Noch vor zehn Tagen verdiente Cohen Bramall seine Brötchen als Fabrikarbeiter für den Autohersteller Bentley. Er stand am Fliessband, baute von morgens bis abends Heizungen in die Luxuskarossen ein und wusste: So einen Bentley werde ich mir wohl nie kaufen können.
Anschliessend ging er wie jeden Dienstagabend ins Training seines Vereins Hednesford Town FC. Nichtsahnend, dass es das letzte Mal sein wird, dass er mit den Kollegen der Hobbytruppe aus der siebten englischen Liga die Kabine teilt. Nichtsahnend, dass am nächsten Tag sein Leben eine 180-Grad-Wendung nehmen wird.
That’s right, it’s official
— Arsenal FC (@Arsenal) 10. Januar 2017
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Mittwoch. Das Handy klingelt. Die Person am anderen Ende der Leitung sagt Cohen, dass Arsenal London ihn zum Probetraining einlade. Und zwar am Donnerstag. Cohen glaubt, veräppelt zu werden. «Ja, ich habe tatsächlich ein Probetraining diese Woche. Aber doch nicht beim Weltklub Arsenal, sondern bei Shrewsbury Town.» Ein Klub aus der dritthöchsten englischen Liga.
Cohen Bramall ist 20. Seit vier Jahren versucht er, Berufsfussballer zu werden. Cohen ist gut, viel zu gut für die siebte Liga, aber eine Ausbildung in einer der vielen Nachwuchsakademien kann er nicht vorweisen. Heutzutage ein Killerargument für eine Profikarriere. Doch Cohen gibt nicht auf. Er verbraucht im vergangenen Jahr fast alle Ferientage für Probetrainings bei kleineren Profiklubs. Unter anderem bestreitet er ein Testspiel mit Sheffield Wednesday, vermag dort die Verantwortlichen aber nicht zu überzeugen.
Was Cohen nicht weiss: Bei diesem Spiel steht ein Scout von Arsenal London am Seitenrand und findet Gefallen am laufstarken Linksverteidiger mit Offensivdrang und den scharfen, präzisen Flanken. Der Scout berichtet Arsène Wenger, der Trainerlegende von Arsenal, von seiner Entdeckung. Dieser will sich persönlich ein Bild von Cohen machen.
Am Donnerstag vergangener Woche reist Cohen nach London. Erst als er mit den Weltstars Özil, Cech und Giroud auf dem Platz steht, glaubt er nicht mehr an einen Witz. Zwei Tage darf er mittrainieren, dann hat Wenger genug gesehen. Genug, um überzeugt zu sein von Cohen und später zu sagen: «Dieser Junge hat zwar keine Erfahrung auf höchstem Niveau, aber sonst hat er alle Zutaten, die es braucht, um bei Arsenal zu spielen.»
Wenger imponiert nebst den fussballerischen Fähigkeiten auch Cohens Einstellung: «Er wusste, dass er zu gut ist für die siebte Liga. Aber er hat sich nichts anmerken lassen und alles gegeben. Solche Spieler spielen, weil sie den Fussball wirklich lieben.»
Wenger bietet Cohen sofort einen Vertrag an. Was dieser so kommentiert: «Mein Kinn fiel runter, ich starrte meine Begleiter an, es war einfach nur emotional. Innerlich dachte ich: Yes!» Als er am Telefon seiner Schwester und seiner Mutter die Neuigkeiten erzählt, bekommen beide einen Weinkrampf. Vorgestern kam es zur Vertragsunterzeichnung, im Beisein von Arsène Wenger und zelebriert von Arsenals Klub-TV. «Ich kann es nicht fassen, hier und heute dieses Papier zu unterschreiben», sagt Cohen.
Die Geschichte erinnert an jene von Jamie Vardy. Auch der Stürmer des englischen Sensationsmeisters Leicester City wurde in seiner Jugend unterschätzt, arbeitete lange in einer Fabrik und erhielt erst mit 25 Jahren seinen ersten Profivertrag. Heute ist er in der Premier League etabliert, trifft auch in der Champions League und ist englischer Nationalstürmer.
Premier League, Europacup, Nationalmannschaft – diese Türen stehen nun auch Cohen Bramall offen. Um sich an die Nervosität und den Leistungsdruck im Profigeschäft zu gewöhnen, beginnt er das Arsenal-Abenteuer in der U23. Kein Problem für Cohen. Er sagt, man könne es auch so sehen: «Ich spürte in den vergangenen Wochen irgendwie, dass ich bei Bentley entlassen werde.» Statt zum Arbeitsamt geht Cohen Bramall nun zu Arsenal.