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Raphael Wicky wird Trainer von YB – seine Ansichten zum Fussballgeschäft

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Clearwater, FL - FEB 01: Fire Head Coach Raphael Wicky talks to his team during the pre-season match between the Chicago Fire and the Philadelphia Uniion on February 01, 2020 at Joe  ...
Wicky bei seinem bislang letzten Job in Chicago.Bild: imago

«Als Trainer hast du zwei Patronen» – die Ansichten des neuen YB-Trainers Raphael Wicky

Raphael Wicky soll den entthronten Meister YB zurück an die Spitze führen. Der Walliser wird neuer Trainer der Young Boys. Es ist sein zweites Engagement in der Super League nach jenem beim FC Basel. Geht es nach Wicky, ist YB seine letzte Chance in der Schweiz.
02.06.2022, 10:36
Ralf Meile
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Raphael Wicky ist zurück im Schweizer Fussball. Der 75-fache Nationalspieler wird neuer Trainer der Young Boys. Nach vier Meistertiteln in Folge mussten die Berner in der kürzlich beendeten Saison dem FC Zürich den Vortritt lassen. Wickys Hauptaufgabe im Wankdorf: YB zurück zum Meistertitel führen.

Für den 45-jährigen Wicky ist Bern die zweite Station als Trainer in der Super League. In der Saison 2017/18 führte er den FC Basel. Er hatte Erfolge in der Champions League, verpasste aber den Meistertitel, den der FCB zuvor acht Mal in Folge erringen konnte. In der Saison darauf wurde Wicky bereits nach zwei Niederlagen in den ersten zwei Pflichtspielen gefeuert.

«Die Schnelllebigkeit muss ein Ende haben»

Mit einem Dreivierteljahr Abstand äusserte sich Wicky damals in der «NZZ am Sonntag» über die Entlassung beim FCB, über seine generellen Gedanken zum Fussballgeschäft und zum Leben als Trainer. «Ich habe Mühe mit der Schnelllebigkeit», sagte er. Einst habe er sich mit FIFA-Präsident Gianni Infantino darüber unterhalten, ebenfalls Walliser und damals noch Generalsekretär bei der UEFA. «Ich sagte ihm, dass es eigentlich nicht nur für Spieler, sondern auch für Trainer so etwas wie eine Transferfrist geben müsste – dass Trainer bloss in bestimmten Zeitfenstern entlassen werden dürften. Damit Trainer nicht fast willkürlich fortgeschickt werden können.»

Der Basler Trainer Raphael Wicky waehrend der Trinkpause im Fussball Testspiel der zwischen dem Super League Club FC Basel 1893 (FCB) und dem Challenge League Club Neuchatel Xamax FCS, im Nachwuchs-Ca ...
In Basel hatten seine Chefs zu früh die Geduld verloren.Bild: KEYSTONE

Wickys Überlegung: Würde es eine Regelung geben, würden sich die Verantwortlichen bewusster Gedanken darüber machen, wen sie als Trainer verpflichten. Dass es so eine Regelung wohl nie geben werde, sei ihm klar, ergänzte Wicky. «Aber die Schnelllebigkeit muss ein Ende haben. Ich wünsche mir ein bisschen mehr Tiefgang, wenn es um Entscheidungen und Zielsetzungen geht.»

Arbeit in den USA

Damals in Basel war für ihn Schluss, weil Präsident Bernhard Burgener und Sportchef Marco Streller die Panik ergriffen hatte. Sie entliessen Wicky nach einem 1:2 gegen St.Gallen in der Meisterschaft und einer 1:2-Niederlage auswärts in der Champions-League-Qualifikation gegen PAOK Saloniki. Jahre später gab Burgener zu, «dass wir den Entscheid zu früh getroffen haben. Wicky hatte seine Sache grossartig gemacht.»

Der einstige Mittelfeldspieler mit 218 Einsätzen in der Bundesliga (Werder Bremen, Hamburger SV) sieht sich nicht als «Feuerwehrmann», sondern als einer für langfristige Projekte. Ein solches war für ihn das Engagement als U17-Nationaltrainer der USA. Es endete dennoch nach neun Monaten vorzeitig, weil Wicky mit guter Arbeit auffiel und von Chicago Fire verpflichtet wurde.

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Werder Bremen - FC Bayern Muenchen 5:4 n.V. DFB Pokalsieger SV Werder Bremen 12.06.1999 HM
Einer seiner grössten Erfolge: Wicky (links neben der Trophäe) gewinnt 1999 mit Werder Bremen den DFB-Pokal.Bild: imago

Knapp zwei Jahre lang war er Trainer der erfolglosen MLS-Franchise, der nun Xherdan Shaqiri angehört und die den gleichen Besitzer wie der FC Lugano hat. Zu den USA hat Raphael Wicky eine ganz besondere Beziehung, seit er 2009 in Los Angeles seine Spielerkarriere beendet hat: «Ich mag das Land und die Sportmentalität.» 2018 heiratete er seine amerikanische Freundin Laura.

Auch zu YB hat er einen familiären Bezug: Wickys Mutter ist Bernerin. Scherzhaft bezeichnete er sich deshalb auch schon einmal bloss als «halben Walliser».

Die Batterien sind aufgeladen

Christoph Spycher, der Sportverantwortliche von YB, ist zwar kein Familienmitglied. Aber er spielte während einigen Jahren gemeinsam mit Raphael Wicky im Nationalteam. Die beiden kennen sich also gut und auch Spycher ist keiner, der für Schnellschüsse bekannt ist, sondern der im Gegenteil für Ruhe und Seriosität steht. Es prallen wohl kaum Welten aufeinander, wenn die beiden diskutieren.

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Zinedine Zidane (Frankreich, Mitte) gegen Raphael Wicky (li.) und Christoph Spycher (beide Schweiz)
Wicky (links) und Spycher nehmen an der EM 2004 Frankreichs Zinédine Zidane in die Zange.Bild: imago

Im NZZ-Interview sprach Wicky damals auch über die Möglichkeiten, die sich einem Fussballtrainer bieten. Wer eine Chance erhalte, könne anderswo auf eine zweite hoffen, brauche dort dann aber Erfolg. «Ich glaube, du hast als Trainer zwei Patronen», sagte Wicky. «Wenn du das Ziel mit dem ersten Schuss verfehlst, hast du nochmals eine Chance – und wenn's wieder nicht klappt, wird es schwierig, dass du nochmals eine Chance auf demselbem Niveau bekommst.»

YB ist Wickys zweite Gelegenheit, der Fussballschweiz zu zeigen, was er draufhat. Seine Batterien sind aufgeladen, acht Monate sind seit dem Engagement in Chicago vergangen. Er genoss die Zeit im Wallis bei seiner Familie, nutzte die Auszeit, um den Kopf zu lüften. Nun will er wieder angreifen.

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8 Kommentare
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Das Internet
02.06.2022 10:58registriert August 2020
Wicky passt mit seiner ruhigen Art bestens zu YB. Ich denke und hoffe, er wird Erfolg haben. Das Experiment Degen-Frei bietet viel mehr Potential für Drama. Ich bin gespannt und freue mich auf die nächste Saison!
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Bert Stein
02.06.2022 10:57registriert November 2020
Ok, ich habe sicher nicht alle relevanten Informationen, aber: Wicky regt nach seinem Rauswurf beim FCB an, dass Trainer besser vor Entlassungen geschützt werden müssen, denn “die Schnelllebigkeit muss ein Ende haben”. Und bei seinem nächsten Engagement bei der US U17 schmeisst er dann nach 9 Monaten selber hin, weil er ein (lukrativeres?) Angebot von Chicago Fire bekommt. Sorry, aber das einzig Konsequente, das ich erkennen kann, ist Opportunismus.
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