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Alisha Lehmann, das Postergirl von Como

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Lehmann ist das Aushängeschild bei ihrem neuen Club FC Como -- und Tore hat sie auch schon geschossen.Bild: www.imago-images.de

Alisha Lehmann, das Postergirl von Como

Die Bernerin ist das Aushängeschild des innovativsten Projekts im Frauenfussball. Ein Augenschein beim FC Como Women.
04.10.2025, 16:1604.10.2025, 16:16
Raphael Gutzwiller, Seregno / ch media

Doppelpass mit dem Assistenztrainer, ein Abschluss perfekt in den Winkel. Alisha Lehmann kreischt, dann macht sie den legendären Jubel von Cristiano Ronaldo. Sie dreht sich um ihre Achse, landet breitbeinig und schreit: «Siuuu!» Ihre Mitspielerinnen lachen sich schlapp.

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Postergirl, Fussballprofi, Stilikone: Alisha Lehmann.Bild: fxp-fr-sda-rtp

Im Schusstraining zum Abschluss dieser Trainingseinheit am Freitag ist die Stimmung locker. Im Stadio Ferruccio in Seregno absolvieren die Fussballerinnen von Como Women eine Trainingseinheit. Eine blaue Rundbahn führt um das Feld, das etwas in die Jahre gekommene Stadion bietet 3700 Menschen Platz. Dort spielt das Männerteam von Seregno Calcio in der Serie D – und der FC Como Women. Bis eine eigene Spielstätte Realität wird, tragen sie ihre Heimspiele hier aus. Im einzigen Stadion in Como kickt der Männerklub in der Serie A.

Mit jenem Männerteam hat Como Women nichts zu tun. Stattdessen ist es das innovativste Projekt im europäischen Frauenfussball. Und mittendrin ist mit Alisha Lehmann die bekannteste Schweizer Fussballerin. In hübschen weissen Trainingsklamotten trainiert sie fleissig, zieht in einer Taktikübung das Pressing an, kommt zu Abschlüssen. Nach der Heim-Europameisterschaft ist die 26-jährige Bernerin von Juventus Turin zu Como gewechselt. Das letztjährige Tabellensechste der Serie A verfügte bisher über keine grosse Namen, Lehmann ist jetzt der grosse Star. Sie ist das neue Postergirl von Como Women.

Bei Medien geht Lehmann auf Distanz

Nach dem Training lächelt Lehmann als sie den Schweizer Journalisten erblickt. «Hey! Wie geits?», fragt sie in breitem Berndeutsch. «Gut, danke. Und dir?» – «Auch gut, ich bin sehr happy hier.» – «Hast du Zeit ein bisschen zu reden?» «Nein, lieber nicht. Sorry, bin gerade im Stress.» Weg ist die Fussballerin, die auf Instagram 16,5 Millionen Follower hat und sich gerade bei jungen Fans grosser Beliebtheit erfreut.

In den sozialen Medien gewährt sie einen Einblick in ihr Leben voller Luxus und Glamour, in den traditionellen Medien gibt sich die Profifussballerin unnahbar. Von ihrem Management wird sie abgeschottet, Interviews gibt sie nur in den seltensten Einzelfällen. Auch diesmal nicht – obwohl die Medienabteilung des Klubs zuvor einem kurzen Schwatz zugestimmt hatte.

Frauenfussball soll ohne den Männerfussball funktionieren

Offener spricht die Frau, die dafür verantwortlich ist, dass Alisha Lehmann neu an der Schweizer Grenze kickt: Victoire Cogevina Reynal. Die argentinisch-griechische Geschäftsfrau baut mit dem US-Fonds «Mercury 13» das erste Multi-Club-Ownership im Frauenfussball auf. Die Gruppe will rund 100 Millionen Euro in ein Netzwerk von Frauenfussballklubs in den europäischen Topligen und Südamerika investieren. Bislang war Como der einzige Klub im Portfolio, vor zwei Wochen wurde mit Bristol City aus der zweithöchsten englischen Liga ein zweiter Klub gekauft.

Reynal nimmt sich Zeit für ein Gespräch, in dem sie detailliert ihre Pläne erklärt. «Bisher waren Frauenteams abhängig – von Männerklubs, von Verbänden, von Subventionen oder von Investoren. Wir wollen einen Weg schaffen, dass sie auf eigenen Beinen stehen können», erklärt Reynal. «Wir glauben, dass Unabhängigkeit der Schlüssel zum Wachstum des Spiels ist. Fussball war schon immer ein Spiegel der Gesellschaft – und die Gesellschaft war lange nicht für Frauen gebaut.»

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Alisha Lehmann war in der Nati zuletzt Ergänzungspielerin -- aber eine wichtige Teamstütze.Bild: www.imago-images.de

Reynal ist die Tochter einer Fifa-Funktionärin, war selber Modeunternehmerin und setzt sich seit Jahren für die Gleichstellung im Sport ein. 2015 gründete sie die ausschliesslich von Frauen geführte Agentur SR All Stars, 2022 verkaufte sie ihr Start-up Gloria für mehrere Millionen US-Dollar an die Fussball-App OneFootball, wo sie als erste Vizepräsidentin für Frauenfussball und als erste Frau im Verwaltungsrat tätig war. Und nun träumt sie davon, dass der Frauenfussball sich selber finanzieren kann. «Como Women ist der Pilot dafür, wie wir Frauenfussball-Klubs uns aufstellen können, dass sie kommerziell und finanziell selbsttragend werden.»

Como Women soll zu einer Luxus-Marke werden

Dabei setzt die Geschäftsfrau darauf, eine Marke zu schaffen, die unabhängig von sportlichen Resultaten funktioniert. Logo, Farben, Trikots, Website und Social Media: Alles ist darauf designt, eine visuelle und ästhetische Marke zu schaffen. «Como Women soll in zehn Jahren eine der besten, wenn nicht die beste Luxus-Marke im Sport sein. Auf Augenhöhe mit Wimbledon oder der Formel 1», bringt Reynal das ambitionierte Ziel zum Ausdruck.

Die Klubbesitzerin ist überzeugt, dass Männer und Frauen unterschiedlich funktionieren und der Frauenfussball deshalb das Potenzial nicht ausschöpft. «Mode hat mir geholfen, Frauen zu verstehen – und genau das muss Fussball endlich lernen», sagt Reynal. So möchte sie mit Como lieber bei Modemagazinen vorkommen als bei Sportsendern. «Anstatt ESPN zu pitchen, pitchen wir Vogue und Vanity Fair», sagt sie. Der modische Einfluss zeigt sich schon jetzt. Alisha Lehmann und ihre Teamkolleginnen traten in dieser Woche bei der Fashion Week in Mailand auf und waren am Oktoberfest in München.

Lehmann spielt in den Plänen von Como Women eine entscheidende Rolle – auch abseits des Platzes. Sie ist weltweit die Fussballerin mit den mit Abstand meisten Follower und soll ihrem Klub internationale Bekanntheit verschaffen. «Alisha will ihre Reichweite nutzen, um das Spiel zu fördern. Sie hat sich bewusst für uns entschieden, weil sie hier echten Einfluss haben kann», beschreibt Reynal.

Switzerland's Alisha Lehmann greets fans during a thank you and farewell event at the Fan Zone and public viewing on Federal Square (Bundesplatz), after the elimination of the Swiss women's  ...
Alisha Lehmann ist bei der Nati ein Publikumsmagnet. Das Gleiche erhofft man in Como von ihr.Bild: keystone

Auch sportlich soll Como mit Alisha Lehmann zu einem Spitzenklub werden. «Wir wollen den Klub nachhaltig Richtung Champions League führen und gegen die Grossen bestehen – aber auf einer finanziell soliden Basis», so Reynal. Alles Geld, das erwirtschaftet werde, soll in das Team zurückfliessen und so die Qualität der Spielerinnen und die Infrastruktur verbessert werden.

«Alisha Lehmann bringt innovative Ideen»

Noch ist die Infrastruktur in Seregno, wo das Team an diesem Freitag trainiert, weniger gut. Der Platz holpert, es nieselt leicht. Ein Mitarbeiter des Klubs sagt: «Es ist nicht ideal hier, aber das Trainingsniveau ist hoch.» Auf dem Platz ist Alisha Lehmann auffällig, es wird sichtbar, dass sie sich gut eingelebt hat in Norditalien. Mit den Mitspielerinnen macht sie Witze, vieles erinnert an ihre Rolle im Schweizer Nationalteam, wo sie bekannt dafür ist, für gute Stimmung zu sorgen. Während der Heim-EM hielt sie jeweils vor den Auftritten eine Motivationsansprache. Doch bei Como ist Lehmann anders als im Nationalteam auch auf dem Platz eine Leistungsträgerin. «Ich sehe jedes Training», sagt der Angestellte. «Sie sticht in jedem Training heraus. Ich finde sie eine grossartige Spielerin.»

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Bei Como ist Alisha Lehmann auch auf dem Platz eine Leistungsträgerin.Bild: www.imago-images.de

Auch Reynal ist hellbegeistert von der 26-Jährigen. Dabei spricht sie weniger vom Sport, sondern von ihrer menschlichen Art. «Sie hat gesagt, dass sie hier einen Mehrwert schaffen will», so Reynal, die sich für die Spielerin als Ansprechsperson sieht. «Ich möchte, dass Spielerinnen wie Alisha wissen, dass sie sich jederzeit bei mir melden können. Jede verrückte Idee wird bei uns gehört, weil wir innovativ bleiben wollen.»

Die Fussballerinnen in Como sollen nichts weniger als ihren Sport revolutionieren. Sie sollen Vorbilder werden für eine neue Generation an Mädchen, für die es normal sein wird, dass Frauen Fussball spielen. Reynal erzählt: «Ich habe eine zweijährige Tochter und nehme sie oft mit nach Como, weil ich möchte, dass sie diese Frauen sieht: Kämpferinnen, resilient, Vorbilder einer neuen Generation.»

Ob die grossen Pläne in Como Wirklichkeit werden oder dann doch die grossen Fussballmarken dieser Welt zu gross sind für die innovativen Visionen, soll die Zukunft weisen. Noch heissen die grossen Fussballklubs dieser Welt auch bei den Frauen FC Barcelona, Arsenal oder PSG. Und noch ist die Realität von Como Women nicht die des grossen Glamours, wie der Augenschein vor Ort zeigt. Im Stadio Ferruccio ist nicht nur der Rasen schlecht, die spärlichen Fans sind wegen der Rundbahn weit entfernt und die in die Jahre gekommenen Sitzschalen zeigen den Schriftzug: «Seregno». Nur eine Fahne auf der gegenüberliegenden Seite erinnert daran, dass neben dem Männer-Serie-D-Team hier auch ein Frauen-Serie-A-Team zu Hause ist.

In einigen Jahren soll alles anders sein im Frauenfussball von Como, grösser und glamouröser. Dazu beitragen soll auch Alisha Lehmann. Ihren ersten Treffer für die neuen Farben schoss die Bernerin im Ligacup, wo sie ihr Team gegen Inter Mailand zu einem 1:0-Sieg führte. So richtig startet die Saison in Italien erst an diesem Wochenende. In der Serie A Femminile bestreitet Como am Sonntag ein Heimspiel gegen Lazio. Die Augen im Stadio Ferruccio werden auch dann wieder auf das Postergirl aus der Schweiz gerichtet sein. (aargauerzeitung.ch)

Alisha Lehmann und Riola Xhemaili im «Swiss Qwiss»

Video: watson/Emanuella Kälin
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5 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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teqm
04.10.2025 18:35registriert Mai 2021
Geschmäcker sind ja zum Glück verschieden 😅
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