Biel ist für ein paar Tage Hockey-Hauptstadt der Schweiz. Die Nationalmannschaft hat in Biel Quartier bezogen, um sich auf die beiden Länderspiele gegen Russland in Fribourg (Freitag, 20.15 Uhr) und in Biel (Samstag, 17.45 Uhr) vorzubereiten. Stell Dir nun vor, es ist der Tag vor einem Länderspiel gegen Russland und niemand interessiert sich für Damien Brunner (31). Schon erstaunlich.
Noch vor zwei Jahren wäre das Medieninteresse so gross gewesen, dass Verbands-Medienfeldweibel Janos Kick den Nachrichten-Zug zu einem sogenannten «Scrum» hätte antreten lassen. Wenn es bei reger Nachfrage nicht mehr möglich ist, Einzelgespräche zu führen, stehen die Chronistinnen und Chronisten in einem Haufen («Scrum») um den Spieler herum.
Das ist wahrlich in diesen Tagen nicht nötig. Kick Janos läuft am Freitagmittag im Kabinengang herum und fragt mal hier und mal dort, wo der Brunner sei. Schliesslich stöbert er ihn auf. Der Gesuchte hat sich im weitverzweigten Fuchsbau der Tissot Arena zurückgezogen, um in aller Ruhe mit Zugs Verteidiger Raphael Diaz zu telefonieren, den er als «Cam» (für Cameron Diaz) im Handy gespeichert hat.
Die Zuger sind bei den zwei Länderspielen gegen Russland noch nicht dabei. Die Finalisten rücken erst am Mittwoch ein und mit den Zugern hat Damien Brunner immer wieder mal was zu besprechen. Er wohnt ja im Sommer im Zugerland (wo er eine Wohnung hat und woher seine Freundin kommt) und absolviert das gesamte Sommertraining unter Aufsicht seines Vaters in Zug. Er präzisiert: «Ja, in Zug, aber nicht mit dem EV Zug.»
Das mediale Desinteresse zeigt uns die Dramatik seiner Karriere – dabei müsste die Offensive, müssten Stürmer wie Damien Brunner im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Fehlende offensive Feuerkraft ist einer der wichtigsten Gründe für das schnelle Verglühen des silbernen WM-Ruhmes von 2013.
Damals in Stockholm war zwar Damien Brunner auch nicht dabei. Er befand sich gerade auf dem Höhepunkt seiner Karriere und stürmte drüben in Amerika für die Detroit Red Wings in der NHL. In den Stanley-Cup Playoffs markierte er in 14 Partien 9 Punkte. Nun ist er mit einer mageren Statistik aus den heimischen Playoffs zur «Nati» eingerückt (2 Spiele/1 Assist).
Aber Berns offensiver WM-Silberheld Simon Moser ist blessiert und Nationaltrainer Patrick Fischer sagt: «Ich werde nur Spieler aufbieten, die fit sind.» Auch die NHL-Stürmer Sven Bärtschi und Sven Andrighetto sind nicht fit und ihre NHL-Arbeitgeber haben die Freigabe noch nicht erteilt. Wer soll dann die Tore schiessen? Denis Malgin ist zwar da und Patrick Fischer rechnet auch mit Jahrhundert-Talent Nico Hischier, der soeben bei der U18-WM in 6 Partien 6 Punkte gebucht hat. Aber eine NHL-Schwalbe und ein Junior machen noch keinen offensiven WM-Sommer.
Die Tore von Damien Brunner werden wichtig sein wie noch nie. Er ist einer der ganz wenigen Schweizer Stürmer, die sich auf allerhöchstem Niveau in der NHL durchgesetzt haben. Wenn auch nur vorübergehend. Kann er diese Tore erzielen?
Seit er im November 2014 aus der NHL zurückgekehrt ist, haben wir nie mehr den wahren Damien Brunner, den Zuger Liga-Topskorer von 2012 gesehen. Und er hat sich für Lugano nicht als «Königstransfer» erwiesen, der die Meisterschaft entscheidet. Luca Fazzini (22) hat ihm inzwischen als «Sniper» den Rang abgelaufen und letzte Saison 21 Mal getroffen, mehr als doppelt so oft wie Damien Brunner.
Aber der ehemalige Klotener Junior hat sein Selbstvertrauen und seine gute Laune bewahrt – die zwei wichtigsten «weichen Erfolgs-Faktoren» eines Topskorers. Er sagt auf die Vorhaltung, er sei nicht Luganos «Königstransfer»: «So? Bin ich das nicht? Seit ich in Lugano bin, sind wir immerhin einmal ins Finale und einmal ins Halbfinale gekommen. Vorher war Lugano nicht so weit gekommen…» Und er ergänzt: «Seit meiner Rückkehr in die Schweiz habe ich nie viel mehr als zehn Partien hintereinander beschwerdefrei spielen können.»
Tatsächlich hat er in der letzten und vorletzten Saison in Lugano mehr als 40 Spiele verpasst. Gerne wären wir noch ein wenig beim Thema Lugano verweilt. Gibt es doch aus dieser Hockey-Welt unter Palmen immer wieder viel Kurzweiliges zu berichten. Aber er mag nicht. Hinterher wird der Chronist von dritter Seite aufgeklärt, warum das so ist.
Luganos umsichtiger, tüchtiger Sportchef Roland Habisreutinger habe seinen Nationalspielern allerstrengstens verboten, in nationalen Diensten mit den Chronistinnen und Chronisten über etwas anderes als die Nationalmannschaft zu plaudern. Wohlwissend, wie schnell sonst wieder irgendwo durch eine Indiskretion eine Polemik aufflackert. Und so gilt für Damien Brunner: Skoren fürs Vaterland und schweigen über Lugano.
Das Thema ist ja sowieso die Nationalmannschaft. Damien Brunner sagt, er sei fit. Er hofft auf WM-Ruhm, der in seiner Karriere nach 29 WM-Einsätzen (23 Punkte) immer noch fehlt. Bei vier WM-Teilnahmen hat es erst einmal fürs Viertelfinale gereicht und noch nie darüber hinaus. Patrick Fischer probiert ihn in einer Linie mit Andres Ambühl und Fabrice Herzog und Damien Brunner sagt, das habe gut funktioniert. Gut möglich, dass die WM auf eine Formel hinausläuft: Sage mir, ob Damien Brunner trifft und ich sage Dir, ob die Schweizer die Viertelfinals erreichen.