Freude: ja. Euphorie: nein. So lässt sich die Stimmung rund um das Schweizer Nationalteam im Nachgang zum 4:0 gegen Kosovo am besten beschreiben. Der Auftakt in die WM-Qualifikation ist geglückt. Aber dieser Sieg ist nur dann etwas wert, wenn auch die Bestätigung gegen Slowenien heute Abend (20.45 Uhr im watson-Liveticker) gelingt.
Die Tore von Embolo, das missglückte Kosovo-Debüt von Avdullahu, die miserablen Vorverkaufszahlen für das Spiel am Montag – es gab und gibt einige Themen rund um die Nati, die zu Debatten anregen. Ein Name aber ist gerade deswegen spannend, weil er nirgendwo im Mittelpunkt stand: Xherdan Shaqiri.
Nicht der Nationaltrainer, nicht die Ex-Mitspieler, nicht die Experten, niemand sprach über Shaqiri. Das ist zunächst einmal ein gutes Zeichen für die Nati. Denn schon bald nach Shaqiris Nati-Rücktritt vor gut einem Jahr begannen die Diskussionen um die Frage: Müsste es nicht einen Weg geben, um Shaqiri zum Comeback zu bewegen?
Beflügelt wurde diese Debatte von Shaqiris tollen Leistungen nach seiner Rückkehr zum FCB einerseits. Und den schwachen Auftritten der Nati in der Nations League andererseits. Es kam viel zusammen, auch weil neben Shaqiri mit Yann Sommer und Fabian Schär zwei weitere Leader zurücktraten. Es entstand eine Lücke, die sich zunächst nicht einfach schliessen liess. In der Garderobe noch weniger als auf dem Rasen.
Nun lassen die letzten Spiele erste Hoffnungen keimen, dass der Triple-S-Verlust nicht mehr ganz so schmerzhaft ist. Ohne Shaqiri, Sommer und Schär hat die Nati im Vorbeigehen einen Rekord aufgestellt. 4:2 gegen Mexiko, 4:0 gegen die USA, 4:0 gegen den Kosovo – noch nie in der 120-jährigen Länderspiel-Geschichte schoss die Schweiz dreimal in Serie vier Tore. Am nächsten kam die Schweiz diesem neuen Rekord in der «Fussball-Antike» 1960 mit einer Siegesserie gegen Chile (4:2), Holland (3:1), Frankreich (6:2) und Belgien (4:2). Wichtiger als diese Zahlen ist der Fakt, dass die neuen Nati-Rädchen endlich greifen.
Auf der Ex-Shaqiri-Position als Spielgestalter beisst sich gerade Fabian Rieder fest. Als Rieder vor zwei Jahren YB in Richtung Rennes verliess, waren sich die Experten sicher: Er wird bald auch im Ausland für Furore sorgen. Es kam anders. Zwei Jahre später ist er keinen Schritt weiter. Rieder hat sein Glück weder in Rennes noch in Stuttgart gefunden. Nun nimmt er in Augsburg einen neuen Anlauf, unter dem von allen Seiten mit Vorschusslorbeeren bedachten Trainer Sandro Wagner.
In der Nati aber läuft es Rieder besser. Schon an der EM 2024 ist er ein Gewinn. Auch in den Testspielen im Juni überzeugt er. Und nun gelingt ihm ein hervorragender Auftritt gegen den Kosovo. Bissig und präsent von der ersten Sekunde an. Überall zu finden. Wertvoll im Pressing. Immer im Bestreben, das Spiel schnell zu machen. Gerade die letzten Punkte unterscheiden ihn merklich von Shaqiri.
Merklich gelitten hat die Schweiz auch unter der Absenz von Fabian Schär. Nun zeigt sich: Der neue Partner von Chef Manuel Akanji könnte der alte sein: Nico Elvedi. Der 28-Jährige hat seinen Nati-Platz zwischenzeitlich verloren. Verständlich, waren doch die Leistungen in den letzten zwei Jahren im Nati-Dress zwischen bescheiden und ungenügend anzusiedeln.
Die Krise hatte wohl auch damit zu tun, dass Elvedi nach mittlerweile zehn Jahren bei Borussia Mönchengladbach gerne einmal einen Transfer getätigt hätte. Es kam nicht dazu. Diese Enttäuschung musste er erst verarbeiten. Nun zeigt die Tendenz aufwärts. Und er ist daran, das Vertrauen von Yakin zurückzugewinnen. Elvedi ist klar vor der Konkurrenz um Amenda, Zesiger, Cömert und Gartenmann.
Bleibt die Rochade im Tor zu Gregor Kobel. Der Torhüter von Borussia Dortmund hat seine Ambitionen nie wirklich verhehlt. Einige Menschen in seinem Umfeld – und natürlich auch er selbst – hätten es gerne gesehen, wenn die Stabsübergabe von Yann Sommer zu ihm schon vor der EM 2024 stattgefunden hätte. Kobel musste sich gedulden. Und hatte dann das Pech, dass er in der Nations League auf eine komische Gemengelage traf.
Es wirkte jedenfalls so, als gehe Kobel jene Ausstrahlung, die ihn im Tor von Dortmund auszeichnet, bei der Nati noch ab. Jetzt stehen auch bei ihm die Zeichen auf Besserung. Dass er gegen die USA und nun auch gegen Kosovo endlich ohne Gegentor blieb, tut ihm sichtlich gut. Auch die Automatismen mit der Abwehrreihe greifen besser, sodass die Vergleiche mit Sommer immer weniger werden.
Nur lautet eben bei allem Optimismus die grosse Frage: Wie viel war dieses 4:0 gegen den Kosovo wirklich wert? Trügt die Ruhe um Xherdan Shaqiri? Bleibt die Abwehr weiter stabil? Eine erste Antwort gibt es am Montag ab 20.45 gegen die Slowenen.