Fast entschuldigend wirkte die Erklärung des Schweizerischen Fussballverbandes, der am Dienstag in einer Mitteilung formulierte, warum er den WM-Vergaben zustimmen werde. Man wolle den eingeschlagenen Weg «Dialog anstatt Boykott» weitergehen, «mit dem Ziel, die Situation vor Ort mit unserem bescheidenen Einfluss als Fussballverband zu verbessern versuchen».
Es mache halt keinen Sinn, als einzelner von insgesamt 211 Verbänden aufzumucken. Eine Argumentation, die auch der Deutsche Fussballbund bemühte. Ein Fan-Bündnis hatte Präsident Bernd Neuendorf im Vorfeld aufgefordert, wegen der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien gegen die Vergabe zu stimmen. Dieser entgegnete jedoch nur, dass eine Opposition ohnehin zum Scheitern verurteilt sei. Besser sei es, auf eine Verbesserung der Menschenrechts- und Nachhaltigkeitssituation in Saudi-Arabien «hinzuwirken».
Mit Europa, Afrika und Südamerika, die 2030 zum Zug kommen, und Nordamerika, wo 2026 gespielt wird, war der Weg frei für Saudi-Arabien 2034. Der einzige ernsthafte Konkurrent Australien verzichtete am Stichtag Ende Oktober des Vorjahres – nach kurzer Vorlaufzeit – auf eine Bewerbung.
Es ist jedoch nicht nur die Vergabe an Saudi-Arabien, die besonders «westlichen» Fussball-Fans, die sich nach Katar wieder auf eine Winter-WM einstellen müssen, sauer aufstösst. Das ganze Verfahren kam einer Farce gleich.
Selten wurde eine WM-Vergabe mit weniger Spannung erwartet. Mit nur einer Bewerbung pro Turnier hatten die Mitgliedsverbände der FIFA keine wirkliche Wahl. Präsident Infantino hatte dies im Vorfeld so eingefädelt. Statt einer separaten Bewerbung aus Südamerika wurde eine «Mega-WM» 2030 konstruiert.
Bereits vor mehr als zehn Jahren hatte Uruguay sein Interesse bekundet, 100 Jahre nach der ersten WM das Turnier erneut ausrichten zu wollen. Argentinien, Paraguay und Chile schlossen sich der Kandidatur an. Hauptkonkurrenten waren Portugal, Spanien und Marokko. Im vergangenen Jahr entschied das FIFA-Council kurzerhand, die beiden Bewerbungen zusammenzulegen. Das Eröffnungsspiel soll in Montevideo stattfinden, je ein Spiel in Buenos Aires und Asuncion. Alle sechs Gastgeber sind automatisch qualifiziert, nur Chile geht leer aus.
Dahinter steht das Bestreben Saudi-Arabiens, nach seinem Nachbarn Katar 2022 möglichst bald in den Genuss einer Fussball-WM zu kommen. Das Rotationsprinzip in den FIFA-Regularien besagt, dass nach einer WM derselbe Kontinentalverband die nächsten beiden Turniere nicht ausrichten darf. 2026 wird in den USA, Kanada und Mexiko gespielt. Für 2030 nahm Infantino Europa, Afrika und Südamerika aus dem Rennen, womit für 2034 Asien und Ozeanien übrig blieben. Der einzige ernsthafte Mitbewerber Australien verzichtete zum Stichtag Ende Oktober des Vorjahres – nach kurzer Vorlaufzeit – auf eine Kandidatur.
Den Wahlprozess als besonders geschickten sportpolitischen Winkelzug von Infantino zu bezeichnen, wäre falsch. Vielmehr waren seine Absichten fast schon peinlich offensichtlich. Trotzdem musste er nie befürchten, dass sein Vorhaben scheitern würde. Eine Opposition kann sich nicht formieren, wenn alle den Aufwand scheuen.
Schliesslich wurden, obwohl man dies nach der Doppelvergabe an Russland 2018 und Katar 2022 durch Reformen eigentlich vermeiden wollte, wieder beide Turniere gleichzeitig vergeben – notabene nicht einmal einzeln, sondern en bloc und im Rahmen eines Online-Kongresses. Voten oder Kritik wurden so umgangen, und man konnte nur Ja oder Nein zum ganzen Paket, nicht zu den einzelnen Turnieren, stimmen. Statt mit einer Abstimmung wurde die Zustimmung mit Applaus kundgetan.
Gegen dieses Vorgehen hatte sich der norwegische Fussballverband (NFF) ausgesprochen und angekündigt, bei der Vergabe eine Protestnote einzureichen. Diese dürfte eine ähnliche, sehr geringe Wirkung haben wie der Brief des SFV.
Im Vorfeld hatten Organisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch und ALQST darauf hingewiesen, dass Saudi-Arabien «noch repressiver» als Katar sei. Das Turnier bringe Menschenleben in Gefahr, warnten Menschenrechtsorganisationen, Fangruppen und Gewerkschaften in einer gemeinsamen Erklärung. Ähnlich wie Katar wird dem Königreich «Sportswashing» vorgeworfen: Mit Hilfe des positiv besetzten Sports sollen Verstösse beispielsweise gegen Menschenrechte übertüncht und das eigene Image aufpoliert werden. (sda)
Eine kleine Panne gab es in der Vergabe der Turniere dann doch noch. Als die Kandidatur von Südamerika die Gründe für ihre Bewerbung vorstellen wollte, funktionierte die Schaltung nach Paraguay nicht wie gewünscht: Zwar wurden die Bilder übertragen, aber die Repräsentanten in Asunción waren nicht zu hören. Nach kurzer Verwirrung wurde das Image-Filmchen vorgezogen und die Verbindung geflickt. In der Folge und bei den anderen Schaltungen nach Marrokko, Portugal und Saudi-Arabien funktionierte dann alles wie geplant. (abu/sda)