Acht Jahre mal eben so in einem Satz zusammenzufassen, ist nicht einfach. Aber Breel Embolo hat es geschafft. In einem Satz. Er sagt über seine ersten acht Karrierejahre ganz schlicht: «Ich bin nie an meine Grenzen gekommen.»
Dabei ist es so eine Geschichte mit Breel Embolo und den Grenzen. Er hat sie ausgelotet, ausgedehnt. Wie jeder Heranwachsende. Erst als jugendlicher Lausbub, dann als junger Erwachsener, und im Januar 2021 mit seinem Skandal in Gladbach hat er sie etwas gar ausgereizt. Aber auf dem Platz, da hat er seine Grenzen laut eigener Aussage nie erreicht. Geschweige denn überwunden.
In Basel, so erzählt man sich, musste er im Training gar nicht an seine Grenzen gehen. Sein Talent war so gross, dass auch etwas unter 100 Prozent reichten. Zumindest gegen Ende seiner Zeit beim FC Basel. Auch deshalb liess man ihn früh ziehen. Damit Embolo wieder vermehrt gezwungen ist, an seine Grenzen zu kommen.
Auf Schalke bremste ihn eine schlimme Verletzung, als er langsam Fahrt aufzunehmen schien in Richtung persönliche Grenzen. Und bei Gladbach, da kam Embolo besser in Form, hatte ein gutes letztes Halbjahr. Aber man hatte immer das Gefühl, dass noch mehr geht. In sechs Jahren Bundesliga hat er zehn Tore erzielt für Schalke, 22 für Gladbach. Vielleicht sind es jene Zahlen, die Embolo selbst sagen lassen, er sei nie an seine Limiten gestossen.
Mittlerweile ist er 25 Jahre alt, spielt seit Sommer für die AS Monaco. Er sagt von sich, dass er sich nicht mehr über Statistiken definiere, sondern über Leistungen. «Es geht auch darum, Chancen zu kreieren. Wenn dann mal noch das eine oder andere Mal der Ball ins Tor reinfällt, ist das für einen Stürmer natürlich toll.»
Acht Mal ist ihm «der Ball reingefallen», vier Mal hat er dem Kollegen den letzten Pass gegeben. 12 Skorerpunkte in 23 Spielen, so gut war Embolo nie. Just jetzt, wo er darauf weniger wert legt.
Vielleicht hat ihn befreit, dass er sich weniger Druck macht. Es helfe aber auch das Umfeld in Monaco. Auf der vereinseigenen Homepage lässt er durchblicken, weshalb die Adaption so einfach war:
Breel Embolo kann sich im Fürstentum erstmals so richtig entfalten, so wirkt es. Er ist gereift, vielleicht noch mehr, als kurz nach den Geburten seiner Kinder. Ob man aktuell den besten Embolo sehe, wurde er vor ein paar Wochen gefragt. Er wollte nicht zustimmen, dafür sei er noch zu jung, könne noch besser werden. Grenzen überwinden eben.
Aber seine Form ist bestechend, seit er Anfang September gegen Nizza sein zweites Ligue-1-Tor erzielte. Seither folgten lediglich drei Liga-Partien ohne Skorerpunkt. «Klar gibt es dennoch Verbesserungspotenzial», sagt er am Tag, an dem er mit der Nationalmannschaft nach Katar fliegt. Und weiter:
Der nächste Step auf diesem Weg des Breel Embolo wird aber einer sein, der ihn insbesondere emotional an seine Grenzen bringen wird. Das Spiel der Schweizer Nationalmannschaft am Donnerstag. Gegen Kamerun. Breel Embolos Heimat.
Am 14. Februar 1997 erblickt er in der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé das Licht der Welt. Die ersten sechs Lebensjahre wächst klein Breel Donald dort auf. Die Eltern trennen sich, Mama Germaine geht in die Schweiz. Breel und sein Bruder folgen ihr erst sechs Monate danach, wohnen bis dann bei einer Tante.
Grosse Erinnerungen habe er nicht mehr an diese Zeit, vieles weiss er nur noch aus Erzählungen seiner Mutter. Ob ihm der Abschied schwerfiel? Er glaube nicht, «sonst hätte es mir meine Mutter gesagt. Als Kind gewöhnt man sich schnell an ein neues Leben – man geht zur Schule, findet schnell Anschluss, die Sprache habe ich auch rasch gelernt», erzählte er einst dieser Zeitung.
Damals, als noch niemand wissen konnte, dass Breel Embolo im Jahr 2022 seine dritte Endrunde bestreiten wird. So klein die Erinnerungen von früher an die Heimat sind,so gross und tief ist die Verbundenheit bis heute geblieben:
Aber er wolle dem Land etwas zurückgeben. Das sei wichtig für ihn, aber auch für die ganze Familie. Auch deshalb hat Embolo in jungem Alter eine Stiftung gegründet, welche unter anderem Kinder in Kamerun unterstützt. «Ich will etwas zurückgeben», erklärt er sein Engagement.
Was seine Verbundenheit zum ersten Gegner der Schweizer Nationalmannschaft an dieser WM noch intensiver macht: «Kamerun ist ein Teil von mir. Drei Viertel meiner Familie wohnt noch immer dort. So zum Beispiel mein Vater.»
Mit ihm habe er damals auch besprochen, für welches Land er spielen solle. Der Vater, erhoffte sich den Sohn im kamerunischen Dress zu sehen. Breel Embolo aber entschied sich für die Schweiz. Seither träumte er davon, irgendwann einmal gegen sein Herkunftsland zu spielen.
Dieses Spiel, es werde das absolute Highlight an diesem Turnier. Für ihn. Und die ganze Familie – natürlich. «Das wird sehr, sehr emotional für uns alle.» Er habe versucht, die aufkommenden Emotionen wegzuschieben. Das habe gut geklappt bei Monaco. Kein Wunder, wenn man jeden dritten Tag ein Spiel absolviert, sogar am Vorabend der Abreise nach Katar noch um 20.45 Uhr.
Nach und nach dürften die Emotionen jedoch hochkommen. Breel Embolo war immer Fan von Samuel Eto'o, von Alex Song, von der ganzen kamerunischen Nationalmannschaft. «Nur wenn wir gegen sie spielen, werde ich nicht Fan sein.»