Was eigentlich ein grosses Fussballfest hätte werden sollen, endet in einer riesigen Schlammschlacht. Nach Spaniens Triumph an der Fussballweltmeisterschaft der Frauen steht das ganze Land Kopf – nicht etwa aus Freude über den historischen Sieg, sondern weil Luis Rubiales, der Chef des spanischen Fussballverbandes, die Siegerehrung als Anlass genommen hatte, die spanische Leistungsträgerin Jenni Hermoso gegen ihren Willen auf den Mund zu küssen.
Die Wut über das Verhalten des 45-Jährigen und das lange Zögern des Verbands treibt die Spanierinnen und Spanier derzeit auf die Strasse, wo sie mit «Rubiales, hau ab!»-Rufen die Absetzung des Präsidenten fordern.
Auch (ehemalige) Mitglieder des spanischen Männerteams melden sich zu Wort. Andres Iniesta findet deutliche Worte für das, was er vom ungefragten Kuss hält: «Das ist alles inakzeptabel. Sein Verhalten schadet dem Image unseres ganzen Landes und unserem Fussball in der ganzen Welt.»
Doch wer ist eigentlich der Mann, der, anstatt sich aufrichtig zu entschuldigen, lieber zum Rundumschlag gegen seine Kritiker ansetzt und diese als Idioten bezeichnet?
Luis Rubiales' Geschichte beginnt ziemlich gewöhnlich – Kindheit im andalusischen Motril, Mutter Inhaberin eines Coiffeursalons, Vater Primarlehrer und später Politiker. Auch seine Fussballkarriere startet wie die meisten anderen Fussballkarrieren, nämlich im lokalen Fussballverein. Ab 2003, in der Blüte seiner Karriere, spielte er als Verteidiger bei UD Levante. Mit dem Verein aus Valencia pendelte er zwischen der höchsten und zweithöchsten Liga hin und her: Aufstieg, Abstieg, Aufstieg – ein Sinnbild für Rubiales' Karriere auf und neben dem Platz.
Die spanischen Fussballspielerinnen kündigten einen Streik an, sollte der Fussballverband Rubiales nicht entlassen. Mit Streiks kennt sich der Mann aus Motril eigentlich aus, denn auch seine Karriere als Fussballfunktionär nahm ihren Anfang mit der Androhung eines solchen. Als Vorsitzender der spanischen Spielergewerkschaft (AFE) liess er 2011 verlauten, dass alle Spieler der zwei höchsten spanischen Ligen dem Fussballplatz in den ersten beiden Runden fernbleiben würden, falls die Tarifverträge nicht erneuert werden.
2018 wurde Rubiales schliesslich an die Spitze des spanischen Fussballverbandes (RFEF) gewählt und war auf dem Zenit angekommen – und sollte ihn schon sehr bald überschreiten.
Die Kuss-Affäre und insbesondere Rubiales' Umgang damit ist eigentlich nur die Spitze des Eisberges, der Tropfen, der das Fass endlich zum Überlaufen gebracht hat. Schon vor und während seiner Amtszeit als Oberhaupt des Fussballverbandes geriet der 45-Jährige in Konflikt mit dem Gesetz, konnte seinen Kopf aber bis anhin immer wieder aus der Schlinge ziehen.
Im Jahr 2017 hatte Rubiales eine Architektin mit dem Umbau seines Hauses in Valencia beauftragt. Die Architektin warf Rubiales schliesslich vor, sie bei einem Streit körperlich angegangen zu haben. Die Verhandlung endete mit einem Schuldspruch: Die Architektin wurde wegen Belästigung von Rubiales und seiner Tochter verurteilt. Später verklagte das Architekturbüro den Noch-Präsidenten des Fussballverbands aufgrund unbezahlter Rechnungen. Einen Teil des eingeforderten Betrages musste Rubiales schliesslich nachträglich begleichen.
Seit 2019 wird der spanische Supercup – also ein Turnier zwischen den zwei spanischen Pokalfinalisten sowie den zwei bestplatzierten Teams der spanischen «La Liga», die nicht den Einzug ins Pokalfinale geschafft haben – im 4500 Kilometer entfernten Saudi-Arabien veranstaltet. An diesem Deal mit Saudi-Arabien war neben Rubiales auch der letztes Jahr zurückgetretene, aber damals noch aktive Fussballer Gerard Piqué mit seiner Firma Kosmos beteiligt.
2022 veröffentlichte El Confidencial schliesslich Sprachnachrichten zwischen den beiden Spaniern, in welchen die Verteilung des Geldes besprochen wurde. Piqué, dem damals als aktiver Spieler des FC Barcelona ein Interessenskonflikt vorgeworfen wurde, meinte in einer Nachricht an Rubiales:
2022 wird Rubiales von seinem eigenen Onkel angezeigt. Juan Rubiales, der ehemalige Stabschef des Verbands, bezichtigte seinen Neffen, mit Staatsgeldern eine Party mit jungen weiblichen Gästen geschmissen zu haben. Luis Rubiales selbst tat das Ganze als eine «Grillparty mit Freundinnen» ab und erhielt vom Verband Rückendeckung, indem dieser verlauten liess: «Die Aussagen von Juan Rubiales, über die von der Zeitung ‹El Mundo› berichtet wird, sind eine weitere Welle von Unwahrheiten und Manipulationen durch einen ehemaligen Mitarbeiter des Verbands.»
Später soll Rubiales laut «El Confidencial» auf Kosten des Verbands gemeinsam mit der mexikanischen Künstlerin Roberta Lobeira eine Reise nach New York unternommen haben.
Als Rubiales am letzten Freitag vor der ausserordentlichen Generalversammlung des Verbands in den Raum rief, dass er nicht zurücktreten werde, waren seine drei Töchter, sein Vater und seine Mutter anwesend. Vater und Mutter halten zu ihrem Sohn, so sehr, dass sich die Mutter angesichts der vermeintlichen Ungerechtigkeit gegenüber ihrem Sprössling gezwungen sieht, sich für einen Hungerstreik in eine Kirche zurückzuziehen, und der Vater einige Tränen verdrückt.
Wenn Luis Rubiales von einer «sozialen Hinrichtung» und einem «Küsschen unter Freunden» spricht, merkt man, dass er davon überzeugt ist, dass sich die Welt gegen ihn verschworen hat. Dass er überzeugt ist, zu Unrecht im Kreuzfeuer der Kritik zu stehen. Schliesslich hat es der Spanier bis anhin immer irgendwie geschafft, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Dieses Mal scheint der Druck der Öffentlichkeit aber selbst für Luis Rubiales zu gross zu sein.
Kein Wunder kann man(n) sich kaum für Frauenfussball begeistern.
Man muss es nicht mal mehr aussprechen.. das Klischee von verwöhnten spanischen Muttersöhnchen, die ihre 🤏🏻🍆 etwas zu wenig unter Kontrolle haben… es reicht völlig aus, die Artikel von Rubiales zu lesen.