Eine Woche lang hat die Muttenzerkurve geschwiegen. Nun nimmt sie auf ihrer Website Stellung zu den Vorfällen nach dem Cup-Aus des FC Basel gegen die Young Boys. «Wir haben unsere eigenen Grenzen massiv überschritten», schreibt die Fanvereinigung.
Rund hundert Vermummte hatten sich nach dem Spiel vor dem Stadion versammelt. Eine kleinere Gruppe passte das Personal eines Sicherheitsdiensts ab und griff dieses an. Während einigen die Flucht gelang, gerieten vier Mitarbeitende in die Fänge der Schläger. Drei mussten schwerverletzt in den Spital gebracht werden, die vierte Person wurde mittelschwer verletzt.
«Das Ausmass der Gewalt schockiert uns selbst», heisst es nun bei der Muttenzerkurve. Zwar habe es auch in der Vergangenheit gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben, doch diese seien nicht mit den Vorfällen von letzter Woche vergleichbar. «Etwas, das wir in den letzten Jahren – selbst im Falle von physischen Auseinandersetzungen – immer hochgehalten haben und in Zukunft umso mehr tun werden, ging nach dem Spiel vorübergehend verloren: Der Respekt vor dem Leben beziehungsweise die Menschlichkeit des Gegenübers.»
Die Fussballanhänger bestätigen, was zunächst als Gerücht herumgereicht wurde. Der Angriff geschah demzufolge, weil ein Fan im Stadion verhaftet wurde, weil er Pyro zündete. «Die Verhaftung war zwar unverhältnismässig, doch das Ausmass unserer Reaktion steht in keiner Relation dazu», so das Communiqué. «Dass diese Reaktion dann noch dermassen ausartete und wir erst sehr spät – kurz vor dem Erscheinen der Polizei – in der Lage waren, das Ganze wieder zu stoppen, war nicht vorhersehbar und lässt uns konsterniert zurück.» Es sei das passiert, was die Fans sonst oft Politikern oder Medien vorwerfen: eine Überreaktion als Schnellschuss anstelle von Besonnenheit und Pragmatismus.
Die Kurve gelobt Besserung. Dem über die Zeit gewachsenen «Feindbild Sicherheitskräfte» wolle man aktiv entgegenwirken, wobei es dazu alle Beteiligten brauche. «Zudem wollen wir die meist unauffällig wirkende, aber sehr bewährte Selbstregulierung wieder stärken.» Beides sei in ihren Augen nötig, damit bei zukünftigen Konflikten der Mensch im Gegenüber nicht vergessen gehe. Den Verletzten wünsche man eine rasche Genesung und «wir möchten uns für unser Versagen bei der gesamten FCB-Familie entschuldigen».
Zur Aufarbeitung der Ereignisse gehöre auch der unmittelbare Dialog. Deshalb öffne die Muttenzerkurve beim nächsten Heimspiel die Plattformbar vor dem Eingang zum Heimsektor. Es werde auch die Möglichkeit geben, den Match zu verfolgen. Das ist deshalb von gewisser Brisanz, weil der FC Basel die Muttenzerkurve gesperrt hat. Diese Sperre werde man aber nicht umgehen, obwohl «wir Kollektivstrafen per se und somit auch in diesem Fall verurteilen». Auch der Gästeblock wurde gegen YB geschlossen, wobei Berner Fans ankündigten, am Sonntag trotzdem nach Basel zu reisen.
Die Partie gegen YB ist aus Fansicht nicht das einzige heikle Spiel im Verlauf der nächsten Woche. Im Vorfeld des Viertelfinal-Rückspiels der Conference League in Nizza erklärte der Bürgermeister der französischen Küstenstadt Christian Estrosi auf Twitter: «Ich bin über die Ankunft hunderter Schweizer Fans in Nizza beunruhigt. Es steht ausser Frage, dass es wieder zu Ausschreitungen kommen wird.» Ausserdem appellierte er an die Fans des FCB: «Reist nicht nach Nizza.»
Dieser Wunsch wird bei der Basler Anhängerschaft aber wohl ins Leere laufen – sollte sie nicht ausgeschlossen werden. Noch sind keine Tickets erhältlich, doch der FC Basel teilte am Dienstagabend mit, dass FCB-Fans «nach aktuellem Wissensstand gemäss Infos aus Nizza» zugelassen sein werden. Bürgermeister Estrosi hofft, dass sich das noch ändern werde: «Ich verlange vom Staat, alle nötigen Massnahmen zu treffen, um die Störungen der öffentlichen Ordnung, die mit der Anreise dieser Fans einhergehen, zu beenden.» (ram/nih)