Nach dem Erhalt der Europameisterschaft der Frauen 2025 ist Dominique Blanc, Präsident des schweizerischen Fussballverbandes, noch immer in Lissabon am UEFA-Kongress. Wir erreichen ihn per Telefon zum Interview. Auf Wunsch des SFV wehrt er sich auch auf die Vorwürfe, dass der Verband den Frauenfussball zu wenig fördere. Meret Yannice Wälti, die Schwester von Nati-Captain Lia Wälti, hatte in einem Gastbeitrag für CH Media unter anderem geschrieben, dass Männer den Fussball möglichst männlich halten möchten.
Dominique Blanc, herzliche Gratulation zur erfolgreichen Kandidatur: Die EM 2025 findet in der Schweiz statt. Was kann eine solche Veranstaltung verändern?
Dominique Blanc: Diese Heim-Euro kann die bestehende Förderung des Frauenfussballs weiter unterstützen. Ein solches Turnier kann eine höhere Visibilität für den Fussball der Frauen schaffen. Wir hoffen, dass wir dadurch die ohnehin schon steigende Tendenz der Anzahl der lizenzierten Mädchen und Frauen weiter beschleunigen können.
Auch wenn die Freude nun gross ist: Es läuft nicht alles rund im Schweizer Frauenfussball. Woran hapert es aus Ihrer Sicht noch?
Wir sind noch immer auf einem Weg, der vor einigen Jahren angefangen hat. Und doch sehe ich seit drei Jahren eine klare Verbesserung. 2020 haben wir eine Strategie deponiert, worin wir auf den Frauenfussball als zweite Priorität innerhalb des Fussballverbandes setzen. Wir haben seither eine Direktion gebildet, zunächst mit Tatjana Haenni und nun seit Anfang Jahr mit Marion Daube. Obwohl wir insgesamt beim Verband Ressourcen abbauen mussten, wurde laufend mehr in den Frauenfussball investiert. Dazu kommt, dass wir mit der Axa einen Vertrag zur Women's Super League abschliessen konnten und auch auf andere starke Partner zurückgreifen. Zudem wurden erste Medien-Partnerschaften für die Liga geschaffen. Und das Frauen-Nationalteam verfügt über dieselben Konditionen wie die Männer, wenn es um Unterkünfte und Flüge geht. Der Verband bleibt seinem Ziel treu, den Frauenfussball zu fördern und zu unterstützen.
Doch der Unterschied zum Männerfussball bleibt riesig. Das veranschaulichen die Aufgabengebiete von Direktorin Marion Daube. Sie ist neben allen Nationalteams auch für die Liga, die Regionalverbände und das Ausbildungszentrum zuständig.
Natürlich ist es so, dass Marion Daube sehr viel für den Fussball der Frauen arbeitet. Vor allem auch in der Zeit der Kandidatur, die sie ja auch leitete. Aber man kann diese Aufzählung nicht so einfach zusammenfassen und dann mit den Männern vergleichen. Der Anteil der Frauen steigt zwar, liegt aber nur bei 10.9 Prozent aller lizenzierten Spielerinnen und Spielern. Dadurch gibt es weniger Teams, die es zu koordinieren gilt als bei den Männern. Und dann kommen Abteilungen wie die Fussball-Entwicklung dazu, die für alle sind. Wir setzen auf die Philosophie, dass wir den Männer- und Frauenfussball nicht strikt voneinander trennen möchten. Stattdessen ist es sinnvoll, Ressourcen gemeinsam zu nutzen.
Zuletzt schrieb Meret Wälti in einem Gastbeitrag gestützt auf Aussagen von wichtigen Exponentinnen des Schweizer Frauenfussballs, dass Männer dafür schauen, dass der Fussball männlich bleibt.
Klar ist, dass sich die Welt nicht von einem auf den anderen Tag komplett verändern kann. Das ist auch im Fussball so. Doch ich glaube nicht, dass es einen prinzipiellen Widerstand gegen Frauenfussball gibt. Stattdessen stelle ich bei uns in allen Gremien fest, dass es einen echten Willen gibt, diesen zu entwickeln. Sowohl im Spitzen- als auch im Breitenfussball wird in den Fussball der Frauen investiert. Die Klubs arbeiten mit den Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen. Aber auch dort fehlt es an Infrastruktur oder an personellen Möglichkeiten. Und dann kommt das Problem dazu, dass bei Frauen-Spielen oft wenige Zuschauer kommen, die nur tiefe Einnahmen generieren.
Doch ist es nicht so, dass gerade deshalb zunächst investiert werden müsste, damit Geld verdient werden könnte? Bei einem Start-up braucht es ja auch eine Anschubfinanzierung.
Allgemein ist es sehr schwierig im Fussball Geld zu verdienen. Das ist nicht nur das Problem des Frauenfussballs, bei den Männern ist es auch so. Dass dann auf das Thema gesetzt wird, bei dem mehr Geld verdient wird, ist verständlich. Dennoch sehe ich neben dem Verband auch viele Klubs, die in den Frauenfussball investieren. Mit unseren Problemen sind wir übrigens keine Ausnahme. Als Positivbeispiele werden immer Länder wie England oder Deutschland genannt, aber wenn ich mit den Verbandspräsidenten spreche, haben sie dieselben Probleme wie wir auch.
Sie haben es durchgebracht, dass der Verband die EM 2025 unterstützt. War es schwierig, Kollegen für die Kandidatur zu begeistern?
Tatsächlich hätten wir verschiedene Optionen gehabt, bei Frauen und Männern. Wir hätten gemeinsam mit einem anderen Land für die Frauen-WM kandidieren können. Oder wir hätten bei den Männern ein Europacup-Final austragen können. Doch nach unserer Analyse war der Zentralvorstand der Meinung, dass die EM 2025 die beste Option ist. Dieser Entscheid wurde mitgetragen und die Ressourcen zur Verfügung gestellt. Auch das zeigt, dass der Frauenfussball im Verband einen hohen Stellenwert geniesst. (aargauerzeitung.ch)