Markus Tschopp steht am Spielfeldrand des Stadions Cornaredo. Aufmerksam verfolgt er das Training der Schweizer Nationalmannschaft. Tschopp ist seit 2004 «Leistungsdiagnostiker» im Staff. Oder einfacher: Er überwacht die Körper der Nati-Spieler.
Wer die Trainings der Schweizer verfolgt, wundert sich über die schwarzen Sport-BH der Stars. Was verbirgt sich dahinter? Tschopp nennt sie «Gstältli». Diese zeichnen allerhand Daten auf. Bis zu 60 Parameter pro Spieler. Die Spieler tragen den Sport-BH auch in den Testspielen. Nicht aber an der EM. «Obwohl es die FIFA erlauben würde», sagt Tschopp. Wer körperlich angeschlagen ist, schläft teilweise sogar mit Sport-BH. Damit kann Tschopp sehen, ob sich die Spieler genügend erholen.
Am Rand des Rasens steht ein Computer. Die Daten der Spieler werden live eingespeist. Tschopp steht mit einem iPad in der Hand in der Nähe von Nationaltrainer Vladimir Petkovic. So kann er sofort Einfluss nehmen auf die Trainingsgestaltung, wenn er sieht, dass die Spieler in einen Bereich der Belastung vorstossen, der die Gesundheit beeinträchtigen könnte.
Einer der wichtigsten Parameter ist die Distanz, welche ein Spieler in Hochgeschwindigkeit – also über 19,8 km/h – zurücklegt. Während eines Spiels variiert dieser Wert durchschnittlich zwischen 600 bis 800 Meter pro Spieler. Aussenverteidiger und Flügel kommen bis auf einen Kilometer in 90 Minuten, während sich der Wert bei Innenverteidigern nur zwischen 200 und 400 Metern bewegt.
In einem Training Anfang der Woche absolvierten die Spieler Positionsläufe. Jene Spieler, die dabei innert weniger Zeit 600 Meter in Hochgeschwindigkeit liefen und davor schon das Spiel gegen Belgien bestritten hatten, absolvierten dann im nächsten Training ein Schonprogramm. «Wir wollen die Spieler in den Trainings ans Limit führen – aber keinesfalls darüber hinaus», erklärt Tschopp.
Damit das nicht passiert, kommen auch Werte von innerhalb des Körpers dazu. Zum Beispiel die Zeit, in der ein Spieler über 85 Prozent der maximalen Herzfrequenz trainiert. Schliesslich befragt Tschopp die Spieler auch persönlich. Um zu überprüfen, ob die subjektive Wahrnehmung mit jenen der Daten übereinstimmt. Dieses Feedback lässt er in seine Interpretationen einfliessen. Und übergibt dieses Paket dann Trainer Petkovic. «Allein aufgrund von Daten werden wohl nie Entscheidungen getroffen. Aber sie können helfen.»
Tschopp sagt: «Ganz allgemein werden die Daten im Fussball immer wichtiger. Weil der Fussball sehr komplex ist, geben sie uns die Möglichkeit, auf jeden Spieler individuell einzugehen.» Und damit sinkt die Verletzungsgefahr. In Zukunft wird das Vermessen der Spieler noch ausführlicher. Tschopp sagt: «Derzeit laufen viele Projekte, die zum Ziel haben, die taktischen Fähigkeiten eines Spielers in einem Zahlenwert festhalten zu können.»
Technische Hilfsmittel werden immer wichtiger. Vor der WM 2014 in Brasilien benutzte Deutschland eine eigens entwickelte App. Damit konnten sich die Spieler zum Beispiel bequem am Strand per Handy über die Eigenheiten des nächsten Gegners informieren. Auch das war einer der Gründe für den WM-Titel.
Und die Schweiz? Alle Spieler erhalten per E-Mail Videosequenzen von ihrem direkten Gegenspieler.