Wie findet Breel Embolo einen Ausweg aus dieser Geschichte? Es ist eine der grossen Fragen, die den Schweizer Fussball derzeit beschäftigt.
Etwas mehr als eine Woche ist es her, seit die Anklageschrift gegen einen Basler Hells-Angels-Boss publik wurde. Die Vorwürfe: Geldwäscherei. Betrug. Vergewaltigung. Sexuelle Nötigung. Sexuelle Handlung mit Kindern. Bestechung. Begünstigung. Amtsmissbrauch. Widerhandlung gegen Geldspielgesetz. Widerhandlung gegen Waffengesetz. Und: Urkundenfälschung.
Die Verhandlung am Basler Strafgericht findet ab dem 13. Mai statt. Ebenfalls involviert: der Schweizer Nati-Stürmer Breel Embolo. Er soll beim Beschuldigten gefälschte Covid-Zertifikate bestellt haben. Die Lieferungen sollen am 7. und 9. Februar 2021 stattgefunden haben. Also gut zwei Wochen, nachdem Breel Embolo rund um eine illegale Corona-Party von der Polizei in Essen aufgegriffen wurde – in der Badewanne einer nahegelegenen Wohnung.
Embolo sorgt in einer erstaunlichen Regelmässigkeit für Aufsehen. Im vergangenen Sommer musste er sich vor dem Basler Strafgericht wegen mehrfacher Drohung verantworten (und wurde schuldig gesprochen). Nun also auch noch ein gefälschtes Covid-Zertifikat. Wobei sich unabhängig des Vergehens eine andere Frage stellt: Warum sucht Embolo die Nähe zu einer solch zwielichtigen Person? Wie würde er das seinen Kindern erklären?
Der «Fall Embolo» ist nicht nur für den Spieler selbst, sondern auch für den Schweizerischen Fussballverband heikel. Wie umgehen mit einem Spieler, der sich seiner Vorbildfunktion offensichtlich nicht bewusst ist? Der aber gleichzeitig den Traum hegt, an der EM 2024 Teil der Schweizer Nati zu sein. Und so in einer Saison, in der er wegen eines Kreuzbandrisses bis heute noch kein Spiel absolviert hat, doch noch für sportliche Schlagzeilen sorgen will.
Egal, mit wem man in diesen Tagen über Embolo spricht, ob im Fussball-Business, ob mit Kommunikationsprofis oder mit (unbeteiligten) Anwälten, über eines herrscht Konsens: Eigentlich bleibt nur die Flucht nach vorne.
Bedeutet konkret: Es wäre an der Zeit, dass Embolo für sein Verhalten Verantwortung übernimmt. Dass er glaubhaft darlegt, aus seinen Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben. Ein paar Worte des Bedauerns können zwar sein Image nicht gleich gänzlich reparieren. Aber Embolo könnte dafür sorgen, dass bei seinen künftigen Auftritten im Nati-Dress nicht stets mitschwingt, dass er mutmasslich gefälschte Covid-Zertifikate bestellte – für wen auch immer diese bestimmt waren.
Auch aus Verbands-Sicht sollte das Thema proaktiv angegangen werden. Ein Besuch von Nati-Trainer Murat Yakin und Direktor Pierluigi Tami bei Embolos Verein in Monaco wäre angebracht. Es ist dabei völlig unerheblich, dass Yakin in diesem Jahr bereits bei Embolo zu Besuch war – schliesslich ging es dabei um sportliche Themen, um das nahende Comeback des Stürmers.
Yakin und Tami sollten Embolo bewusst machen, wie sehr er als Nati-Stürmer eben auch ausserhalb des grünen Rasens in der Verantwortung steht. Sie können ihm dabei das Gefühl vermitteln, ihm in der schwierigen Situation beizustehen. Geschieht das alles nicht, ist die Gefahr gross, das Thema in die Europameisterschaft hineinzuschleppen. Das kann vor den Spielen gegen Ungarn (15.6.), Schottland (19.6.) und Deutschland (23.6.) niemand wollen. Auf Anfrage sagt Adrian Arnold, Mediendirektor des Verbands: «Es handelt sich um eine private Angelegenheit von Breel Embolo, die mehr als drei Jahre zurückliegt. Wenn es zu solchen Themen etwas zu besprechen gibt, dann tun wir das bilateral intern und nicht öffentlich.»
Wer Breel Embolo ein bisschen besser kennt, der berichtet von einem aufgeweckten jungen Mann. Eloquent. Klare Meinung. Interessanter Gesprächspartner. Und: gesegnet mit einem tollen Humor, inklusive einer guten Portion Selbstironie. Auch immer wieder zu hören: Embolo habe das Herz am rechten Fleck. Bei seiner Stiftung «Embolo Foundation» ist er nicht einfach nur Präsident und Geldgeber, sondern er kümmert sich leidenschaftlich um viele Dinge. Embolo sei aber auch ein sensibler Mensch. Und er fühlt sich permanent ungerecht behandelt.
27 Jahre alt ist Embolo mittlerweile. Oder muss es heissen 27 Jahre jung? Ein Alter jedenfalls, in dem die Erkenntnis reifen könnte, dass jeder seines eigenen Glücks Schmied ist. Wenn Embolo als 21-Jähriger im Basler Nachtleben rumpöbelt, wäre es nicht vermessen, fünf Jahre später beim Prozess vor dem Strafgericht in Basel etwas Reue zu zeigen. Machosprüche gegenüber der Richterin («Ich habe keine Drohungen nötig, ich bin 1,85 m gross») und Wutanfälle gegenüber den Medien («Super Arbeit wieder mal – verpisst euch, ihr Arschlöcher») lassen kaum den Schluss zu, dass hier jemand einsichtig wäre.
Embolo ist nun der mehrfachen Drohung schuldig gesprochen. Die Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu 3000 Franken wurde jedoch bedingt ausgesprochen, mit einer Probezeit von zwei Jahren. In Recht überführt worden ist das Urteil indes noch nicht. Noch fehlt die schriftliche Begründung. Sowohl die Seite Embolo wie auch die Klägerseite könnte das Urteil weiterziehen. Ob das geplant ist, bleibt derzeit offen. Embolos Anwalt Gabriel Giess äussert sich nicht zum Fall.
Nationaltrainer Yakin hat Embolo jüngst öffentlich geraten, genau abzuwägen, mit wem er sich künftig wirklich abgeben will – und zu durchleuchten, wer in seinem Umfeld einen schlechten Einfluss hat.
Fürs Erste könnte die Einsicht guttun, dass Embolo nicht über dem Gesetz steht. Und dass die vielen Privilegien eines Profifussballers auch gewisse Verpflichtungen und Unannehmlichkeiten mit sich bringen.
Und sportlich? Ist der Optimismus von Yakin und Embolo selbst im Hinblick auf die EM berechtigt? Zweifel sind nicht ganz unbegründet. Am letzten Wochenende stand er bei Monaco erstmals wieder im Aufgebot. Vielleicht erhält er am Sonntag gegen Rennes erste Einsatzminuten. In zehn Wochen beginnt schon die EM.