Es wäre unfair zu behaupten, dass Goalie André Onana das einzige Problem bei Manchester United sei. Zu viel läuft im Klub auch sonst schief. So ist die Defensive nicht nur wegen des Kameruners schwach, offensiv hapert es zumindest in der Premier League und zwischen Fans und Besitzern ist das Tuch sowieso schon lange zerschnitten. Dennoch ist Onana das Sinnbild der Krise beim englischen Rekordmeister.
Am gestrigen Mittwoch verschuldete er im vorentscheidenden Gruppenspiel in der Champions League gegen Galatasaray Istanbul zwei Gegentore. Aufgrund des 3:3-Unentschiedens hat ManUnited das Erreichen des Achtelfinals in der Königsklasse nicht mehr in der eigenen Hand. Dabei wurde Onana gerade verpflichtet, damit sich die «Red Devils» auf der Position des Torhüters keine Sorgen mehr machen müssen. Über 50 Millionen Euro überwies United für den 27-Jährigen an Inter Mailand.
Bei den Italienern war er in der letzten Saison einer der besten Goalies der Champions League und hatte massgeblichen Anteil am Erreichen des Endspiels. Neben seinen starken Reflexen begeisterte Onana die Verantwortlichen von ManUnited vor allem auch mit seinen fussballerischen Fähigkeiten. Anders als Vorgänger David de Gea könne er ins Aufbauspiel eingebunden werden und auch einmal einen Angriff lancieren.
Nun ist es nicht so, als hätte Onana diese Fähigkeiten bei Manchester United vollständig vermissen lassen. Gerade im Vergleich zu de Gea ist er viel stärker ins Passspiel eingebunden, hat deutlich mehr Ballkontakte und macht mit dem Ball am Fuss kaum Fehler. Dennoch ist der Sechstplatzierte bei der Wahl zum Welttorhüter des Jahres 2023 ein Problem für Manchester United.
Denn so inkonstant wie die «Red Devils» in dieser Saison, so inkonstant ist auch André Onana. Mal brilliert er mit hervorragenden Paraden wie zuletzt in der Premier League, als er dreimal in Folge ohne Gegentor blieb und ManUnited gegen Fulham und Luton nur 1:0 gewann. Oder beim 1:0-Erfolg gegen Kopenhagen in der Champions League, als Onana eine starke Leistung mit einem parierten Penalty in der Nachspielzeit krönte. Und dann schiesst er seinem eigenen Team mit seinen haarsträubenden Fehlern ins Bein – und gefährdet so auch den Job seines Trainers, der am Ende den Kopf für die schlechten Resultate hinhalten muss.
Nicht zum ersten Mal verschuldete Onana in der laufenden Saison Punktverluste – gerade in der Champions League wackelt er häufig. Nach dem 3:4 in München im September entschuldigte sich Onana: «Ich habe das Team im Stich gelassen. Meinetwegen haben wir die Partie nicht gewonnen.» Der 35-fache Nationalspieler hatte den Schuss von Leroy Sané zum 1:0 für Bayern durchrutschen lassen. Es war der erste von nun 14 kassierten Treffern in der laufenden Champions-League-Saison.
«Wir kassieren furchtbare Gegentore», sagte Bruno Fernandes, der in Istanbul beide Freistösse vor dem 1:2 und dem 2:3 verursachte. Auf Onanas Patzer angesprochen sagte Trainer Erik ten Hag: «Natürlich können Fehler einzelner Spieler den Unterschied machen.» Wie auch Kapitän Fernandes wollte der Niederländer den Goalie aber nicht zum Schuldigen machen. Doch kann gerade nach dem Spiel in Istanbul niemand behaupten, dass Onana ein sicherer Rückhalt ist.
André Onana was left devastated at full-time 😢#UCL pic.twitter.com/3KjvVgmLu7
— Football on TNT Sports (@footballontnt) November 29, 2023
«Er macht sein Team mit seinen schrecklichen Fehlern nervös», meint ManUnited-Legende Paul Scholes bei TNT Sports. Onana lasse leichte Paraden «unglaublich schwer aussehen». Der frühere Mittelfeldspieler sah auch die Verantwortung für das 3:3 von Galatasaray beim kamerunischen Goalie: «Er sollte sich nicht in der kurzen Ecke bezwingen lassen, sein Positionsspiel ist schwach.» Durch den Auftritt in der Königsklasse habe Onana, der in der Premier League zuletzt gute Leistungen gezeigt habe, wieder einen klaren Rückschritt gemacht.
Weil er immer wieder für einen Fehler gut ist, kommt Onana nicht aus dieser Negativspirale heraus. Gerade für einen Goalie ist das Selbstvertrauen ein entscheidender Faktor, um gute Leistungen zeigen zu können. Dieses dürfte nach der gefühlten Niederlage in Istanbul nicht gewachsen sein – nun muss er das ebenso wie das Vertrauen der Fans und der Mitspieler stückweise wieder zurückgewinnen. Die erste Möglichkeit bietet sich ihm am Samstag in Newcastle in seinem Lieblingswettbewerb, der Premier League.