Zahlen: Bevölkerung 204'784, durchschnittliche Zuschauerzahl Servette FC: 7305, Genève-Servette HC: 4833.
Pulsmessung: Vielleicht ist der zehnte Rang etwas ungerecht. Womöglich wirkt in der Wahrnehmung noch zu sehr die Phase nach, als das einst gloriose Servette vor allem mit Abstieg, Skandalen, Konkursen und bizarren Eigentümern von sich reden machte. Inzwischen hat sich der Verein dank Geld der Rolex-Stiftung aufgefangen. Doch verglichen mit den Deutschschweizer Metropolen Basel und Bern zeigt Genf, zweitgrösste Stadt im Land, wenig Pathos, zumindest im Fussball. Besser ist es im Eishockey, auch wenn hier die Zuschauerzahlen jüngst rückläufig waren.
Zahlen: Bevölkerung 117'289, durchschnittliche Zuschauerzahl in der laufenden Saison des FC Winterthur: 4’700, EHC Winterthur: 553 (beide Vereine spielen jeweils in der zweithöchsten Liga).
Pulsmessung: Früher galt in Winterthur: Die Akademiker gehen zum Handball, die Arbeiter zum Fussball. Das ist ein Stück weit bis heute so geblieben. Weshalb der Klub vor allem in linken Gesellschaftskreisen beliebt ist. Dagegen wehrt man sich nicht. Im Gegenteil. Man positioniert sich jahrelang als der etwas andere Fussballklub. Ein Klub, bei dem das Happening nach dem Spiel mindestens so wichtig ist wie das Resultat. So ein bisschen wie St.Pauli. Weshalb man den FC Winterthur bald mal zum Kult erklärte – was eine überhöhte Darstellung ist – und über 5000 Zuschauer in der Challenge League staunte. Dabei geht vergessen, was Winterthur ist: Zwar häufig unsichtbar im grossen Schatten Zürichs, aber doch die sechstgrösste Stadt der Schweiz. Deshalb: Bei aller Sympathie für das schnucklige Ambiente auf der Schützenwiese gibt es punkto Sportbegeisterung in dieser Stadt noch viel Luft nach oben.
Zahlen: Bevölkerung 56'449, durchschnittliche Zuschauerzahl des EHC Biel: 5'263.
Pulsmessung: 2015 machte Biel einen Quantensprung als Sportstadt. Die Tissot Arena wurde eingeweiht, die vielleicht modernste multifunktionale Sportarena der Schweiz mit einem Fussballstadion (5200 Plätze), einem Eishockeystadion (6521 Plätze) und einer Curlinghalle. Biel ist heute wie Zug eine bedeutende Eishockeystadt – es gibt sowohl für Politik wie Wirtschaft kein Vorbeikommen am Verein. Dass sich mit dem Leistungszentrum Magglingen ein wichtiger Teil des Schweizer Spitzensports ebenfalls in unmittelbarer Nähe der Stadt befindet, wirkt sich ebenfalls aus. Nur um den Fussball ist es seit dem Konkurs schlecht bestellt.
Zahlen: Bevölkerung 66'491, durchschnittliche Zuschauerzahl in der laufenden Saison: FC Lugano: 2819, HC Lugano: 4960.
Pulsmessung: Wie in der Romandie ist die Begeisterung für das Eishockey im Tessin grösser als im Fussball (vor allem zur Zeit des «Grande Lugano», aber auch in den 2000er Jahren). Der Fussballklub spielte von 2004 bis 2015 in der Challenge League, diese Baisse wirkt nach. Der Hockeyklub Lugano hingegen ist in der Stadt eine Institution, auch wenn das in der Deutschschweiz oft verkannt wird, weil der Tessiner Konkurrenzverein Ambri-Piotta nördlich des Gotthards grosse Sympathien geniesst und eine rekordverdächtige Anzahl Fanklubs hat.
Zahlen: Bevölkerung 146'910, durchschnittliche Zuschauerzahl in der laufenden Saison: Lausanne-Sport: 5160, Lausanne HC: 6052.
Pulsmessung: In Lausanne herrschte in den letzten Jahren sportliche Aufbruchstimmung – dank zwei neuen Stadien. Der Lausanne HC spielte 2019 erstmals in der für 200 Millionen gebauten Vaudoise Arena. Mit 9600 Plätzen ist sie das grösste Eishockeystadion der Westschweiz. Nur ein Jahr später löste das Stade de la Tuilière des FC Lausanne-Sports mit 12'544 Plätzen die stimmungsarme «Pontaise» ab. Doch es gibt einen grossen Begeisterungs-Graben zwischen Fussball und Eishockey. Lausanne entwickelte sich in den letzten zwei Jahrzehnten eindeutig zur Eishockeystadt mit einer starken Fankultur, obwohl der LHC erst seit 2013 wieder erstklassig ist. Im Fussball stieg der siebenfache Meister und neunfache Cupsieger Lausanne-Sports in diesem Jahrtausend immer wieder auf und ab. Doch seit dem Verkauf des Vereins an Ineos ist die Seele verloren gegangen. Und nicht zu vergessen: Lausanne ist auch die Hauptstadt der internationalen Sportverbände.
Zahlen: Bevölkerung 436'332, durchschnittliche Zuschauerzahl in der laufenden Saison: FC Zürich: 12'963, GC: 5885, ZSC Lions: 8020.
Pulsmessung: Was den sportlichen Erfolg betrifft, ist Zürich in dieser Saison im Fussball wie im Eishockey die klare Nummer 1 unter den grössten Städten. Am Sonntag können sowohl der FCZ wie die ZSC Lions Meister werden. Zwei Klubs sind top – doch die Stadt vibriert nur wenig, kein Vergleich zu Bern, als YB und der SCB beide vor Titelgewinnen standen. Zwar haben die zwei Z-Klubs tolle Fans, aber der Radius der Euphorie geht nicht weit über das Hallen- bzw. Letzigrundstadion hinaus. Vielsagend auch: Beim letzten ZSC-Heimspiel am Freitagabend war das Hallenstadion zwar subito ausverkauft, aber ein Public Viewing gab es nirgends. Und ja … da wäre noch GC! Der Fussball-Rekordmeister scheint völlig entwurzelt zu sein. Sonst hätte der Wirtschaftsfreisinn den Verkauf an chinesische Investoren nicht zugelassen.
Zahlen: Bevölkerung 83'040, durchschnittliche Zuschauerzahl des FC Luzern in der laufenden Saison: 10'415.
Pulsmessung: Es gab Zeiten, da wäre Luzern auf Platz 1 oder 2 gestanden, denn es ist eine feurige Sportstadt. Zurzeit aber mangelt es in der Zentralschweiz etwas an Leidenschaft. Anders als beim FC St.Gallen kommt die Atmosphäre im neuen Stadion nicht mehr ganz an jene in der alten Allmend heran. Als der FCL 1989 Meister wurde, herrschte über Wochen Ekstase in der Leuchtenstadt, später auch beim Cupsieg 1992. Und letztes Jahr wieder: Nach dem Sieg über St.Gallen im Cupfinal vor leeren Rängen im Wankdorf begrüssten 10'000 Fans die Helden mit der Sandoz-Trophäe bei der Rückkehr aus Bern – obwohl die Feier wegen Corona offiziell verboten war. Dennoch scheint, der Anteil der «Erfolgsfans» sei etwas gestiegen. Dabei hat der Klub in der Stadt und Region eine grosse, identitätsstiftende Bedeutung. Der FCL ist am Stammtisch genauso ein Thema wie an der «rüüdigen» Fasnacht. Und wie begeisterungsfähig die Leute hier sind, zeigt sich auch an Länderspielen der Nati: Die Stimmung ist in Luzern euphorischer als bei Spielen in Basel oder Bern.
Zahlen: Bevölkerung 143'154, durchschnittliche Zuschauerzahl von YB in der laufenden Saison: 24'528, und vom SCB: 13'348.
Pulsmessung: Bern ist und bleibt eine enorm sportbegeisterte Stadt, aber der Pulsschlag war schon höher. Zahlenmässig kann niemand mit Bern mithalten: Der SCB hat nicht nur schweizweit, sondern in ganz Europa die höchsten Zuschauerzahlen im Eishockey. Vor allem dank der Fans vom Land. Und auch YB, das urbaner geprägt ist, ist ein Zuschauerkrösus. Doch die Probleme des auch wirtschaftlich erfolgsverwöhnten SCB und das Ende der YB-Erfolgsserie schlagen aufs Gemüt. Beim Potenzial aber bleibt Bern ganz vorn. Die Identifikation mit den beiden Spitzenklubs ist enorm, zusammen decken sie alle Schichten ab.
Zahlen: Bevölkerung 80'213, durchschnittliche Zuschauerzahl des FC St.Gallen in der laufenden Saison: 15'205. Die Quote von 19 Prozent (Verhältnis Zuschauer- zu Einwohnerzahl) ist hier am höchsten, was die zehn grössten Städte betrifft.
Pulsmessung: St.Gallen schafft es auf Platz 2, weil die Begeisterungsfähigkeit, durchaus auch gemessen an der Lautstärke der Fans, nirgends grösser ist als in der Ostschweizer Stadt. Und weil der FCSG keine Erfolgsfans hat: Wenn Einsatz und Leidenschaft stimmen und sich Trainer wie Spieler mit Stadt und Verein identifizieren, werden auch Niederlagen verziehen. Die treuen Anhänger halten auch in schlechten Zeiten nach Abstiegen zum Klub. Dem FCSG ist zudem gelungen, was anderswo scheiterte. Durch den Umzug in ein modernes Stadion ist nichts an Legende verloren gegangen, im Gegenteil: Im grösseren «Kybunpark» ist die Stimmung inzwischen noch besser als früher im altehrwürdigen Espenmoos. Kein Wunder, zog der FCSG am vergangenen Wochenende mehr Zuschauer an als der FCZ, obwohl dieser vor dem Meistertitel steht.
Zahlen: Bevölkerung 178'689, durchschnittliche Zuschauerzahl des FC Basel in der laufenden Saison: 21'245.
Pulsmessung: Basel, das ist der FCB. Der FCB, das ist Basel. In keiner anderen Stadt hat ein Sportklub diese alles durchdringende gesellschaftliche Bedeutung wie der FCB in Basel. Die bezüglich Bevölkerung drittgrösste Schweizer Stadt steht darum auf Platz 1, auch wenn sie nicht, wie Bern oder Zürich, über einen Spitzenklub im Eishockey verfügt (der EHC Basel stieg vor wenigen Wochen in die Swiss League auf). Das macht der FCB mehr als wett. Dass das Basler Sportherz stärker pulsiert als jedes andere, zeigt sich im Erfolg und im Misserfolg. Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt. In der erfolglosen Ära Burgener wurde der Präsident beinahe zur Hassfigur. Basel hat aber auch Selbstironie: Keine Fasnacht ohne FCB.