Es rumort heftig in Katar. Nicht nur hier, überall auf der Fussballwelt, und insbesondere in Europa. Verursacher? Wieder einmal die FIFA. Im Schlepptau: Wieder einmal Katar. Vielleicht ist es auch umgekehrt, das weiss niemand so genau. Der Stein des Anstosses ist die «One Love»-Binde, welche die Captains von sieben europäischen WM-Teilnehmern während ihren Spielen tragen wollten. Am Montag verbot die FIFA die Aktion unter Androhung einer Gelben – und bei weiterer Zuwiderhandlung wohl der (Gelb-)Roten Karte.
In einer einzigen Medienmitteilung begründete der Weltverband seine Sicht mit den Ausrüstungsregeln und berief sich auf den Artikel 13.8.1: «Für Final-Wettbewerbe muss der Captain jeder Mannschaft eine von der FIFA gestellte Armbinde tragen.» In der Folge zogen sich die betroffenen Nationen wie Deutschland oder Holland zurück. Harry Kane, der Captain des englischen Teams, verzichtete im Startspiel gegen den Iran ebenfalls.
Und der dänische Trainer Kasper Hjulmand sagte vor dem WM-Auftakt seiner Mannschaft: «Es ist kein Entscheid der Spieler, unser Verband hat so entschieden. Wir können nicht vorbelastet mit einer Gelben Karte in eine Partie starten. Aber die Binde wurde ja nicht erst jetzt erfunden. Ich sehe darin kein Problem und es bleibt für mich die Frage, wo es liegen soll.»
Der Schweizer Verband SFV ist von der Machtdemonstration der Fifa ebenfalls betroffen. SFV-Mediensprecher Adrian Arnold sagt:
Letztlich geht es also darum, Granit Xhaka zu schützen, der die Binde unbedingt und voller Stolz tragen wollte. Weil sie für denselben Wertekompass steht, wie ihn der Schweizer Captain hat. Zudem hatte Xhaka sie bereits in Partien der Nations League getragen, doch diese fanden noch unter dem Patronat der Uefa statt.
Der Mittelfeldregisseur der Nati soll die Absicht gehabt haben, sich der Strafandrohung der Fifa zu widersetzen und trotzdem mit der Binde aufzulaufen. In Rücksprache mit dem SFV kam er von seinem Ansinnen weg. Arnold sagt: «Es durfte nicht sein, dass Granit sportlich benachteiligt wird. Es ist bedauerlich – weil wir eine positive Botschaft verbreiten wollten. Wir werden sie bei anderen Gelegenheiten nach aussen tragen.»
Die WM soll ein schönes Fussballfest sein. Doch jetzt liess die FIFA von Präsident Gianni Infantino die Muskeln spielen und ein Thema riesig werden, das schlicht eine bemerkenswerte Note verdient gehabt hätte. Denn die «One Love»-Binde ist eine ehrenhafte Angelegenheit – zumindest in unserer Weltanschauung. Sie ist eine Weiterentwicklung der Regenbogenbinde. Diese wurde während der EM 2021 bereits getragen, entstand letztlich aus der LGBT-Bewegung und war im Sinn der Pride-Flagge. Als Symbol der Solidarität mit Homosexuellen fokussierte sie eine Gruppe Menschen.
Elf europäische WM-Teilnehmer fanden sich dann in diesem Sommer zusammen, darunter die Schweiz, Dänemark oder Wales. Sie bildeten die «Arbeitsgruppe Menschenrechte». Ihr Ziel: In Katar, das hinsichtlich der Achtung von Menschenrechten nicht den westeuropäischen Standards entspricht, gemeinsame Aktionen zu planen. Daraus entstand die weisse «One Love»-Binde, deren Mitte ein buntes Herz ziert.
Sie wurde als unpolitisch und nicht als Vorwurf gegen den Ausrichter verstanden, sondern war einfach eine positiv konnotierte Message – eine Antidiskriminierungsbotschaft gegen Ausgrenzung, Rassismus, Antisemitismus, für universelle Liebe und Gleichheit. Die FIFA war informiert. Gleichwohl reagierte sie nie auf das Schreiben vom September, in dem der Wunsch, die Binde zu tragen, geäussert worden war.
Diesen Samstag liess der Weltverband schliesslich durchblicken, dass er das Tragen nicht tolerieren würde. Und verwies auf das Reglement. Auch ahnte er, dass Verbände wie die Schweiz eine Busse über 100000 Franken in Kauf nehmen würden. Frankreichs Captain Hugo Lloris hatte da bereits den Rückzug angekündigt; er wolle sich dem Veranstalterland anpassen, sagte er. Am Sonntag traf sich die Arbeitsgruppe nochmals, der längst auch die USA, Kanada und Australien (damit sind es 14 Länder) angehörten. Sie wollte ihr Zeichen trotzdem in die Welt senden.
Als jedoch der Druck der FIFA wuchs und die Sanktionen bekannt wurden, musste man sich am Montagmorgen die Übermacht des Widersachers eingestehen – im Wissen, dass man nicht gelb-vorbelastet in ein Spiel starten kann. Die Holländer reagierten ziemlich heftig:
So entbehrt es nicht einer gewissen Ironie und Scheinheiligkeit, dass die Fifa, die sich doch so sehr als Weltverbesserer sieht und eine (eigene) Werteagenda vor sich herschiebt, das Einlenken der Verbände erzwungen hat. Noch ironischer und scheinheiliger indes ist es, dass man den Verbänden Alternativen anbot – etwa, dass sie Kampagnen des Weltverbands wie «No Discrimination» unterstützen sollten. Und natürlich steht der Verdacht weiter im Raum, dass die Fifa nach der Pfeife des Gastgeberlandes tanzt. Denn vor allem Katar war die «One Love»-Binde ein Dorn im Auge.
Fraglich ist ebenfalls, was das Ganze für die Schiedsrichter bedeutet hätte: Sie wären beim Gelbzeigen zwangsläufig zu instrumentalisierten Parteiischen der Fifa geworden. Derweil lässt der SFV den Weltverband und Katar wissen:
Oberland-Autobahn
Und was sagte Gianni Infantino dazu? "Um Zweifel zu vermeiden: In einem FIFA-Wettbewerb würden die jüngsten Demonstrationen von Spielern in der Bundesliga einen Applaus verdienen und keine Bestrafung. Wir alle müssen Nein zu Rassismus und jeglicher Form von Diskriminierung sagen."
Alles klar, Gianni.
trichie
Wenn die WM Werbung fürs Land sein soll wird das ein ziemliches Eigentor😂
I don't know what you heard about me