Trainer den Job kosten, Karrieren knicken oder Karrieren starten, Krisen ankündigen oder Krisen beenden. Und es gibt Spiele, die sind vorbei, bevor sie richtig begonnen haben und ohne Bedeutung für die Historie beider Teams sind. Wie dieses 1:6 der Zuger gegen den SC Bern.
Ein einziges Bild illustriert Zugs zentrales Problem in dieser Saison: Leonardo Genoni sitzt am Mittwochabend auf der Medientribüne, statt das Tor gegen den SCB zu hüten. Für seinen tüchtigen Ersatz Tim Wolf – der einzige Goalie der Liga, der bisher alle Einsätze für sein Team bestritten hat – ist die Partie nach 4:31 Minuten, vier Schüssen, drei Gegentoren und einer Fangquote von 25 Prozent vorzeitig zu Ende. Das Spiel ist nach dem 0:3 aus und verloren.
Junioren-Torhüter Santo Simmchen (19) kommt zu seinem Debüt auf der grossen Bühne, stoppt immerhin 88,46 Prozent der Pucks, bekommt viel tröstlichen Szenenapplaus und wird zum besten Zuger der Partie gewählt. Hätten ihn die Zuger nicht schon viel früher in dieser Saison einsetzen müssen? Möglicherweise. Er ist im Frühjahr nach einer Saison im US-College-Hockey nach Zug zurückgekehrt. Der flinke Riese hat die NHL-Postur, die heute bei Goalies gefragt ist (198 cm/89 kg). Aber da Zug ja kein Farmteam mehr hat, fehlt ihm halt die Erfahrung im Erwachsenenhockey.
Die Zuger warten also auf die Rückkehr von Leonardo Genoni. Eine seriöse Beurteilung der wahren Spielstärke wird erst nach mehreren Partien mit dem Meistergoalie möglich sein. Dann gibt es dann allerdings keine Ausreden mehr. Frage also an Leonardo Genoni: Wann rechnen Sie mit einer Rückkehr? «Ich hoffe, in zwei Wochen.» Nach wie vor könne er noch nicht mit dem Team auf dem Eis trainieren. Sein erster Einsatz in dieser Saison darf also ungefähr am 4. Dezember in Ambri erwartet werden. Aber vielleicht halt auch erst nach der Nationalmannschafts-Pause am 18. Dezember gegen Servette. So oder so: Es bleibt für ihn noch reichlich Zeit, bis zu den Playoffs in Form zu kommen. «Aber es wäre schon gut, wenn ich bald einstempeln könnte …» Wo er recht hat, da hat er recht.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Auch beim SCB ist ein Comeback ein Thema. Trainer Jussi Tapola sagt, er hoffe auf eine Rückkehr von Dominik Kahun in zwei Wochen. Aber von so grosser Bedeutung wie Leonardo Genoni für Zug ist der deutsche Schillerfalter für den SCB natürlich nicht.
Im ersten Drittel fällt Verteidiger Anton Lindholm nach einem Zweikampf an der Bande aus. Er hatte in der 5. Minute zum 3:0 getroffen. Jussi Tapola macht sich Sorgen: «Weitere Abklärungen sind erforderlich. Es kann sein, dass er uns längere Zeit fehlen wird.» Sollte das der Fall sein, wird der SCB wohl nach einem zusätzlichen Ausländer Ausschau halten.
Immerhin kommt ein neuer Spieler mit grossem Namen nach Bern. Rolands Kenins (33), im Playoff-Final bei Lausanne immerhin noch in einer Nebenrolle mit gut 10 Minuten Eiszeit. Aber diese Saison ohne Einsatz in der höchsten Liga, nach Sierre abgeschoben und verletzt. Nun hat Lausanne seinen Vertrag aufgelöst. Der lettische WM-Bronzeheld mit Schweizer Lizenz war einmal bei den ZSC Lions und bei Lausanne eine ganz grosse Nummer, mit maximal 35 Punkten in der Qualifikation (bei Lausanne 2020/21) und kam zwischendurch immerhin auf 43 NHL-Partien und 14 Punkte (2014 bis 2016).
Was noch vor vier Jahren als «Kaisertransfer» gefeiert worden wäre, provoziert jetzt die berechtigte Frage: Was kann Ronalds Kenins dem SCB noch bringen? Jussi Tapola sagt: «Ich erwarte das Gleiche wie von jedem Spieler: dass er sich für die Mannschaft einsetzt. So einfach ist das. Dass er sein Herz und seine Seele für dieses Team gibt.» Also sich generös und leidenschaftlich für den SCB einsetzt. In der Rolle eines rauen Defensivstürmers. Von Toren und Assists ist wohlweislich nicht die Rede. Ein Transfer, um die Kaderbreite etwas zu vergrössern. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Jussi Tapola gibt zu bedenken, dass Alain Graf voraussichtlich wegen einer Berufung ins U20-WM-Team fehlen wird. Immerhin hat Alain Graf diese Saison im Schnitt knapp 10 Minuten Eiszeit bekommen. Also braucht es einen zusätzlichen Stürmer.
Weil Ronalds Kenins keine grosse offensive Nummer mehr ist und seine Zukunft hinter sich hat, bekommt er erst einmal lediglich einen Probevertrag bis zum Beginn der Spengler-Cup-Pause am 23. Dezember. Untersportchef Patrik Bärtschi erklärt: «Er ist am Mittwoch bei uns eingetroffen. Wie gut er in Form ist, werden wir nun sehen. Er ist nach einer Verletzungspause wieder zurück auf dem Eis und wird ab sofort mit uns trainieren.» Von Einsätzen hat er noch nichts gesagt.
Der SCB hat einen «Desperado» geholt, der im Februar 34 wird und um seine wohl letzte Chance im Profihockey kämpft. In seiner besten Zeit war er ein Tristan Scherwey im NHL-Format, ein Powerstürmer, der jedem Gegenspieler unter die Haut ging und für 10 Tore und 30 Punkte gut war. Aber letzte Saison musste er sich in 51 Partien mit einem einzigen Tor und acht Punkten begnügen.
Macht so ein Transfer Sinn? Auf den ersten Blick nicht. Es gäbe sicherlich in der SCB-Organisation dieses oder jene Talent, das eingesetzt werden könnte, um die Lücke zu füllen, die Alain Graf vorübergehend hinterlassen wird. Auf den zweiten Blick ergibt die Verpflichtung von Ronalds Kenins aber schon Sinn: Mit seiner Erfahrung aus 595 NL-Partien (241 Punkte) und einer Rumpelreferenz von immerhin 502 Strafminuten kann er, wenn er denn wieder in Schwung kommen sollte, dem SCB auf den Aussenbahnen mehr Respekt verschaffen und mehr für das Team tun als ein talentierter Nachwuchsstürmer. Die Hoffnung ist berechtigt, dass ihm Jussi Tapola Beine machen wird.
Am Samstag kommt Zug zum «Rückspiel» nach Bern. Mit ziemlicher Sicherheit wird der SCB nicht erneut 6:1 gewinnen, unabhängig davon, wer bei Zug im Tor stehen wird. Aber mit Sicherheit auch nicht 1:6 verlieren.
Da fragt man sich was die so in der Pause gemacht habt. Eigentlich müssten die Batterien voll sein.