Portugal tat sich im gestrigen EM-Achtelfinal gegen Slowenien schwer. Über 100 Minuten lang gelang es keinem der beiden Teams, den gegnerischen Goalie zu überwinden – das Penaltyschiessen rückte näher.
Doch dann kam die 103. Minute, und mit ihr dramatische Szenen: Jota dribbelt in den Strafraum des Aussenseiters, vier bis fünf Verteidiger sind um ihn herum. Und dann passiert es. Sloweniens Verteidiger Vanja Drkušić lässt das linke Bein stehen – Jota nimmt das an, geht zu Boden. Schiedsrichter Orsato entscheidet: Elfmeter für Portugal.
Ronaldo, der sich mit einem Tor an dieser Europameisterschaft 39-jährig zum ältesten Torschützen der EM-Geschichte küren könnte, tritt an, legt sich den Ball zurecht, fast zeremoniell, tritt in seiner obligaten, breitbeinigen Pose an – und scheitert an Sloweniens Jan Oblak. Nachdem er vorher 20 Mal in Folge vom Elfmeterpunkt getroffen hatte, scheitert er ausgerechnet an seiner vermutlich letzten Europameisterschaft.
Der Fehlschuss im schlimmsten Moment nagt am Portugiesen, der in seiner Karriere schon vieles gewonnen hat, darunter auch die Europameisterschaft 2016 in Frankreich. Und so brechen alle Dämme – Ronaldo vergiesst Tränen, die um die Welt gehen, wird von seinen Mitspielern getröstet und macht weiter. Im anschliessenden Penaltyschiessen beweist er Moral, indem er trotz des Fehlschusses kurz zuvor als erster Portugiese erneut antritt, keine Nerven zeigt und dieses Mal souverän versenkt.
Auch dank Ronaldos Penalty-Treffer steht Portugal nun im EM-Viertelfinal gegen Frankreich (Freitag 21 Uhr).
«Zuerst war ich extrem traurig, jetzt bin ich einfach nur glücklich. Das ist Fussball. Das ist, was im Fussball passiert», sagte Ronaldo nach Spielschluss. «Ich habe versucht, das Spiel zu entscheiden, aber ich habe es nicht geschafft, ich habe den Penalty verschossen. Das ist sehr traurig für mich und ist selten passiert. Deshalb musste ich weinen.» Was genau in ihm vorgegangen sei, so Ronaldo, könne er nicht erklären. «Die Leidenschaft ist mit mir durchgegangen.»
Viel Lob hatte Cristiano Ronaldo nach dem Spiel für die beiden Torhüter bereit. Jan Oblak, so der 39-Jährige, habe seinen ersten Penalty stark gehalten, und der portugiesische Goalie Diogo Costa sei der Grund, weshalb das Team überhaupt im Viertelfinal stehe: «Er hat uns gerettet», so Ronaldo.
Einerseits seine fussballerische Genialität, welche er auch gestern wieder aufblitzen liess: Im Stürmer-Greisen-Alter von fast 40 Jahren!
Aus menschlicher Perspektive sein herzliches Lachen, und seine Offenheit, Gefühle zu zeigen.
Andererseits seine unglaubliche Ich-Bezogenheit, sein Dauergemotze und Genörgle, wenn etwas nicht genau so läuft wie er das will...
Den Team-Gedanken spüre ich bei ihm immer erst an zweiter Stelle. Zuerst ist wichtig, dass er das Tor macht - danach dass Portugal gewinnt.