Roberto Mancini war in Italien sehr beliebt, aber das ist vielleicht schon Schnee von gestern. Denn der Trainer, den die Italiener liebevoll «Mancio» nannten und der das Spiel der Nationalmannschaft umgestaltete, wodurch er sie bei der EM 2021 zum Titel führte, schockierte am Wochenende viele, als er zehn Monate vor der Europameisterschaft in Deutschland überraschend seinen Abschied verkündete. Damit hinterlässt der Trainer die «Nazionale» in einer Zwickmühle, aber das ist nicht der Hauptvorwurf, der ihm gemacht wird.
Was im Stiefel sehr missfiel, war die Art und Weise, wie Roberto Mancini, der schon als Spieler unberechenbar war, seinen Posten, den er seit Mai 2018 innehatte, verliess. Der in Jesi nahe Ancona geborene Mancini schickte am späten Samstagabend eine einfache E-Mail an den Verband. Eine Methode, die Stefano Barigelli schockierte. Der Chefredaktor der «La Gazzetta dello Sport» holte seine Feder hervor, um die ritterlichen Manieren des 58-jährigen «Mister» anzuprangern.
Die Tifosi warteten das ganze Wochenende auf Erklärungen von ihrem ehemaligen Trainer. Sie kamen nie. Mancini, der gerade erst zum Koordinator der Nationalmannschaften (von der U20 bis zur A-Mannschaft) ernannt worden war und Anfang August seinen Stab umstrukturiert hatte, sprach lediglich von einer «persönlichen Entscheidung». Diejenigen, die «il Mancio» kennen, glauben, dass die fünf Jahre mit Höhen, aber auch Tiefen (Nichtqualifikation für die Weltmeisterschaft 2022 in Katar) den Menschen und den Trainer hart getroffen haben.
Aber in Italien sind auch viele der Meinung – und das ist für sie noch schmerzhafter –, dass Mancini sich für das Geld entschieden hat und er nur zurückgetreten ist, um auf der Bank der saudi-arabischen Nationalmannschaft zu sitzen. «Der Wind des Zynismus, des Geldes als einzigem Wert, absolut und zerstörerisch, weht stark im Fussball», beobachtet Stefano Barigelli und betont, dass «die Einhaltung von Vereinbarungen, Verträgen und dem gegebenen Wort nicht existiert. Schlimmer noch, sie wird als ein Werkzeug der Narren angesehen.»
Die «Squadra Azzurra» wird nicht viel Zeit haben, um Mancini hinterherzutrauern. Zum einen, weil sie sich auf ihre nächsten beiden Spiele am 9. und 12. September (in Nordmazedonien und anschliessend gegen die Ukraine) in der EM-Qualifikation vorbereiten muss.
Zweitens und vor allem, weil sie einen Ersatz für ihren scheidenden Coach finden muss.
Es kursieren die Namen Antonio Conte und Luciano Spalletti. Ersterer ist frei, letzterer leitete zuletzt Napoli, entschied sich nach dem Meistertitel aber für eine Pause. Für den italienischen Fussballverband könnte er diese aber vorzeitig beenden.