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Schweizer Karl Egloff jagt am Mount Everest einen neuen Rekord

Karl Egloff
Hat ein grosses Ziel: Karl Egloff will den Mount Everest in Rekordzeit besteigen.Bild: zvg

Am Mount Everest jagt dieser Schweizer den Speed-Rekord: «Sauerstoff ist für mich Doping»

An vier der jeweils höchsten Berge der sieben Kontinente hält der Schweiz-Ecuadorianer Karl Egloff bereits die Rekorde für den schnellsten Auf- und Abstieg. Nun will er ihn auch am Mount Everest aufstellen – in weniger als 24 Stunden will er vom Base-Camp zum Gipfel des höchsten Bergs der Welt und wieder zurück.
10.04.2025, 06:1710.04.2025, 06:58
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Eine andersfarbige Jacke müsse er sich noch besorgen, erklärte Karl Egloff zwei Tage vor seinem Abflug am heutigen Donnerstag. Netflix habe darum gebeten, damit er und sein Partner beim Dreh auf dem Berg leichter zu unterscheiden seien, der Ausrüster habe jedoch zwei gleiche Jacken geschickt. Es dürfte wohl die kleinste Herausforderung sein, welche dem 44-jährigen Schweiz-Ecuadorianer in der nächsten Zeit bevorsteht.

Egloff reist nämlich nach Kathmandu, die Hauptstadt Nepals. Sein Ziel: So schnell wie kein Mensch vor ihm auf den Mount Everest zu klettern und wieder herabzusteigen. Und das alles ohne Sauerstoff. Weniger als 24 Stunden will er für die rund 21 Kilometer und sieben Höhenkilometer vom Base-Camp zum Gipfel und zurück benötigen.

Extrembergsteiger Karl Egloff posiert nach einem Mediengespraech ueber sein Rekordversuch am Mount Everest, aufgenommen am Dienstag, 8. April 2025 in Zuerich. Egloff will in weniger als 24 Stunden ohn ...
Karl Egloff zwei Tage vor dem Abflug nach Nepal.Bild: keystone

Der in Quito geborene Sohn einer Ecuadorianerin und eines Bergführers aus dem Toggenburg hält bereits die Rekordzeiten am jeweils höchsten Berg Afrikas (Kilimandscharo, 5895 m. ü. M.), Europas (Elbrus, 5642 m. ü. M.), Nordamerikas (Denali, 6190 m. ü. M.) und Südamerikas (Aconcagua, 6962 m. ü. M.). Irgendwann will er am jeweils höchsten Berg jedes Kontinents – den «Seven Summits» – die Bestzeit halten. Als Nächstes soll es mit dem Mount Everest (8848 m. ü. M.) eben der höchste Berg der Welt sein.

Ein Rennen auf den Gipfel des Everest

Deshalb fliegt er heute Donnerstag von Zürich über Doha nach Kathmandu in Nepal. So schnell wie möglich will er dann in den Himalaya, um in der Stadt ja keinen Virus aufzugabeln. Bis Ende April werde er sich auf dem Mera Peak akklimatisieren. Der Berg ist zwar über zwei Kilometer weniger hoch als der Mount Everest, doch habe es dort deutlich weniger Leute. Auch hier ist die kleinere Ansteckungsgefahr ein Thema, der Mera Peak (6476 m. ü. M.) liegt zudem in etwa auf der Höhe, wo er am später zu erklimmenden Riesen viel Zeit verbringen werde. Anfang Mai reist er dann weiter ins Base-Camp an der Südseite des Everests.

«Ich habe in 16 Jahren Klettern erstmals einen enormen Druck.»
Karl Egloff

36 Leute würden dort auf ihn warten, weshalb es für Egloff, der es sich gewohnt ist, auf dem Berg mit Seilpartner Nicolas Miranda alleine zu sein, eine völlig neue Situation ist. «Ich habe in 16 Jahren Klettern erstmals einen enormen Druck, da eine Riesenproduktion mit dranhängt», gibt Egloff zu. Neben den Kameraleuten ist auch Tyler Andrews mit dabei. Der US-Amerikaner hält ebenfalls viele Speed-Rekorde und wird im Rahmen des Dokumentarfilms Egloffs Kontrahent sein. Ein Rennen am Mount Everest, der Schnellere gewinnt. Es ist ein Novum im Bergsport.

«Zu Beginn war ich sehr skeptisch», erklärt Egloff, «das ist kein Fussball und kein Kampfsport.» Dennoch habe er dann zugesagt, nachdem Netflix seine Forderungen erfüllt hatte. So werden Andrews und er nicht am selben Tag hochgehen, «das wäre zu gefährlich». Stattdessen plane der 34-jährige Andrews, der vom Langstreckenlauf kommt, seine Besteigung eher zu Beginn der Saison, die lediglich etwa vom 15. bis zum 25. Mai gehe, während Egloff am Ende der Saison hochgehen will. Dadurch hofft er auf weniger Verkehr, da die meisten Expeditionen schon wieder heruntersteigen. Der letztmögliche Tag für seine Besteigung ist der 31. Mai.

«Für mich ist Sauerstoff Doping. Deshalb verwende ich den auch im Training nicht.»
Karl Egloff

So jagt Egloff dann also nicht nur den Rekord, über den er sagt: «Es wird eine neue Zeit, die es noch nicht gibt.» Dies liege einerseits daran, dass viele beim Abstieg bisher zusätzlichen Sauerstoff verwendet hätten. Für Egloff kommt das nicht infrage: «Für mich ist Sauerstoff Doping. Deshalb verwende ich den auch im Training nicht.» Begleiter Miranda werde die Sauerstoffflasche lediglich für den Notfall mittragen. Andererseits starteten die Rekordversuche in den letzten 20 Jahren fast alle von der Nordseite. Neue Regeln in China verbieten das Klettern ohne Sauerstoff von der tibetanischen Seite her aber ebenso wie das Filmen.

Als Vorbereitung schlief er im Keller im Höhenzelt

Wenn alles nach Plan läuft und Andrews zuerst starten kann und ihm der Auf- und Abstieg gelingt, weiss Egloff, welche Zeit er unterbieten müsse. Dies könnte zu grösserem Druck führen, meint er. «Ich hatte deshalb viele schlaflose Nächte. Irgendwann habe ich ihn aber einfach vergessen», so Egloff, «ich schaue auf mich und alles andere ist egal.» Die Fairness des Rennens wird auf Egloffs Bitte hin mit Dopingtests vor dem Start und nach der Rückkehr sichergestellt.

Um bei den Bedingungen bei 6000 bis fast 9000 Metern über Meer zu Höchstleistungen fähig zu sein, hat sich Egloff lange vorbereitet. Schon vor drei Jahren begann die Vorbereitung auf den Mount Everest. Obwohl dieser aus technischer Sicht nicht der schwierigste Berg sei, sei es sein bisher grösstes Projekt, der Aufwand riesig. Noch nie hätte er sich so akribisch vorbereitet, erstmals engagierte er gar einen Mentaltrainer. Bis vor Kurzem schlief er mehrmals pro Woche in einem Höhenzelt in seinem Keller, in welchem er verschiedene Höhen simulieren kann. Ausserdem machte er mit einem Sauerstoffmonitor Höhentraining.

Seine lange Vorbereitung hängt auch mit den Erfahrungen am Makalu zusammen. Dass ihm die sogenannte Todeszone, die zwischen 7000 und 8000 Metern Höhe beginnt, so zusetzen werde, hatte er davor nicht gedacht. Schliesslich war er schon häufig auf dem Aconcagua (6962 m. ü. M.) in Argentinien. Probleme mit der Höhe hatte er auf dem höchsten Berg ausserhalb Asiens nie. Beim Abstieg vom 8485 Meter hohen Makalu, der ebenfalls zum Himalaya gehört, halluzinierte er aber, er konnte keine Nahrung mehr zu sich nehmen, sah und sprach mit Leuten, die nicht da waren. «Mir ging es elend.» Zwar überstand er dies aus eigener Kraft, noch einmal soll ihm das aber nicht passieren. Umso wichtiger seien am Mount Everest nun auch Pausen, um Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Bis zur Höhe von 6500 Metern müsse er sich mit genügend Kohlenhydraten und Energie versorgen, danach sei der Körper nicht mehr zur Aufnahme fähig.

Nach bewaffnetem Überfall wollte die Familie weg von Ecuador

Dann war da noch die Geschichte, die zu seinem Wegzug aus Ecuador in die Schweiz führte und den Sport vorübergehend in den Hintergrund rücken liess. Im südamerikanischen Land war Egloff erst als Mountainbiker und dann vor allem als Extrembergsteiger ein Star. Auf der Strasse fragten ihn Fans nach Bildern und Autogrammen, vom Präsidenten bekam er für seine Errungenschaften als Bergsteiger gar einen Orden. Es gab aber auch Überfälle auf offener Strasse, die Räuber wollten Geld und Wertsachen. Seine Frau liess ihn nicht mehr zu Fuss mit den Kindern vors Haus. An Weihnachten 2022 folgte dann ein weiteres einschneidendes Erlebnis. Beim Strandurlaub mit seiner ecuadorianischen Frau und den beiden Kindern wurde er von 20 bis 25 maskierten Männern überfallen. Sie hielten Waffen an seinen Kopf, es fielen Schüsse. Die Familie wurde dabei zwar nicht verletzt, es blieb jedoch ein Trauma – und der Wunsch, Ecuador zu verlassen.

«Mein Sohn sagte mir: ‹Du stellst Weltrekorde auf, aber kannst mich nicht schützen.›»
Karl Egloff

Egloff, seine Frau und die Kinder fühlten sich nicht mehr wohl, trauten sich kaum noch vors Haus, verbarrikadierten sich. Egloff wähnte sich am Beginn einer Depression, der Sport machte ihm keinen Spass mehr, Sponsoren sprangen ab. Besonders setzte ihm zu, als ihm sein Sohn sagte: «Du stellst Weltrekorde auf, aber kannst mich nicht schützen.» Dies habe Unsicherheit und Schuldgefühle in ihm ausgelöst, aber auch Verantwortung. Als die Familie Egloff im Sommer 2023 dann in der Schweiz Ferien machte, wurde klar: Hier will sie bleiben. Die Kinder konnten unbeschwert spielen, waren frei. In jenem Jahr kam auch die Produktionsfirma mit dem Projekt für den Mount Everest auf ihn zu, wodurch der Plan für ihn wieder konkreter wurde, da nun auch die finanzielle Komponente gelöst war.

Also zog er im Juli 2024 in die Heimat seines Vaters, wo er als Bergführer im Glarnerland einen Job fand. Auch seine Frau ist Bergsteigerin. «Sonst würde sie es mit mir wohl kaum aushalten», lacht Egloff. In der Schweiz konnte er den Fokus wieder auf den Sport legen. Hier hatte er als Jugendlicher schon einmal gelebt, spielte Fussball für unter anderem den FC Zürich. Im Auftrag von Klubpräsident Ancillo Canepa soll er auf dem Gipfel des Mount Everest nun einen Wimpel und, wenn möglich, eine kleine Fahne deponieren.

Karl Egloff erhält von FCZ-Präsident Ancillo Canepa einen Wimpel und eine kleine Fahne.Video: YouTube/FC Zürich

Wenn er über sein bevorstehendes Projekt spricht, merkt man Egloff die Vorfreude sofort an. Auch einen Plan hat er sich schon bereitgelegt. «Auf dem Aufstieg kann man schnell sein, aber beim Abstieg kann man zehnmal so viel Zeit gewinnen», sagt er. Für andere unvorstellbar will Egloff bergab auch einen Teil rennen. «Ab Camp 4 nach unten ist es wie eine Autobahn, wo ich die Leute gut überholen kann.» Bis zum Khumbu-Eisbruch, ab dort wolle er nichts mehr riskieren.

Dieser ist eines von drei Dingen, auf die es besonders aufzupassen gelte. Der Gletscher beim Khumbu-Eisbruch ist in ständiger Bewegung, Gletscherspalten können plötzlich entstehen. Diesen Teil direkt oberhalb des Base-Camps will Egloff, der noch nie zuvor auf dem Mount Everest war, deshalb schon vor dem Rekordversuch in- und auswendig lernen. Die zweite Gefahr, die er nennt, ist die Todeszone. Hierfür fühlt sich Egloff aufgrund seines Trainings gut vorbereitet. «Ich wollte das zu Hause üben, damit ich den inneren Schweinehund überwinden musste und jetzt bei allem, was kommt, weiss: Zuhause war es schlimmer.» Als Drittes bliebe noch der Verkehr. Die Bilder von den vielen Menschen am Mount Everest sind bekannt. Beim Auf- oder Abstieg in der Schlange zu stehen, wäre beim Rekordversuch Gift. Deshalb braucht Egloff auch Geduld, um das richtige Zeitfenster abzuwarten.

Der Weg vom Base-Camp zum Gipfel.Video: YouTube/Climbing the Seven Summits

Partner Miranda muss den kühlen Kopf bewahren

Anders als sonst kann er nun aber nicht mehr oder weniger spontan loslaufen, sondern muss dies zwei, drei Tage vorher ankündigen, damit sich die Kameraleute positionieren können. Bis zum Gipfel sollen die 17 Personen und Drohnen die gesamte Strecke einfangen können, auch Egloff und Seilpartner Miranda tragen kleine Kameras mit sich. Miranda ist aber nicht nur deshalb und wegen der Sauerstoffflasche wichtig. Er muss auch einen kühlen Kopf bewahren, weil dies für Egloff in der Adrenalin-geladenen Situation nicht möglich ist. Miranda habe ihn auch schon einmal drängen müssen, in einer gefährlichen Situation abzubrechen, obwohl Egloff dies im ersten Moment nicht akzeptieren wollte.

«Mit 44 Jahren und zwei Kindern würde ich eher mal abbrechen als früher.»
Karl Egloff

Mittlerweile sei aber auch er vorsichtiger. Die Familie habe ihn verändert. «Zwei Monate von ihr weg zu sein, ist mein zweiter Everest», sagt er. Er sei natürlich ein ehrgeiziger Sportler und wolle den Rekord, aber jetzt gebe es wichtigeres. «Ich will nicht mehr zu viel Risiko eingehen, mit 44 Jahren und zwei Kindern würde ich eher mal abbrechen als früher», so Egloff. Die Hauptsache sei für ihn, sicher nach Hause zu kommen. Dennoch sagt er auch: «Jetzt muss ich mich auf mich fokussieren. Im Sommer bin ich wieder zu Hause und kann alles nachholen.»

Dann werde er auch das Erlebte verdauen und das hoffentlich Erreichte geniessen. Auf dem Berg ist dafür keine Zeit. Schliesslich jagt er am Mount Everest den Weltrekord.

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56 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Valtintime Gaming
10.04.2025 06:47registriert April 2024
Bei der geschwindigkeit sieht er ja vielleicht die Müllberge und menschlichen überreste gar nicht. Hoffe er erwischt ein Zeitfenster wo er nicht „anstehen“ muss.
Möchte ja hier nicht die Leistung schmälern aber bei diesem Komerzberg dreht sich bei mir der Magen um. Gibt so viel anspruchsvollere und sinnvollere Sachen im alpinen Sport.
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namib
10.04.2025 07:48registriert März 2018
Er ist nach eigener Aussage risikobewusster, seit er Familie hat. Trotzdem sagt er zu, am Everest ein Rennen zu veranstalten. Weil er nicht im Stau stehen will, wird er nicht den perfekten Tag aussuchen und letztmals in der Todeszone hatte er Halluzinationen. Und dann noch der Druck der Netflix-Produktion im Nacken…die Voraussetzungen könnten besser sein. Das Risiko scheint hier viel höher als bei jeder „normalen“ Expedition.
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Gandalf-der-Blaue
10.04.2025 07:02registriert Januar 2014
Ich empfinde einen enormen Respekt für diese Leute. Dennoch stellt sich mir immer und immer wieder die Frage: Warum? Warum immer noch schneller? Noch extremer? Ist es am Ende nicht doch einfach eine Sache der Hybris?
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