Der Fussball auf höchster Ebene wird oft kaputt geredet, aber er hält immer noch schöne Geschichten bereit. Wie jene vom Gigantenduell im Achtelfinal der Champions League. Real Madrid liegt nach eineinhalb Spielen gegen Paris Saint-Germain mit dem Gesamtskore von 0:2 zurück und wenig bis gar nichts deutet darauf hin, dass den «Königlichen» noch eine Wende gelingt.
Doch dann: Auftritt Karim Benzema. Mit einem lupenreinen Hattrick innerhalb von 17 Minuten dreht der Franzose das Spiel. Das ruhmreiche Estadio Santiago Bernabéu ist völlig aus dem Häuschen, dank dem 3:1-Sieg im Rückspiel zieht Real Madrid in die Viertelfinals der Champions League ein.
Die Tradition hat den Emporkömmling in die Schranken gewiesen. Weshalb sich nun überall auf der Welt jene über das PSG-Scheitern freuen, die dem Projekt in der französischen Hauptstadt schon länger mit Skepsis begegnen.
2011 stieg die Qatar Sports Investments bei PSG ein, im Jahr darauf übernahm das Emirat Katar den Klub ganz. Und butterte Geld hinein, sehr viel Geld. Das bescherte den Parisern reihenweise Meistertitel und Cupsiege. Aber der ganz grosse Triumph, den Klubboss Nasser Al-Khelaifi mit Vehemenz anstrebte, der blieb aus: jener in der Champions League.
Erst war mehrmals im Viertelfinal Schluss, dann folgte 2017 ein legendärer Achtelfinal gegen den FC Barcelona. Paris Saint-Germain hatte das Hinspiel mit 4:0 gewonnen – und flog nach einer 1:6-Niederlage im Camp Nou noch raus. Episch.
Der Brasilianer Neymar war für die Wende verantwortlich. Wenige Monate später lief er nicht mehr für Barça auf, sondern für PSG, das ihn für die Weltrekord-Ablösesumme von 222 Millionen Euro verpflichtete. Man glaubte, damit den Schlüssel zum Erfolg eingekauft zu haben.
Aber auch mit Neymar stotterte der Motor, wenn im Stadion die magische Melodie der Champions League erklang. Bis sich PSG im Sommer 2020 erstmals die Chance bot, den Henkelpott zu ergreifen. Es war ein trauriger Final, wegen der Corona-Pandemie ohne Zuschauer ausgetragen, und PSG verlor ihn mit 0:1 gegen Bayern München.
Neymar hatte da in Form von Kylian Mbappé bereits seit längerem einen genialen Sturmpartner. Aber das reichte immer noch nicht. Also griffen die schwerreichen Katarer zu, als sich im Sommer 2021 die Gelegenheit ergab, Lionel Messi vom finanziell taumelnden FC Barcelona zu verpflichten.
Nebst dem viele Jahre besten Fussballer der Welt kamen auch: Goalie Gianluigi Donnarumma, Europameister und zum besten Spieler der EM-Endrunde gekürt. Verteidiger Sergio Ramos, Weltmeister, Alles-Gewinner, Abwehrgott. Es kamen Georginio Wijnaldum aus Liverpool und Achraf Hakimi von Inter Mailand. Die Weltauswahl wurde noch einmal aufgestockt – mit dem ultimativen Ziel, endlich, endlich diese Champions League gewinnen zu können.
In der Ligue 1 eilt Paris mit grossen Schritten dem nächsten Meistertitel entgegen – nachdem vergangene Saison sensationell dem OSC Lille der Vortritt gelassen werden musste. Aber was ist schon der Meistertitel im Hexagon gegen den strahlenden Glanz eines Champions-League-Titels? Nichts als ein ganz schwacher Trost. Wie wenn ein Kind anderen Kindern dabei zusehen muss, wie sie ein Schoggibrügeli essen, während es selber an einem Rüebli knabbert. Auch etwas feines, aber halt kein Schoggibrügeli.
Wo war der mittlerweile 34-jährige Messi gegen Real Madrid? Wo war Neymar? Mbappé war bärenstark – aber alleine konnte er es nicht richten. Ab nächster Saison soll er selber für die «Königlichen» spielen. Mbappés Vertrag bei PSG endet im Sommer, seit Monaten steht der Transfer nach Spanien im Raum.
Wie wird PSG ihn ersetzen? Wie wird es überhaupt weitergehen im Parc des Princes? Wie lange wollen die Scheichs ihren Traum vom Gewinn der Champions League noch verfolgen? Es sind spannende Fragen, mit denen sich Präsident Nasser Al-Khelaifi, sein Sportdirektor Leonardo und die weiteren Entscheidungsträger in den kommenden Wochen beschäftigen werden. Klar ist gemäss der Zeitung «L'Equipe», dass Trainer Mauricio Pochettino bei PSG keine Zukunft hat.
Gestern Abend hatte das Duo Al-Khelaifi und Leonardo den Frust über das Ausscheiden zu bewältigen. Es stürmte in die Kabine von Schiedsrichter Danny Makkelie, der in seinem Bericht ein «aggressives Verhalten» der beiden beschrieb. Demnach ging die Fahne eines Schiedsrichter-Assistenten kaputt.
Die Pariser hatten beim Wendepunkt der verlorenen Partie, dem 1:1-Ausgleich, ein Stürmerfoul von Benzema an Torhüter Donnarumma gesehen. Mitspieler Neymar soll seinen Goalie wegen dessen Flop so sehr kritisiert haben, dass die beiden in der Kabine getrennt werden mussten. Die Diskussion wäre sonst gemäss Anwesenden zu einer Schlägerei eskaliert.
Die «Marca» berichtet, Al-Khelaifi habe in den Katakomben randaliert und einen Real-Angestellten, der die Szenen mit seinem Smartphone filmte, mit den Worten «Ich werde dich umbringen!» bedroht. Schon in der VIP-Loge habe der PSG-Präsident mit dem Ausscheiden vor Augen den Anstand und seine guten Manieren verloren.
Es gab schon einmal ein Fussballteam, in dem die besten Spieler der Welt versammelt waren. Auch den «Galacticos» von Real Madrid war in den 2000er-Jahren kein dauerhafter Erfolg beschieden. Es reifte die Erkenntnis, dass ein Fussballteam vielleicht eben doch mehr ist als die reine Summe grandioser Einzelspieler.
Ob das auch in Paris angekommen ist? Das jüngste Transfer-Gerücht spricht dagegen: Der bei Manchester United angeblich unzufriedene Cristiano Ronaldo soll kommen. Messi und CR7 mit Neymar in einem Team – es ist wahrscheinlich der feuchte Traum jedes Playstation-Spielers. In welchem Umfang diese Konstellation dann auch in der echten Welt überzeugen könnte, steht auf einem anderen Blatt Papier.
*GOLDIG*