Es ist eigentlich ein gewohnter Anblick vor einem Spiel an einer EM-Endrunde. Aber an diesem Dienstagnachmittag ist der Einmarsch der Schweizer Nationalspielerinnen in die Bramall Lane in Sheffield ein erfreulicher Anblick. Noch bis am Mittag war unklar, ob das Nationalteam nach dem Magen-Darm-Chaos überhaupt an den Spielort reisen kann. Neun Spielerinnen und elf Staffmitglieder sind in den letzten Tagen an einem Virus erkrankt.
Nun aber kommen die Schweizerinnen mit Maske aus dem Tunnel, legen diese weg und betreten den Rasen. Einem Duell mit Schweden heute Mittwoch um 18 Uhr steht damit nichts im Weg.
22 von 23 Spielerinnen haben die Reise nach Sheffield angetreten. Nur Meriame Terchoun hat es noch erwischt und musste genau wie drei Staffmitglieder in Leeds in Isolation ausharren. Doch auch in Sheffield geht es nicht allen so gut, wie der wiedergenesenen Riola Xhemaili, die fast demonstrativ mit einem Spurt den Rasen betritt. Rahel Kiwic, Lara Marti und Julia Stierli können sich nur kurz im Stadion etwas bewegen. Das Spiel gegen Schweden kommt für sie zu früh.
Die Vorbereitung war alles andere als ideal für das Duell mit den Olympiafinalistinnen aus Schweden. «Vor dem Turnier war Schweden zu 90 Prozent Favorit», sagt Nationaltrainer Nils Nielsen. «Durch diese Vorbereitung sind es wohl noch ein paar Prozentpunkte mehr.»
Neben dem Zustand der Spielerinnen gibt es aber auch andere Punkte, die rund um das Nationalteam zu diskutieren geben während dieser EM. Es stellt sich immer mehr auch die Frage nach dem Nationaltrainer. Erstmals seit seinem Amtsantritt 2019 wird der Däne in Frage gestellt. Nielsen gilt als Gegenstück zu seiner Vorgängerin Martina Voss-Tecklenburg, der heutigen deutschen Nationaltrainerin.
Als Nielsen neuer Nationaltrainer wurde, waren viele der Nationalspielerinnen erfreut über den neuen Führungsstil des umgänglichen 50-Jährigen. Voss-Teckelenburg hatte als kontrollierend gegolten, hat die Spielerinnen neben dem Platz fast überwacht und auf dem Platz in ein enges Korsett gezwängt. Nielsen ist das komplette Gegenteil. Er lässt den Spielerinnen grosse Freiheiten, sie sollen auf und neben dem Platz Eigeninitiative und Verantwortung wahrnehmen.
In der Partie gegen Portugal ging dieser Plan aber nicht auf. Als die Portugiesinnen nach der Pause zum 1:2 zurückkamen, versuchte Captain Lia Wälti das Team auf dem Feld in einem Kreis nochmals einzuschwören. Portugal wurde aber noch stärker, kam sieben Minuten danach zum Ausgleich. Nielsen blieb lange untätig, wechselte spät. Vor dem Schweden-Spiel gibt er zu:
Bei den Spielerinnen gilt der Führungsstil Nielsens als beliebt. Ramona Bachmann sagt, sie schätze es, dass Nielsen die Spielerinnen einbeziehe und nach der Meinung frage. «Er arbeitet mit dem Team zusammen und nicht gegen das Team.»
Doch Nielsen und sein Führungsstil haben eine Vorgeschichte. 2017 hat er Dänemark in den EM-Final geführt. Trotzdem musste er danach gehen, weil seine Herangehensweise als zu lasch empfunden wurde. Die Frage ist nun, ob sich im Spiel gegen Schweden etwas verbessert.
Die Vorzeichen für das Duell gegen die Olympiafinalistinnen sind denkbar schlecht. Doch Ramona Bachmann verliert den Optimismus nicht: «Vielleicht haben uns die letzten Tage noch mehr zusammengeschweisst.» Es wäre dem Schweizer Nationalteam gegen den haushohen Favoriten zu wünschen.