Der Champions-League-Final vom vergangenen Samstag hätte beinahe in einer Katastrophe geendet. Vor dem Spiel kamen tausende Liverpool-Fans trotz Tickets nicht ins Stade de France, wurden zwischenzeitlich weggesperrt und schliesslich von der Polizei mit Tränengas vertrieben. Der Anpfiff beim Endspiel zwischen Liverpool und Real Madrid (0:1) verzögerte sich um 37 Minuten. Nun eskaliert auch der Streit um die Schuldfrage.
Für den französischen Innenminister Gérald Darmanin ist diese klar. «Diese Probleme gibt es nur im Fussball bei bestimmten englischen Vereinen», sagte er. Der 39-jährige Politiker verteidigte das Vorgehen der Pariser Polizei: «Die getroffenen Entscheidungen haben Tote verhindert.» Mit dem Aufheben der äusseren ersten Zugangskontrolle habe man verhindert, dass Menschen zerquetscht worden seien.
🔴🗣️ "On a eu des problèmes qu'avec la tribune britannique. Mais, cela ne veut pas dire que les Anglais sont les faussaires." @GDarmanin dans #LE20H de @GillesBouleau sur #TF1 > https://t.co/LYL1AlaVhS . pic.twitter.com/3flXlV7Biq
— TF1Info (@TF1Info) May 30, 2022
Gleichzeitig erhob Darmanin schwere Vorwürfe gegen Liverpools Coach Jürgen Klopp. «Ich erinnere Sie daran, dass der Trainer von Liverpool vor ein paar Tagen die Fans aufgerufen hat, auch ohne Tickets nach Frankreich zu kommen.» 10'000 Tickets standen den «Reds»-Fans zur Verfügung, nach Paris gekommen waren aber über 60'000 Engländer.
Frankreichs Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra rechnete vor, dass 30'000 bis 40'000 Menschen ohne Eintrittskarte oder mit gefälschten Tickets zum Stade de France gedrängt seien. Zudem glaubte sie, Liverpool habe sich anders als Real Madrid nicht gut um die Begleitung der eigenen Fans gekümmert. Oudéa-Castéra sagte, aus den Geschehnissen müssen im Hinblick auf die Rugby-Weltmeisterschaft 2023 und die Olympischen Sommerspiele 2024 Lehren gezogen werden.
Gänzlich anders sieht das Liverpools Bürgermeisterin Joanne Anderson, die am Samstag selbst im Stadion war: «Unsere Fans wurden in Bezug auf ihr Verhalten stereotypisiert. Ich werde immer wütender, je mehr Geschichten ich höre.» Das Vorgehen der Pariser Polizei sei «wirklich brutal» und «überaus widerlich» und die grundsätzliche Organisation des Finals «chaotisch» gewesen.
Die Labour-Politikerin wandte sich mittlerweile mit einem offenen Brief an die britische Aussenministerin Liz Truss. Darin warf sie den Organisatoren vor, die Liverpool-Fans durch zu schmale Passagen geleitet, eingekesselt und Ticket- und Sicherheitskontrollpunkte verwaist gelassen zu haben. Sie schreibt, selbst erlebt zu haben, wie die Polizei wahllos Pfefferspray und Tränengas gegen sich normal verhaltende Fans einsetzte.
My letter to Foreign Secretary @trussliz calling for an investigation into the disgraceful scenes at the @ChampionsLeague final in Paris on Saturday night (scroll down thread). ⬇️ pic.twitter.com/MAHpjQEr6b
— Joanne Anderson (@MayorLpool) May 30, 2022
Anderson wehrt sich in ihrem Schreiben gegen die Aussagen von Innenminister Darmanin und Sportministerin Oudéa-Castéra, und erklärte, dass Videos und Bilder auf Social Media das Gegenteil beweisen. Sie fordert eine offizielle Entschuldigung der französischen Politiker und vom europäischen Fussballverband UEFA und eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle.
Die letzte Forderung zumindest ist bereits erfüllt worden. Am Montagabend hat die UEFA angekündigt, die Vorfälle von Paris von einem Experten-Team aufarbeiten zu lassen. Die Untersuchung wird vom ehemaligen portugiesischen Bildungs- und Sportminister Tiago Brandão Rodrigues geleitet.
UEFA commissions independent report into events surrounding UEFA Champions League final.
— UEFA (@UEFA) May 30, 2022
«Bei der umfassenden Überprüfung werden Entscheidungsfindung, Verantwortung und Verhalten aller am Finale beteiligten Stellen untersucht», teilte der Verband mit. Um die Unabhängigkeit sicherzustellen, werde Brandão Rodrigues unentgeltlich arbeiten. (abu)