Es gab viele Versuche, den Glanz des Originals auf andere Duelle zu übertragen. In Deutschland wird das Spiel zwischen Bayern München und Borussia Dortmund als «Klassiker» bezeichnet, in Frankreich gibt es «Le Classique» zwischen Paris Saint-Germain und Olympique de Marseille und sogar in der Schweiz wurde versucht, das Spiel FC Basel gegen FC Zürich als «Klassiker» zu brandmarken. Doch an Real Madrid und den FC Barcelona kommt nichts heran.
Nur schon bei der Bezeichnung «Clásico» gehen Fussballfans die Namen durch den Kopf. Rivaldo und Raúl, Ronaldo und Ronaldinho, und natürlich Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. Besonders durch die Rivalität der letzten beiden wurde das Spiel zwischen Barça und den «Königlichen» zum mit Abstand grössten der Welt.
Doch als Ronaldo Real Madrid 2018 verliess und erst recht als auch Messi drei Jahre später nicht mehr bei Barça war, verlor der «Clásico» an Zugkraft. Das Interesse am spanischen Spitzenkampf schwand. Im ersten Duell nach Messis Transfer zu PSG schaltete im Vergleich zu Zeiten der Rivalität zwischen dem Argentinier und «CR7» ein Drittel Zuschauer weniger ein. Dafür zogen plötzlich Spiele wie jene zwischen Manchester City und dem FC Liverpool weltweites Interesse an.
Wenn Barça aber heute Nachmittag (Samstag, 16.15 Uhr) den Rivalen aus der Hauptstadt empfängt, dürfte das Interesse wieder deutlich grösser sein. Nach zehn Spieltagen liegt zwischen den beiden nur ein Punkt, mit einem Sieg können die Katalanen in der Tabelle wieder vorbeiziehen. Spannung ist also garantiert, und ein Sieger ist schwierig vorherzusagen.
Am wichtigsten ist jedoch: Der «Clásico» hat wieder eine prägende Figur. Nämlich Jude Bellingham. Der 20-jährige Engländer ist derzeit der kompletteste Fussballer der Welt. Obwohl er nominell im Mittelfeld zu Hause ist, orientiert er sich spätestens seit seinem Wechsel zu Real Madrid viel offensiver und agiert teilweise gar als Mittelstürmer. In zwölf Einsätzen im Trikot der «Blancos» erzielte er schon elf Tore, nicht nur in Spanien und England schwärmen sie vom neuen «Superstar».
Aber Bellingham ist nicht der einzige Spieler, der die Duelle auf Jahre hinaus prägen könnte. In den Reihen von Real Madrid stehen mit Vinicius oder Aurélien Tchouaméni weitere junge Spieler von Weltklasse-Format. Während die alte Garde um Ronaldo, Karim Benzema, Luka Modric und Toni Kroos also die Bühne räumt oder bereits geräumt hat, stehen die Nachfolger schon bereit.
Auf der Gegenseite hat Barcelona mit Gavi und Pedri ebenfalls zwei der talentiertesten Mittelfeldspieler der Welt im Kader. Diese werden von etablierten Stars wie Ilkay Gündogan oder Robert Lewandowski flankiert. Der polnische Goalgetter war zuletzt wie Pedri und auch Frenkie de Jong verletzt, könnte aber rechtzeitig für den «Clásico» wieder fit werden.
Und nicht vergessen darf man Barças Wiederentdeckung der ewigen Jugend. Der 16-jährige Lamine Yamal kommt in dieser Saison bei den Katalanen mit auf die meisten Einsätze, und zuletzt erlebte der ein Jahr ältere La-Masia-Absolvent Marc Guiu ein fulminantes Debüt, als er wenige Sekunden nach seiner Einwechslung gegen Bilbao zum 1:0-Sieg traf. All diese Spieler könnten in der Rivalität zwischen den spanischen Topklubs eine neue Ära prägen – wie es Rivaldo und Raúl, Ronaldo und Ronaldinho oder Messi und Cristiano Ronaldo getan haben.
Der einzige Wermutstropfen: Weil sich das Camp Nou im Umbau befindet, wird das Spiel im Olympiastadion von Barcelona ausgetragen. Dennoch dürfen sich alle Fussballfans endlich wieder auf einen spannenden «Clásico» freuen. Das Original bleibt halt noch immer das beste.