Die Abseitsregel ist mindestens 160 Jahre alt, bereits im ersten Fussball-Regelwerk aus dem Jahr 1863 wird eine erste Version davon definiert. Eine lange Zeit, um diese weiterzuentwickeln und allfällige Schlupflöcher zu beseitigen – meint man. Doch nun hat ein schwedischer Drittligist eine Möglichkeit gefunden, um die Regel in einem bestimmten Fall zu umgehen.
Aktuell achten die Linienrichter – und mittlerweile auch die Assistenten vor den Bildschirmen im VAR-Keller – auf den Moment, in dem der Ball den Fuss des Passgebers verlässt. Der Klub Torns IF meint nun aber, dass dies falsch ist. Als Beweis dafür wird ein Ausschnitt aus dem Regelbuch des «International Football Association Board» (IFAB) angegeben. Dort steht nämlich: «Der erste Kontaktpunkt der Spielsituation oder die erste Berührung des Balls muss verwendet werden.»
Diese Ergänzung nahmen die offiziellen Regelhüter zur Saison 2018/19 vor, um den Video-Assistenten einen Anhaltspunkt zu geben, welches Bild sie nutzen sollen, um eine allfällige Abseitsstellung zu prüfen. Wie Trainer Richard Ringhov, Spitzname Kalle, dies zu seinem Vorteil nutzen will, schaust du dir am besten selbst an.
Torns IF have developed an ingenious method to create one-on-ones with the goalkeeper. It's based on a rule found on page 93 in the Laws of the Game stating that “The first point of contact of the ‘play’ or ‘touch’ of the ball” should be used when judging offside. Groundbreaking. pic.twitter.com/0IcCcT6DRF
— Torns IF (@TornsIF1965) August 16, 2023
Der Regelzusatz lässt also die Auslegung offen, dass ein Spieler den Ball auf dem Fuss balancieren kann, während ein Mitspieler hinter die Abwehrlinie startet. Was in den Augen aller eine klare Abseitsstellung ist, wäre so völlig legal. Diese Argumentation schickte der Klub aus Stangby im Süden Schwedens dem IFAB, wie aus einem Thread auf X (früher Twitter) hervorgeht. Nun scheinen die Fussball-Regelhüter tatsächlich eine Anpassung des Regelwerks in Betracht zu ziehen.
Zwar antworteten sie: «Gemäss dem Gesetz ist das Balancieren des Balls auf dem Fuss eine andere Spielsituation als der Moment, in dem der Ball gepasst wird.» Doch weil Torns IF herausstrich, dass der Pass ja auch in einem Zug gespielt werden könne und der Ball nicht erst mehrere Sekunden auf dem Fuss balanciert werden müsse, gab das IFAB nach: «Wir werden prüfen, ob wir die Formulierung von Regel 11 anpassen müssen.»
Torn: We appreciate that you will consider reviewing the wording of Law 11.
— Torns IF (@TornsIF1965) August 23, 2023
We agree that our example is a theoretical situation, but similar things (although not as extreme) have indeed happened at the highest level. Here is one beautiful example: pic.twitter.com/a7ViIHwbG5
Eine Revolution der Abseitsregel wird also ausbleiben. Das IFAB definiert in seiner Antwort an die schwedischen «Rebellen» klar: «Der Zeitpunkt, in dem der Ball seine ‹Reise› beginnt, ist ausschlaggebend.»
Da das Regelwerk in diesem Fall aber nicht eindeutig ist, könnte der Fund von Torns IF dennoch Folgen haben. Wie aus dem Video der Schweden aber auch hervorgeht, ist das Wichtigste am Ende immer noch, das Tor zu treffen – wie auch immer die Regel ausgelegt wird.