Wenn Fabio Celestini am frühen Donnerstagmorgen nach Hause kommen wird, dann wird er etwas zu feiern haben.
Ganz egal, wie sein FC Basel sich im Wankdorf gegen die Berner Young Boys geschlagen hat. Denn am 31. Oktober feiert der Trainer der Basler nicht nur seinen 49. Geburtstag, sondern auch noch sein 1-Jahr-Jubiläum als Chefcoach des FCB.
An seinem 48. Geburtstag hatte er in Basel unterschrieben, nur einen Tag vor dem kapitalen Cup-Spiel gegen den SC Kriens, welches die Basler mit Ach und Krach gewinnen konnten.
Seither ist viel passiert. Celestini hat das Team stabilisiert, aus dem Tabellenkeller geführt, zwei Transferperioden, in welchen das Kader umgebaut wurde, überstanden und sein Team jeweils neu justiert. Er hat ein bitteres Cup-Out erlebt, Zu-spät-Kommer gemassregelt, unnötige Niederlagen eingesteckt, und ja, auch erste Fragen, wie lange er diesen Job noch innehaben wird, über sich ergehen lassen müssen.
Bevor es am Mittwochabend zum Duell des Meisters gegen den früheren Serienmeister kommt, wird Celestini am Tag vor dem Spiel darum gebeten, eine kleine Bilanz zu ziehen. Welches sein schönster Moment aus bald 365 Tagen FC Basel war? «Ganz ehrlich, diese letzten drei Wochen waren sehr schön», sagt Celestini. Drei Wochen, in denen die Basler erst YB zu Hause mit 1:0 besiegten, dann gegen St.Gallen im Joggeli in letzter Sekunde ein 2:1 holten und schliesslich am vergangenen Samstag in Winterthur eine 6:1-Gala aufs Parkett gezaubert haben.
Wenn er einen Moment, ein Spiel, auswählen müsste, dann wäre es der Sieg über St.Gallen: «Von den Emotionen her war das das schönste Spiel. Es war das erste Mal, dass das Stadion explodiert ist. Und es war auch wichtig für die Beziehung mit der Mannschaft. Alle sind in die Ecke gerannt, haben zusammen gejubelt.»
Seit diesem Erweckungsmoment scheinen die Basler im Flow zu sein. Es herrscht eine gewisse Leichtigkeit, die lange nicht zu spüren war im und um den FC Basel. Eine Atmosphäre, wie sie Celestini in seinem Jahr als FCB-Trainer noch nie erlebt hat.
Diese Zufriedenheit, die Celestini am Dienstag vor den Medien anzumerken ist, gründet jedoch nicht nur in drei Siegen aus drei Spielen. Nicht nur in Zahlen. Sondern es geht um das Was und Wie, um die Art und Weise, wie vor allem der letzte Sieg zustande gekommen ist.
Gleich im Nachgang der Partie vom Samstag sprach Celestini vom Spass, den seine Mannschaft habe. Spass, zusammenzuspielen, und Spass, ganz grundsätzlich Fussball zu spielen. «Das ist für einen Trainer die beste Sache», ergänzte er.
Auch drei Tage später ist Celestini noch immer begeistert vom Auftritt seiner Mannschaft. «Sie vermitteln mir, dass sie Lust haben.» Lust nicht nur einfach auf Fussball, sondern auf Celestini-Fussball. «Es ist das erste Mal in meinem Jahr in Basel, dass die Spieler meine Idee, meine Philosophie von Fussball nehmen und diese auf dem Feld interpretieren. Das ist sehr schön zu sehen.»
Einen Tag vor dem Duell mit dem Meister scheint in Basel vieles in die richtige Richtung zu zeigen. Schritt für Schritt. Der FCB stellt die beste Offensive der Liga, er stellt die beste Defensive der Liga – und er scheint näher zusammengerückt zu sein.
Alles Fakten, an die vor dreieinhalb Wochen die wenigsten dachten. Damals, als die Basler das letzte Mal auf YB trafen. Vom «Entlassico» war die Rede, davon, dass jener Trainer gehen muss, der das Duell Basel gegen Bern verlieren würde. In der Tat musste Patrick Rahmen in Bern seinen Posten räumen. Von einem angeblich wackelnden Stuhl Celestinis ist 24 Tage später kaum mehr etwas übrig.
Die Welt scheint in Basel eine andere zu sein. Die beiden Niederlagen gegen Zürich und Luzern, die dem letzten YB-Spiel vorausgingen, scheinen als Teil des Prozesses ad acta gelegt zu sein. Auch wenn Celestini sagt: «Dieses 0:1 in Luzern war der schlimmste Moment in meinem Jahr hier.»
Mittlerweile sieht er sein Team an einem anderen Punkt. Auch, was die Mentalität angeht. Bestätigt fühlt er sich darin, weil sein Team auch nach dem 3:0 und dem 4:0 in Winterthur immer weiterspielte, nie zufrieden war. Und: «Weil die letzten 30 Minuten in dieser Partie mit die besten Werte aufweisen, was Intensität und Sprints angeht», wie er erklärt. Etwas, was bei einer 5:0-Führung nicht normal sei.
Es sind alles gute Vorzeichen für ein Spiel in Bern, bei dem der Gastgeber ein bisschen wie ein angeschossenes Reh daherkommt. Nach dem Trainerwechsel und dem vermeintlichen Turnaround mit dem Sieg gegen Luzern und der starken Leistung trotz Niederlage gegen Inter Mailand ist Bern schon wieder in Alarmbereitschaft.
Die 0:2-Pleite gegen Lugano am Sonntag war die bereits sechste Niederlage für YB in dieser Saison – in der gesamten letzten Spielzeit summierten die Berner nur gerade deren sieben Nuller.
Doch wie sich in Basel Trainer Celestini über die Art und Weise des Sieges in Winterthur freut, so wütet YB-Captain Loris Benito nach dem Spiel in Lugano darüber, wie der nächste Nackenschlag zustande gekommen ist.
«Es muss mehr gehen, wir müssen mehr Widerstandsfähigkeit an den Tag legen», sagt er nach Abpfiff ins SRF-Mikrofon und zählt dann auch gleich noch seine Kollegen an: «Wir haben Spieler, die einen Grind ziehen, wenn sie nicht spielen, und wenn sie die Chance bekommen, zeigen sie es nicht.»
Deutliche Worte. Der Captain der Berner soll schon vor der Partie das mangelnde Feuer gespürt und mit einer Ansprache versucht haben, die Kollegen mitzureissen und die Handbremse zu lösen. Ohne Erfolg.
«Wir wüssten eigentlich, wie es geht, aber wir zeigen es einfach nicht», fasst er dazu passend zusammen. Denn dass die Berner über sich hinaus wachsen können, zeigte nicht nur die Partie gegen Inter, sondern auch die beiden Playoff-Partien gegen Galatasaray Istanbul.
Europäisch ansprechend, national mit fehlendem Feuer – die Situation der Berner erinnert an jene der Basler in der Saison 2022/2023. Während des europäischen Höhenfluges, der erst im Conference-League-Halbfinal sein Ende fand, strauchelte der FCB in der Liga, erreichte erst am letzten Spieltag noch den 5. Rang. Diese intrinsische Motivation – oder eben das Fehlen genau dieser – kann nicht trainiert werden.
Das sagt auch Celestini, angesprochen auf den Gegner vom Mittwoch. «Das ist unmöglich. Lugano oder Yverdon sind nicht Inter Mailand. Da hilft kein Video oder sonst etwas», so der FCB-Coach und fügt an: «Es fehlt etwas bei ihnen. Wie das in den letzten Jahren bei uns der Fall war.»
Die Basler reisen also, was Form und Tabellensituation anbelangt, als Favorit nach Bern. Eine Situation, wie es sie schon lange nicht mehr gab. Zwar mahnt Fabio Celestini, dass YB noch immer das beste Team der Liga sei und beim letzten Duell am 6. Oktober nicht wie ein Team aus dem Tabellenkeller aufgetreten sei.
Und doch hat man das Gefühl, dass die Chance für den FC Basel, die Berner Young Boys im Wankdorf zu schlagen, selten grösser war in den vergangenen acht Jahren. So lange ist es her seit dem letzten Vollerfolg in Bern. Am 22. Mai 2016 war das, die Torschützen hiessen auf Basler Seite Matías Delgado und zweimal Jean-Paul Boëtius. Seither resultierten drei Remis und 13 Niederlagen, jüngst das 1:5 im März dieses Jahres.
Fabio Celestini ist kein Freund solcher Statistiken. Oder besser: Er ist ein Freund davon, Dynamiken zu stoppen. Im Januar gelang es dem FCB unter der Leitung von Celestini, den ersten Heimsieg gegen YB nach dreieinhalb Jahren einzufahren. Und auswärts?
Möglich, dass Fabio Celestini am frühen Donnerstagmorgen nicht nur seinen Geburtstag und sein Dienstjubiläum feiern kann. (riz/aargauerzeitung.ch)