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Coumba Sow verrät: «Meine Technik habe ich von der Strasse»

Switzerland's Coumba Sow, left, and Sweden's Caroline Seger fight for the ball during the Women Euro 2022 group C soccer match between Sweden and Switzerland at Bramall Lane stadium in Sheff ...
Coumba Sow (links) im Duell mit der Schwedin Caroline Seger.Bild: keystone

Natispielerin Coumba Sow verrät: «Alles, was ich technisch kann, habe ich von der Strasse»

Coumba Sow ist die Senkrechtstarterin im Nationalteam. Die Mittelfeldspielerin schaut sich einiges von Vorbild Ronaldinho ab.
15.07.2022, 11:5115.07.2022, 12:36
Raphael Gutzwiller / ch media
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Es ist nur ein kurzer Augenblick. Doch einen Moment ist sich Coumba Sow sicher, dass der Ball den Weg ins Tor findet. Kopfball, 75. Spielminute, sie kommt alleinstehend an den Ball. Doch es soll nicht sein, eine Schwedin kann blocken. Sow wird nicht die Heldin von Sheffield. Statt einer Sensation für die Schweizerinnen gibt es 2:1-Favoritensieg für Schweden.

Am Tag danach ist Coumba Sow locker drauf. Wie eigentlich immer. Nun sitzt sie im Garten des Team-Hotels vor der Journalistenschar und sagt: «Natürlich hat es mich sehr genervt, dass dieser Ball nicht reinging. Wäre er reingegangen, hätte es das Spiel sehr verändert.»

Switzerland's midfielder Coumba Sow talks to the media in the garden of the hotel Oulton Hall during a press conference, at the UEFA Women's Euro England 2022, in Leeds, England, Thursday, J ...
Coumba Sow gibt Journalistinnen und Journalisten Auskunft.Bild: keystone

Nur 82 Sekunden zur EM-Torschützin

Ein mögliches Siegtor gegen Schweden wäre ein weiteres Kapitel der Senkrechtstarterin aus dem Zürcher Kreis 12 gewesen, über die es eine Anekdote gibt, die ihren Aufstieg gut illustriert. Als sich das Nationalteam an der WM 2015 in Vancouver für das Achtelfinal qualifiziert, jubelt Sow mit einem Bier in der Hand auf der Tribüne den Schweizerinnen zu. Dort fasst sie den Entschluss, es selber an ein grosses Turnier schaffen zu wollen.

Nun spielt Sow an ihrer ersten EM und braucht dort nur 82 Sekunden, ehe sie Torschützin wird. Gegen Portugal trifft sie mit einem schönen Schuss aus der zweiten Reihe zur Führung. Wieder hat Sow in einer wichtigen Partie getroffen, wie schon in der EM-Barrage gegen Tschechien und in der WM-Qualifikation in Italien. Diesmal reichte der Treffer der Mittelfeldspielerin aber nicht zum Sieg. Deshalb kann sie ihn zunächst kaum geniessen. «Aber als ich das Tor auf Video nochmals gesehen habe, hat es mich schon gefreut», erzählt sie mit Abstand.

epa10061970 Coumba Sow (L) of Switzerland celebrates after scoring the 1-0 lead during the Group C match of the UEFA Women's EURO 2022 between Portugal and Switzerland in Leigh, Britain, 09 July  ...
Coumba Sow jubelt über ihren Treffer zum 1:0 gegen Portugal.Bild: keystone

«Ich musste mich als Mädchen immer beweisen»

Coumba Sow ist die Senkrechtstarterin der letzten Jahre im Nationalteam, hat sich auch im Klub beim französischen Spitzenteam Paris FC etabliert. Begonnen hat es bei ihr mit dem Fussball etwas anders als bei den anderen Natispielerinnen. Während diese fast alle einst in einem Jungsteam spielten, ist dies bei Sow anders: «Mein Vater wollte nicht, dass ich mit Jungs spiele, deshalb habe ich erst mit 13 beim SV Höngg im Klub angefangen», erzählt sie. Bis dahin kickt sie regelmässig auf der Strasse - mit Jungs. Mit dabei sind unter anderem Steven Zuber, Nzuzi Toko oder die Gebrüder Rodriguez. «Ich musste mich als Mädchen immer beweisen», erzählt sie. Noch heute spielt sie, wenn sie zurück in ihrer Heimat ist, mit einigen der Jungs Fussball.

Diese Zeit kickend auf den Strassen Zürichs hat Sow geprägt. Die 27-Jährige sagt:

«Alles, was ich technisch kann, habe ich von der Strasse.»

Passend dazu ist ihr Vorbild Ronaldinho. «Seine Joga-Bonito-Videos haben mir immer sehr gefallen. Ich wäre gerne von einer Frau Fan gewesen, aber leider gab es keine, die ähnlich aussah oder ähnlich gespielt hat wie ich.»

epa09355461 Ronaldinho of Barcelona in action during the El Clasico Legends match between Real Madrid and Barcelona at Bloomfield stadium in Tel Aviv, Israel, 20 July 2021. EPA/ABIR SULTAN
Sows Vorbild ist Ronaldinho.Bild: keystone

Geht es nach ihr, sollen Kinder dank der EM in England auch weibliche Vorbilder bekommen. «Ich hoffe, dass wir viele Mädchen und Jungs inspirieren können», sagt Sow, die nach Spielen bereits grossen Ansturm wahrnimmt. «Beim letzten Spiel wollten die Fans mein Trikot, meine Hosen, meine Socken - alles. Und ich habe alles gegeben. Am Ende stand ich fast nur in Unterwäsche da.»

«Den Jungs muss man sogar das Kochen beibringen»

Die Cousine des Nationalspielers Djibril Sow nimmt auch kein Blatt vor den Mund, wenn es um Gleichberechtigung geht. Sie ärgert sich darüber, dass Mädchen nicht gleich gefördert werden wie Jungs. Lohnunterschiede seien ihr da noch egal. «Doch im Nachwuchs ist der Unterschied riesig. Den Jungs wird alles abgenommen. Das hat aber auch negative Folgen: Ihnen muss man, wenn sie ausziehen, das Kochen und das Waschen beibringen. Bei uns ist dies durch die Umstände anders, wir sind selbstständiger.»

Zurück zum Sportlichen, wo die Schweiz am Sonntag um 18 Uhr gegen die Titelverteidigerinnen aus den Niederlanden im letzten Gruppenspiel um den Viertelfinaleinzug an dieser Europameisterschaft spielt. Gewinnt die Schweiz, kommt sie weiter. «Wir müssen mutig sein, denn wir wissen, dass auch gegen die Niederlande einiges möglich ist», sagt Coumba Sow. Diesmal soll der Ball im entscheidenden Moment rein für die Strassenfussballerin. (aargauerzeitung.ch)

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5 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Peter Vogel
15.07.2022 12:15registriert Juni 2020
Das spricht nicht wirklich für die Vereine, Trainer oder andere Spielerinnen.
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Fiala ist die grosse Nummer beim knappen Schweizer Sieg gegen Tschechien
Die Schweiz gewinnt auch das dritte Spiel an der diesjährigen WM. Das Team von Trainer Patrick Fischer bezwingt Gastgeber Tschechien 2:1 n.P.

Als die WM 2015 das zuvor letzte Mal in Prag stattfand, kam es im Duell dieser beiden Mannschaften ebenfalls beim Stand von 1:1 zum Penaltyschiessen. Schon damals hatte Kevin Fiala das einzige Schweizer Tor zum 1:0 erzielt. Diesmal behielten allerdings die Eisgenossen die Oberhand. Während Fiala und Philipp Kuraschew reüssierten, musste sich Goalie Leonardo Genoni nur vom Davoser Stürmer Matej Stransky bezwingen lassen.

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