Nur noch etwas mehr als drei Monate sind es bis zum Champions-League-Final. Nur noch etwas mehr als drei Monate bis zu einem der grössten Sportereignisse des Jahres. Ein Highlight mit Milliarden Zuschauern weltweit. Das bedeutet aktuell aber auch: Nur noch ganz wenig Zeit für die UEFA, zu handeln.
Denn das Endspiel der Königsklasse 2022 soll am 28. Mai in der Gazprom Arena von St. Petersburg stattfinden. Nach der jüngsten Eskalation durch Russland im Ukraine-Konflikt steht der europäische Kontinentalverband damit vor einem Dilemma: Kann das Finale des grössten Klubwettbewerbs der Welt wirklich in einem Land stattfinden, das als Aggressor einen souveränen europäischen Staat nicht nur bedroht, sondern ihm auch noch das Existenzrecht abspricht?
🏟️ 1⃣0⃣0⃣ 𝗗𝗔𝗬𝗦 𝗧𝗢 𝗚𝗢! 🏟️
— UEFA Champions League (@ChampionsLeague) February 17, 2022
The Saint Petersburg final is edging closer 🤩
Which teams will be there? #UCL | @gazpromfootball pic.twitter.com/Vt91es5MnB
Sollen Mannschaften wie Titelverteidiger Chelsea, Bayern München oder Paris Saint-Germain wirklich in St.Petersburg Fussball spielen, während der Gastgeber an anderer Stelle Krieg führt? Es wäre ein bizarres Szenario.
Bisher hielt sich der Verband bedeckt: «Die UEFA beobachtet die Situation fortlaufend und genau. Derzeit gibt es keine Pläne, den Veranstaltungsort zu wechseln», erfuhr die ARD-Sportschau noch Mitte Februar in einer Stellungnahme aus der Zentrale im schweizerischen Nyon.
Schon damals standen russische Soldaten rund um die Ukraine, hatten das Land förmlich eingekesselt. Nach der Anerkennung von Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten und der Entsendung von Truppen durch Russlands Präsident Wladimir Putin aber hat sich die Situation noch einmal grundlegend verändert, ja dramatisch verschärft.
Heute teilte die UEFA mit, es gebe «derzeit keine Pläne, den Austragungsort zu ändern». Die Situation werde genau beobachtet. Der britische Aussenpolitiker Tom Tugendhat kritisierte die UEFA scharf. «Das ist ein beschämender Entscheid. Die UEFA sollte einer gewalttätigen Diktatur nicht Deckung bieten», twitterte der konservative Politiker.
This is a shameful decision. @UEFA should not be providing cover to a violent dictatorship. https://t.co/Mls0yiOiCH
— Tom Tugendhat (@TomTugendhat) February 22, 2022
Mit Blick auf internationale Spiele des russischen Meisters Zenit St. Petersburg teilte die UEFA mit, sie sei in engem Kontakt mit den betroffenen nationalen Verbänden und Vereinen. «Derzeit ist vorgesehen, dass alle Spiele wie geplant stattfinden», hiess es. Zenit trifft an diesem Donnerstag im Europa-League-Rückspiel in Spanien auf Betis Sevilla.
Dazu kommt ein weiteres Problem: Wie umgehen mit Sponsor Gazprom? Der russische Staatskonzern hat seine Zentrale in St.Petersburg, hält die Namensrechte am Finalstadion, in dem sonst der örtliche Klub Zenit spielt – und ist dazu seit 2012 einer der grössten Sponsoren der Champions League, engagiert sich mit Millionen Euro.
Gazprom wurde zum Partner der nächsten zwei Europameisterschaften und verlängerte das Partnerschaftsabkommen mit der UEFA Champions League @UEFAcom_de für weitere drei Jahre von 2021 bis 2024. pic.twitter.com/U4SDngsj52
— Gazprom (@GazpromDE) May 19, 2021
Gazprom ist im Fussball allgegenwärtig. Während der Fernsehübertragungen läuft die Werbung des Gasunternehmens rauf und runter, unterlegt mit Musik des legendären Komponisten Peter Tschaikowsky. Auf dem Rasen prangt das Logo gross auf den Werbebanden. Russische UEFA-Funktionäre haben meist beste Beziehungen zum Unternehmen. Exekutiv-Kommitee-Mitglied Alexander Dyukov ist Vorstandschef des Gazprom-Tochterunternehmens Gazprom Neft.
Dass die UEFA allerdings zu schnellem Handeln fähig ist, zeigen die letzten Jahre: 2020 sollte das Finale der Königsklasse eigentlich in Istanbul stattfinden, wurde aufgrund der Corona-Pandemie dann aber nach Lissabon verlegt. Ebenso 2021, als erst St.Petersburg, dann Istanbul als Gastgeber vorgesehen war, dann aber doch in letzter Sekunde nach Porto ausgewichen wurde.
Und dieses Jahr? Da sollte eigentlich München Finalort sein, ehe durch die Verschiebungen der vorangegangenen Jahre doch St.Petersburg an die Reihe kam – und die UEFA nun vor ein Dilemma stellt. Es sind nur noch drei Monate Zeit. (dd/pre)