Vor einem Jahr hatte er in Francorchamps ein Rennen gewonnen, das keines war. Wegen sintflutartigen Regenfällen war damals der Spuk nach zwei Runden hinter dem Safety-Car bereits wieder vorbei gewesen und war Verstappen zum Sieger erklärt worden.
Nun war Verstappen wieder der Sieger – einer, der vorerst hinterherfuhr nach der Rückversetzung, die er als einer von sieben Fahrern als Folge von Wechseln von Antriebs-Komponenten am Auto hatte in Kauf nehmen müssen. Doch Verstappen fuhr nicht lange hinterher. Das Handicap des ungewohnten Startplatzes 14 machte er schnell wett. Noch vor dem ersten Viertel der Distanz hatte er bereits die Führung übernommen.
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— Formula 1 (@F1) August 28, 2022
Auf den Sieg ohne sportlichen Wert zwölf Monate zuvor liess Verstappen eine Machtdemonstration folgen, die sich schon im Qualifying angedeutet hatte. Um sechs Zehntel und noch deutlich mehr hatte er am Samstag seine Konkurrenten hinter sich gelassen. Im eigenen Lager hatten sie darüber spekuliert, ob es womöglich trotz ungünstiger Ausgangslage auch zum Sieg im Rennen reichen könnte. Die Gedanken daran verwarfen sie umgehend, Übermut, das wissen sie auch in den Reihen der Roten Bullen, kommt selten gut.
Doch es kam gut – und es überraschte nicht einmal. Verstappen fuhr an diesem Sonntag in einer eigenen Welt. Im Ziel wies er auf den zweitplatzierten Teamkollegen Sergio Perez einen Vorsprung von fast 18 Sekunden auf. Der aus der vom Titelhalter geerbten Pole-Position gestartete Carlos Sainz im Ferrari sah sich schon beinahe 27 Sekunden distanziert.
Verstappen schien zu fliegen in einem Auto, das sich wie auf Schienen lenken liess. Er erledigte seine Arbeit mit einer Leichtigkeit, die nur an den Tag legen kann, der über diese den Besten vorenthaltene Kombination aus höchster Fahrkunst und Selbstvertrauen verfügt. Es war eine Machtdemonstration, die nur einen Schluss zulässt: Der alte wird auch der neue Formel-1-Weltmeister sein. Zu gut ist die Symbiose Verstappen/RB18, als dass sich diese Prognose nicht bewahrheiten würde.
Neben seiner Vorstellung auf dem Circuit de Spa-Francorchamps sprechen auch die Zahlen für Verstappen. Mit seinem neunten Sieg in der laufenden Saison baute er seinen ohnehin schon grossen Vorsprung in der WM-Gesamtwertung weiter aus. Die Differenz zu seinem ersten Verfolger Perez, der auf Kosten von Charles Leclerc auf den zweiten Platz vorstiess, beträgt 93 Punkte, was fast dem Gegenwert von vier Grand-Prix-Siegen entspricht.
Nach dem Auftritt im Land, in dem er vor knapp 25 Jahren auf die Welt gekommen ist, folgt für Verstappen am nächsten Wochenende das eigentliche Heimrennen. In Zandvoort hat er im vergangenen September, bei der Rückkehr der Formel 1 nach 36 Jahren, ebenfalls gewonnen, nach einem der damals unzähligen Duelle mit Lewis Hamilton, die es zurzeit nicht gibt in der Formel 1. Zu viele Schwächen weist das aktuelle Auto des Teams Mercedes aus – und viel zu gut sind derzeit Verstappen und Red Bull.
Valtteri Bottas blieb im einen Auto des Teams Alfa Romeo an seinem 33. Geburtstag im Grand Prix von Belgien glücklos. Der Finne schied schon in der 2. Runde aus. Bottas landete beim Versuch, eine Kollision mit Nicholas Latifi im Williams zu verhindern, im Kiesbett. Der Kanadier war seinerseits vom Weg abgekommen und mit einem Dreher auf die Strecke zurückgekehrt.
Weil auch der Chinese Zhou Guanyu eine Klassierung in den ersten zehn verpasste und nur Vierzehnter wurde, ging der Rennstall mit Basis im Zürcher Oberland zum fünften Mal in Folge leer aus. (nih/sda)