Ist es das Jahr der Befreiung für ungeliebte Schweizer Trainer? Im Mai 2024 steht Eishockey-Nationaltrainer Patrick Fischer unter starker Beobachtung. Seine Mannschaft hat an der Euro Hockey Tour bis auf eine Partie nur verloren. Kaum ein Schweizer Eishockey-Fan traute der Hockey-Nati vor der Weltmeisterschaft in Prag und Ostrava etwas zu. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis er aus seinem erst gerade noch verlängerten Vertrag entlassen würde. Doch getragen von den NHL-Stars Roman Josi, Nico Hischier und Kevin Fiala führte Fischer seine Mannen bis in den Final und gewann die Silbermedaille. Das Thema Fischer war plötzlich keines mehr. Mit dem Erfolg hat er sich wohlverdiente Ruhe erarbeitet.
Einige Wochen später stand Murat Yakin vor der Europameisterschaft in Deutschland. Seine Fussball-Nationalmannschaft hatte schwierige Zeiten hinter sich. Die EM-Qualifikation verlief enttäuschend. Zwar qualifizierte man sich für die Endrunde, doch nur auf dem zweiten Platz in einer schwachen Gruppe hinter Rumänien. Zudem lieferte sich der Trainer eine öffentliche Schlammschlacht mit Captain Granit Xhaka über den Einsatz im Training.
Es wurde nicht die Frage diskutiert, wie weit es die Nati unter Yakin an der EM schaffen kann, sondern der Grundsatz, warum er überhaupt noch diese Chance erhält.
Und jetzt, zwei Wochen nach Turnierstart, sieht alles anders aus. Die Schweiz steht nach einem überzeugenden Sieg gegen Ungarn, einem eher müden Unentschieden gegen Schottland und einem Beinahe-Sieg (1:1) gegen Deutschland souverän im Achtelfinal. Dort bewegt man sich – zumindest nach Schweizer Ermessen – auf Augenhöhe mit Italien.
Murat Yakin hat seine Kritiker Lügen gestraft, seine Pläne gingen eigentlich immer auf. Gegen Ungarn brachte er überraschend Kwadwo Duah und Michel Aebischer, die mit zwei Toren den Schweizer Sieg einleiteten. Gegen Schottland setzte er auf Xherdan Shaqiri, der äusserst herrlich zum 1:1 ausglich. Und gegen Deutschland liess der Nati-Trainer aggressiv pressen und bereitete dem Gastgeber so grosse Mühe.
Mit dem Erfolg an der EM kam auch die gute Stimmung in die Schweiz zurück. Murat Yakin war plötzlich ein gefeierter Mann – und er genoss das sichtlich. Vor jedem Auftritt in Deutschland machte der 49-Jährige noch einen Abstecher vor die Schweizer Fankurve, wo er sich feiern liess.
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— UEFA EURO 2024 🇫🇷 (@EURO2024FRA) June 23, 2024
Bevor Yakin aber wie Patrick Fischer endgültig die verdiente Ruhe geniessen kann, muss er sich noch mindestens einmal beweisen. Die EM der Nati war bislang gut, grossartig wird sie aber erst, wenn mindestens der Viertelfinal erreicht werden kann. Das Meisterstück in einem wichtigen Moment fehlt noch im Palmarès des Trainers. Im Gegensatz zu Fischer besitzt Yakin noch keinen langfristigen Vertrag. Verhandlungen mit dem Schweizer Verband sollen nach dem Turnier in Deutschland stattfinden.
Sollte die Nati im Achtelfinal gegen Italien wie an der WM in Katar gegen Portugal sang- und klanglos ausscheiden, dürften Rufe nach einer Trennung wieder laut werden. Schafft Yakin mit der Nati allerdings den Sprung in den Viertelfinal oder noch weiter, dann sind sämtliche Diskussionen um seine Tauglichkeit vom Tisch. Über die gemeinsame Zukunft würde dann er und nicht mehr der Verband entscheiden.