Wer im nigelnagelneuen Trainingszentrum und Headquarter des Juventus Football Club vorbeischaut, dem wird die Dimension dieses Weltklubs klar. Einen Steinwurf vom formidablen Allianz Stadium entfernt, hat sich die Besitzerfamilie mit dem 42-jährigen Juve-Präsidenten Andrea Agnelli ein Bijou der Superlative gegönnt. Im Abschlusstraining vor dem Spiel gegen YB ist Cristiano Ronaldo erwartungsgemäss aufgrund seiner Spielsperre nicht dabei. Dafür nach einer Verletzungspause der deutsche Weltmeister Sami Khedira.
Eine (schier) unlösbare Aufgabe! Vielleicht die derzeit grösstmögliche Herausforderung überhaupt. Noch selten ist eine Mannschaft zu Hause eine solche Macht gewesen, wie die Juve im Allianz Stadium. Hier hat sie in 183 Pflichtspielen seit dem Einzug 2011 nur acht Mal verloren. Die Medien künden an, dass die Bianconeri mit Ausnahme von Ronaldo und Chiellini in Bestbesetzung antreten.
Blendend! Sowohl Juventus wie die Young Boys haben bisher in der Serie A beziehungsweise in der Super League eine blütenweisse Weste. Der italienische Meister gewann alle sieben, der Schweizer Champion alle neun Meisterschaftsspiele. Das verspricht eine Partie auf hohem Niveau zwischen zwei Mannschaften, die vor Selbstvertrauen strotzen und personell fast aus dem Vollen schöpfen.
Salopp gesagt, um zwei Klassen! Jeder Juve-Spieler hätte bei YB einen Stammplatz. Umgekehrt aber ist es, mit einer Ausnahme, schwierig, sich einen Berner Akteur im Team der Schwarz-Weissen vorzustellen. Rechtsverteidiger Kevin Mbabu ist der Einzige, der bei Juve regelmässig spielen würde. Es ist schade, dass dessen Verletzung eine Überprüfung dieser Behauptung verhindert.
Juve hat nur Stars! Aber klar, der gesperrte Ronaldo ist der Überflieger. Daneben jedoch sind auch Mandzukic, Dybala, Weltmeister Matuidi, Khedira, Pjanic und in der Defensive die beiden Haudegen Chiellini und Bonucci absolute Sonderklasse. Bei YB ragen Captain von Bergen, der gesperrte Mbabu, Sanogo, Sulejmani und Hoarau heraus, aber auch Fassnacht, Benito, Sow und Assalé verkörpern Klasse. In der heimischen Liga …
Die Ungeschlagenheit in der Meisterschaft! Im Vergleich mit dem Juve-Mister Massimiliano Allegri ist YB-Trainer Gerardo Seoane ein Grünschnabel. Der Toskaner wurde 2011 mit Milan Meister und gewann in den letzten vier Saison mit Juventus immer das Double! Davon kann der zwölf Jahre jüngere Seoane nur träumen. Dennoch hat er etwas, was Allegri nicht hat. Mit seinem aktuellen Klub YB hat Seoane noch kein Meisterschaftsspiel verloren, sein Antipode mit Juve aber schon 16. Allerdings in 159 Spielen …
Seoane sagt: «Wir wissen, was uns hier erwartet. Ich hoffe, wir wachsen an dieser Herausforderung.» Allegri sagt: «Die Young Boys zu unterschätzen, wäre fahrlässig. Sie haben in der Schweiz alles gewonnen und sind physisch stark. Dennoch werde ich Chiellini schonen. Er braucht eine Pause.»
Der FC Zürich! Exakt vor neun Jahren reiste dieser in der 2. Runde der Champions League ebenfalls nach Italien. Und wie YB gegen ManUnited hatte auch er das erste Spiel zu Hause mit drei Toren Differenz verloren: 2:5 gegen Real Madrid. Eigentlich war die Ausgangslage im Stadion Giuseppe Meazza gegen die AC Milan mit Superstars wie Pirlo, Nesta, Zambrotta, Seedorf, Pato und Inzaghi ebenso aussichtslos wie jene von YB in Turin. Aber der FCZ nützte die Chance, die er nicht hatte. Tihinen erzielte mit der Hacke das Tor seines Lebens und die Zürcher siegten sensationell 1:0.
Es wäre eine riesige Sensation! Und für das Ansehen des Schweizer Klubfussballs ein extrem wertvoller Exploit. Es würde die Chance der Berner wahren, im Frühjahr noch immer in der Königsklasse oder zumindest in der Europa League mitzumischen. Schweizer Vereine haben im Europacup zwar schon grosse Siege errungen, aber fast immer in Heimspielen. Historische Auswärtssiege sind selten. Ein Dreier in Turin würde sich einfügen in die Liste von CL-Triumphen wie jenen von GC bei Ajax (1:0, 1995), des FCZ bei der AC Milan (1:0, 2009), des FCB bei der AS Roma (3:1, 2010), des FCB bei Chelsea (2:1, 2013) und des FCB bei Manchester City (2:1, 2018).