Eigentlich wird an Pressekonferenzen über Sportliches gesprochen. So auch, als am Montagnachmittag Alayah Pilgrim und Lia Wälti vor die Medien treten. Zuerst ist Pilgrim dran. Sie erzählt vom internen Konkurrenzkampf in der Offensive, beantwortet diverse Fragen: Was erwartet die Stürmerin von Gegnerin Spanien? Wie kann die Schweiz die Überraschung schaffen? Ist es schwierig, die Konzentration hochzuhalten, wenn mehr als eine Woche bis zum nächsten Spiel vergeht?
Und dann plötzlich packt Pilgrim, die sich mit ihrem Treffer zum 2:0 gegen Island zu einer der Schweizer EM-Heldinnen gemacht hat, eine ganz private Geschichte aus.
Angesprochen auf eine Affinität für Löwen schmunzelt die 22-Jährige. Dann erzählt sie: «Ja, das stimmt. Meine Mutter ist tatsächlich mit einem Löwen aufgewachsen.» So sei ihr Grossvater Anwalt für den Zirkus Nock gewesen. Dieser habe Löwen gehabt. Doch die Löwen-Mutter verstiess ihre Babys und schob sie unter dem Gehege durch. Der Zirkus habe nicht gewusst, was jetzt zu tun sei.
«Dann wurde mein Grossvater gefragt, ob er die Löwen haben will.» Und das wollte er, er nahm alle drei mit nach Hause. Zwar überlebte von den drei Löwen-Babys, wie Pilgrim erzählt, nur eines. «Die anderen waren zu schwach, ihnen fehlte die Muttermilch.» Der kleine Löwe, der bereits stark genug war, wurde hingegen das neue Haustier der Familie – getauft auf den Namen Mauzli.
Und von diesem Moment an wurde Mauzli vollkommen in das Familienleben von Pilgrims Mutter Tanja integriert. So wurde er beispielsweise im Familienhaus und nicht etwa in einem Gehege aufgezogen. «Im Winter sind sie dann gemeinsam mit dem Löwen schlitteln gegangen», erzählt Pilgrim lachend.
Zudem sei ihr Grossvater Schulpräsident gewesen. Auch dahin wurde der Löwe mitgebracht und am Arbeitsort an eine Kette gebunden. Doch dann kam die traurige Wende: Weil Mauzli als Baby unter dem Gittergehege durchgefallen war, hatte er sich den Rücken gebrochen. Mit dem Alter nahmen die Schmerzen des Löwen wegen des zunehmendem Gewichts aber zu – und so wurde das geliebte Tier eingeschläfert.
«Weil er aber so wichtig für die Familie war und allen viel bedeutet hat, liess mein Grossvater ihn ausstopfen.» Mehr noch – Mauzli nahm weiter aktiv am Leben des Anwalts teil. In dessen Büro wurde er am Eingang aufgestellt, um allfällige Einbrecher zu verscheuchen. Und heute? Heute hat er seinen Platz in Muri, im Wohnzimmer von Pilgrims Mutter gefunden.
(aargauerzeitung.ch)