Der Stich ins englische Herz passiert in der 86. Minute. Da stimmt die Zuordnung in der Defensive nicht: Spaniens Marc Cucurella hat auf der linken Seite viel zu viel Platz und vor dem Tor schiebt sich Mikel Oyarzabal in den Raum zwischen John Stones und Marc Guéhi. Der kommt dann auch an den Ball und spitzelt diesen an Goalie Jordan Pickford vorbei ins Tor. 2:1 für Spanien – es ist die Entscheidung!
England hat keine Antwort mehr auf die erneute spanische Führung. Dabei kommen die Three Lions noch einmal zu einer riesigen Chance: In der 90. Minute köpft erst Declan Rice wuchtig aufs spanische Tor, doch kann Unai Simon parieren. Dann rettet Dani Olmo gegen Marc Guéhi auf der Linie, bevor Rice am Tor vorbei köpft. Es war die Chance, der das Team von Gareth Southgate noch lange nachweinen dürfte. Denn es war die letzte echte Möglichkeit, die Niederlage doch noch zu verhindern.
Anders als nach dem 1:0 der Spanier durch Nico Williams Jr. kann England nicht mehr reagieren. In der 73. Minute schlug der Schuss von Cole Palmer aus rund 18 Metern noch flach im linken Eck zum 1:1 ein. Der eingewechselte Offensivspieler schloss nach dem zurückgelegten Ball von Jude Bellingham direkt ab, Goalie Unai Simon war bei dem leicht abgefälschten Schuss fast ohne Chance. Trainer Gareth Southgate, der Harry Kane bereits nach einer guten Stunde vom Platz genommen hatte, hatte erneut ein gutes Händchen bewiesen.
Zuvor hatte Williams das Team von Trainer Luis de la Fuente nach einer ziemlich ereignisarmen ersten Halbzeit ohne nennenswerte Torchance kurz nach der Pause erstmals in Führung geschossen. Nach zwei schnellen Pässen über Fabian Ruiz und Dani Carvajal kam der Ball zu Jungstar Lamine Yamal, der Williams perfekt in den Lauf spielte. Der Abschluss des 22-jährigen Flügelflitzers von Athletic Bilbao passte dann perfekt zwischen Verteidiger Kyle Walker und Goalie Pickford hindurch ins lange Eck.
Nach dem Führungstreffer hätte Spanien gleich erhöhen können, doch rettete John Stones gegen Alvaro Morata, der den Ball schon an Goalie Pickford vorbeigeschoben hatte. Gleich danach schoss Torschütze Williams knapp am linken Pfosten vorbei. Spanien blieb das spielbestimmende Team, doch vermochte England durch Konter immerhin einige Nadelstiche zu setzen. So wie beim 1:1 durch Cole Palmer.
Das Momentum nach dem Ausgleich konnte England jedoch nicht nutzen. Vielmehr verfiel es wieder in Passivität, was dem Team vom in der Kritik stehenden Trainer Southgate am Ende dann zum Verhängnis wurde. In der 82. Minute konnte Pickford nach einem schön vorgetragenen Angriff der Spanier gegen Lamine Yamal noch retten, vier Zeigerumdrehungen später ist er dann aber machtlos.
So kürt sich Spanien zum vierten Mal nach 1964, 2008 und 2012 zum Europameister. Die Iberer sind nun neuer Rekordsieger vor Deutschland mit drei Titeln (1972, 1980 und 1996). Es ist ein verdienter Titel, begeisterte die Furia Roja doch mit begeisterndem Offensivfussball und waren sie über das gesamte Turnier gesehen das mit Abstand beste Team.
Siegtorschütze Oyarzabal sprach nach der Siegerehrung gar von einer Familie, zu der die Spanier zusammengewachsen seien. Trainer Luis de la Fuente stimmte zu: «Wir sind ein echtes Team und haben uns zu den Königen Europas gemacht. Und das haben wir uns verdient.»
England versinkt hingegen im Tal der Tränen: einmal mehr hat es nicht geklappt mit dem zweiten Titel nach der Weltmeisterschaft von 1966. Die Anhängerschaft der Three Lions wird also mindestens «60 Years of Hurt» («60 Jahre der Schmerzen») durchstehen müssen, bis die nächste Chance besteht, den Fluch endlich zu besiegen. Schon vor drei Jahren verlor England den EM-Final, damals gegen Italien im Penaltyschiessen. Für Trainer Gareth Southgate könnte es das letzte Spiel gewesen sein – bei England scheint die Zeit für einen Neuanfang gekommen zu sein.
Spanien - England 2:1 (0:0)
Berlin. 71'000 Zuschauer. SR Letexier (FRA).
Tore: 47. Williams 1:0. 73. Palmer 1:1. 86. Oyarzabal 2:1.
Spanien: Simon; Carvajal, Le Normand (83. Nacho), Laporte, Cucurella; Rodri (46. Zubimendi), Ruiz; Yamal (89. Merino), Olmo, Williams; Morata (68. Oyarzabal).
England: Pickford; Walker, Stones, Guéhi; Saka, Mainoo (70. Palmer), Rice, Shaw; Foden (89. Toney), Bellingham, Kane (61. Watkins).
Bemerkungen: Spanien ohne Pedri und Perez (beide verletzt). England komplett.
Verwarnungen: 25. Kane. 31. Olmo. 53. Stones. 92. Watkins. (sda)